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# taz.de -- Nachtflüge in Berlin, München und Frankfurt: Fünf Stunden Schlaf…
> Die Anwohner des neuen Berliner Flughafens verlieren vor Gericht. Jetzt
> sind die Nachtflüge genehmigt. Das Urteil kann wegweisend für die Streits
> in Frankfurt und München sein.
Bild: Bis zur Abenddämmerung und darüber hinaus: Flugverkehr auf dem neuen Be…
LEIPZIG/MÜNCHEN taz | Am künftigen Hauptstadtflughafen südlich von Berlin
wird es kein komplettes Nachtflugverbot geben. Das hat das
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag entschieden. Nach Ansicht
der Richter haben die Flughafenbetreiber die Lärmschutzbelange der Anwohner
ausreichend berücksichtigt. Für Anwohner und Anrainergemeinden des
künftigen Flughafens ist das Urteil eine Niederlage: Sie hatten dagegen
geklagt, dass auch zwischen 22 und 24 Uhr sowie zwischen 5 und 6 Uhr Starts
und Landungen erlaubt sein sollen.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte erst im Jahr 2006 entschieden, dass der
Flughafen nicht rund um die Uhr in Betrieb sein dürfe, und eine sogenannte
Kernzeit festgelegt: Dementsprechend müsse es eine Nachtruhe zwischen
Mitternacht und 5 Uhr morgens geben. Erst vor einigen Tagen hatte der
Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass am Frankfurter Flughafen
ab Ende des Monats zwischen 23 und 5 Uhr keine Maschinen mehr starten und
landen dürfen.
Dieses vorläufige Nachtflugverbot gilt auch für 17 Ausnahmen für Starts und
Landungen, die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehen sind. Diese Flüge
waren für den Winterflugplan bereits fest eingeplant. Die Berliner Kläger
hatten sich angesichts dieses Urteils Hoffnungen gemacht, dass ihr Anliegen
einer längeren Nachtruhe Gehör finden würde.
Das Gericht verwies in seiner Urteilsbegründung allerdings auf zahlreiche
standortbezogene Besonderheiten des im Bau befindlichen Flughafens: "Der
Flughafen soll spezifische Funktionen als Hauptstadt- und
Regierungsflughafen erfüllen", erklärte der Vorsitzende Richter in der
Urteilsbegründung. Der Flughafen solle den Bedarf an Flügen von und nach
Berlin und Brandenburg "an einem einzigen Standort decken", und mit einem
"verbesserten Flugangebot" unter anderem mehr internationale Ziele
anbieten. Außerdem versprächen sich Berlin und Brandenburg eine Stärkung
der regionalen Wirtschaftskraft, was durch ein restriktiveres
Nachtflugverbot gefährdet werden könnte.
## Berlin ist so weit weg
Eine weiterer Besonderheit: Im Gegensatz zu anderen deutschen Flughäfen sei
Berlin gerade von Zielen im Süden und Westen weiter entfernt, daher brauche
er ein größeres Zeitfenster für An- und Abflüge. In der Abwägung zwischen
den Interessen der Anwohner und denen der Betreiber sei es
"vernünftigerweise geboten", Starts und Landungen auch in den Randzeiten zu
ermöglichen.
Nach diesem Urteil werden am künftigen Großflughafen zwischen 22 Uhr und
Mitternacht sowie zwischen 5 und 6 Uhr durchschnittlich maximal 103 Starts
und Landungen erlaubt sein.
Die zahlreichen Kläger und Prozessbeteiligten machten im Verlauf der
Urteilsverkündung immer wieder ihrem Unmut Luft: "Unglaublich", rief ein
Zuschauer, als der Vorsitzende darlegte, dass es nachts zu einer spürbaren
Lärmpause kommen werde. "Ein Skandalurteil" nannte Ferdi Breidbach, der
Vorsitzende des Bürgervereins Brandenburg-Berlin, der gegen den Flughafen
kämpft, die Entscheidung.
