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# taz.de -- Flugroutenprotest um See: Bürger brechen Rekorde
> Mehr als 20.000 Menschen bilden eine Kette um den Müggelsee - aus Protest
> gegen die geplante Flugroute über denselben. Und der Bäcker verkauft
> "Flugverbotsbrötchen".
Bild: Hand in Hand gegen Fluglärm: Protestler am Müggelsee
Der Versuch ist geglückt: Tausende Menschen haben am Sonntag eine Kette um
den Müggelsee gebildet und damit ihrem Protest gegen die geplanten
Flugrouten einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde verschafft. "Der
Zuspruch ist riesig, mehr, als wir erwartet haben", sagte Sigrid Strachwitz
von der Friedrichshagener Bürgerinitiative.
Bei bestem Ausflugswetter waren Familien aus Anrainervierteln, aber auch
aus weiter entfernten Stadtteilen ans Ufer gekommen. Die Bürgerinitiative
sprach von 24.000 Demonstranten, die Polizei von mindestens 20.000.
Teilweise standen die Menschen in drei Reihen am Wasser. Auf dem See
bildeten mehrere 100 Boote zudem eine Schiffskette.
Seit Mittag liefen und radelten Menschenströme die Hauptstraße in
Friedrichshagen hinab in Richtung Schiffsablegestelle. "Wissen Sie, wir
sind ein bisschen wie ein gallisches Dorf", sagte Marika S., die mit
Freunden am Ufer über den besten Standort diskutierte. "Wir lassen uns
nicht gern über den Tisch ziehen, und wir glauben, dass wir an den Routen
noch etwas ändern können."
Viele Müggelsee-Anwohner erfuhren erst vor wenigen Wochen, dass eine
Abflugroute ab dem neuen Flughafen in Schönefeld bei Ostwind über den
Müggelsee führen soll. Die Deutsche Flugsicherung hatte sich für die
Variante entschieden, um Erkner zu entlasten. Seitdem hat sich in kurzer
Zeit eine gut organisierte Protestbewegung gebildet: mit wöchentlichen
Montagsdemonstrationen, bei denen Unterhaltung und politische Botschaft
geschickt verbunden werden. Einer der prominentesten Unterstützer ist
Regisseur Leander Haußmann. Auch er war am Sonntag gekommen.
"In Friedrichshagen war schon vorher so ein Wir-Gefühl, das hat sich durch
den Protest noch verstärkt", bekräftigte Steffen Böker. Als
Immobilienmakler hat er die Diskussion seit Längerem verfolgt. Von der
Absicht, eine Route über den See zu führen, wurde er trotzdem überrascht.
Jetzt geht es dem Familienvater ähnlich wie den meisten Teilnehmern darum,
auf größtmöglichen Schutz der Bevölkerung zu pochen: ein Nachtflugverbot
von 22 Uhr bis 6 Uhr und Routen, die so wenig Menschen wie möglich belasten
- auch wenn das für Fluggesellschaften und Airport teurer wird. "Was die
Leute auch so sauer macht, ist der Umgang mit ihnen - dass erst nach und
nach Details ans Licht kommen", so Böker.
Das kleinstädtisch wirkende Viertel strahlte in der Tat Zusammenhalt aus.
Die Dresdner Feinbäckerei an der Flaniermeile zwischen S-Bahnhof und See
bot "Flugverbotsbrötchen" an, das Edelrestaurant "Der Spindel" schloss am
Nachmittag, um den Mitarbeitern die Teilnahme an der Menschenkette zu
ermöglichen. Dutzende Freiwillige standen als Ordner rund um den See
bereit.
Seit dem Mittag verteilten sie die Ankommenden ums elf Kilometer lange
Ufer. Dabei waren auffällig viele junge Menschen. "Wir sind nicht zum Spaß
hier, sondern wegen des Fluglärms", stellte die 14-jährige Celine klar.
Seit Wochen werde in ihrem Jugendklub darüber geredet, die Mitglieder kämen
regelmäßig zu den Montagsdemos. Nun wollte sie mit Freunden per Rad weiter
an weniger populäre Uferstrecken fahren. "Weil wir denken, die Älteren
bleiben eher hier direkt in Friedrichshagen, wir können ja an anderen Enden
die Kette schließen."
28 Aug 2011
## AUTOREN
Kristina Pezzei
## TAGS
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
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