Er kritisierte die Abwägung zugunsten der Wirtschaft. "Die Besiedlung geht
in diesem Fall viel dichter an den Flughafen heran als zum Beispiel in
Frankfurt." Daher sei ein striktes Nachtflugverbot erforderlich. Die
Betroffenen hatten zwar nicht erwartet, dass die Richter ihren Forderungen
komplett nachkommen - wohl aber, dass in der halben Stunde jeweils vor und
nach der Kernzeit Starts und Landungen untersagt werden. Sie erwägen den
Gang vor das Bundesverfassungsgericht, darüber hinaus wollen sie vor den
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft,
Klaus-Peter Siegloch, hingegen nannte das Urteil "wegweisend". Auf die
derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU in Berlin
wird es übrigens keine Auswirkungen haben. Die Spitzen beider Parteien
hatten sich vor der Wahl gegen ein umfassenderes Nachtflugverbot und für
einen Flughafen mit internationaler Drehkreuzfunktion ausgesprochen und
begrüßten einhellig das Urteil. Über die Nachtflugregelung in Frankfurt
wird das Bundesverwaltungsgericht voraussichtlich Anfang nächsten Jahres
entscheiden.
## Streitfall München
Ein ähnlicher Konflikt droht auch dem Münchner Umland: Die Flughafen
München GmbH plant den Bau einer zusätzlichen Startbahn, die vor allem
Attaching, einen Stadtteil von Freising mit tausend Einwohnern, zur
Einflugschneise machen würde. Mehr als 500 Überflüge täglich befürchten die
Attachinger, sollte die Startbahn tatsächlich wie geplant 2015 in Betrieb
gehen. Zu den Hauptverkehrszeiten, morgens und abends, könnten dann im
Abstand von zwei Minuten Flugzeuge in einer Höhe von 80 bis 100 Metern über
die Hausdächer brausen.
Die Regierung von Oberbayern hatte im Sommer einen entsprechenden
Planfeststellungsbeschluss positiv beschieden. Neben dem durchschnittlichen
Lärmpegel von 70 Dezibel beim Landeanflug fürchten die Attachinger
zusätzlich die sogenannten Wirbelschleppen, Luftverwirbelungen, die hinter
den Turbinen entstehen und die je nach Größe der Maschine an
Geschwindigkeit gewinnen. Der Planfeststellungsbeschluss listet auf, dass
wegen der immensen Lärmbelastung und der Gefahr durch Wirbelschleppen die
Sportanlage des Orts geschlossen werden muss. Auch die Kinder des
ortsansässigen Kindergartens dürften nach Inbetriebnahme der
Start-und-Lande-Bahn wegen der Lärmbelastung nur noch drinnen spielen.
Rund hundert Hausbesitzern des Orts sichert der Planfeststellungsbeschluss
deshalb ein Recht auf Entschädigung zu. Wenn die Eigentümer umziehen, muss
die Flughafengesellschaft ihre Immobilie zum Verkehrswert des Jahres 2007
kaufen. Den Attachingern bleibt nur noch eine Möglichkeit, um die von der
CSU ebenso wie von der SPD erwünschte dritte Startbahn zu verhindern: Sie
können klagen.
Dafür ist bis zum 5. November Zeit. Insgesamt sieben private Musterkläger
hat die Schutzgemeinschaft, der 50 betroffene Gemeinden angehören,
ausgewählt, um stellvertretend für die Bürger gegen den Bau einer dritten
Startbahn im Erdinger Moos zu klagen. Auch die Gemeinde Freising und der
Bund Naturschutz bereiten eine Klage vor.
Wo es in Berlin und Brandeburg jetzt auch am späten Abend laut wird, können
Sie auf unserer [1][interaktiven Fluglärm-Karte] sehen.
13 Oct 2011
## LINKS
[1] /1/berlin/fluglaerm-bbi/
## AUTOREN
S. Bergt
M. Halser
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Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
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