# taz.de -- Wachsender Widerstand gegen Fluglärm: Massenprotest am Boden | |
> Es begann mit Unmutsbekundungen im Lokalen. Nun erregt Fluglärm | |
> bundesweit die Gemüter. An allen großen Flughäfen soll es gemeinsame | |
> Demos geben. | |
Bild: Mittlerweile fordern Bürgerinitiativen von der Bundeskanzlerin ein gener… | |
BERLIN taz | „Ich war ein Leben lang Leistungssportler. Heute mach ich nur | |
noch Abwehrkampf.“ Hartmut Binner, 73, ist ein Pensionär mit Passion: Den | |
Lärm, den er vom Münchner Flughafen ertragen soll, will er nicht | |
akzeptieren. Seit Langem kämpft der bekennende Katholik mit dem bayerischen | |
Akzent nun schon gegen den Bau einer dritten Startbahn in München. | |
Am Samstagnachmittag wird er wieder Versammlungsleiter sein: am Flughafen | |
München, im Terminal 2. Doch dann ist manches anders. Denn das Phänomen des | |
Flughafenprotests soll an diesem Tag eine neue Dimension erreichen. In den | |
Terminals von München, Frankfurt und Düsseldorf, in Köln/Bonn, Leipzig und | |
am künftigen Großflughafen Berlin-Brandenburg sollen am Wochenende bis zu | |
30.000 Menschen protestieren gehen: Zeitgleicher Massenprotest an allen | |
großen deutschen Flughäfen – das ist neu. | |
Das gemeinsame Motto: Fluglärm macht krank. Schaffen es die Fluglärmgegner | |
vom Vorgartenprotest – wie manche spöttisch sagen – zu einer bundesweiten | |
Bewegung? Vielleicht kann Ingrid Kopp diese Frage beantworten. Seit zwölf | |
Jahren ist die Frau aus Wiesbaden-Erbenheim im Protest gegen den Lärm rund | |
um den Frankfurter Flughafen engagiert. „Jetzt“, sagt sie, „merken wir | |
langsam, dass unser Anliegen eine bundesweite Resonanz erfährt. | |
Wir erleben, dass Leute nicht selbst betroffen sein müssen, um uns zu | |
unterstützen.“ Was sie sagt, erinnert ein wenig an die Beobachtungen in | |
Stuttgart: Nicht nur der Lärm, auch der Umgang der Politik mit den | |
Bedürfnissen der Bürger treibe den Fluglärmgegnern viele neue | |
Sympathisanten zu. Glaubt man Ingrid Kopp, dann „ist dies der Anfang einer | |
bundesweiten Vernetzung aller Betroffenen“. | |
## Berliner Opferzank im Vordergrund | |
Dabei ist das nicht selbstverständlich. In Berlin stand bis zuletzt noch | |
der Opferzank im Vordergrund. Im erbitterten Streit über die künftigen | |
Flugrouten kämpften viele Bürgerinitiativen dort vorrangig für ihre eigenen | |
Interessen. Die Bürgerinitiative Friedrichshagen wünschte sich die | |
Flugrouten nach Gosen – und umgekehrt. | |
Matthias Schubert aus der brandenburgischen Gemeinde Kleinmachnow kennt | |
diese Konflikte nur zu gut. Der Verwaltungsjurist hat den bundesweiten | |
Aktionstag als Sprecher des Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg nun mit | |
angestoßen. „Darauf bin ich stolz“, sagt er. „In Berlin klammern wir | |
bestimmte Streitthemen inzwischen bewusst aus und konzentrieren uns auf | |
unsere gemeinsamen Interessen: Das ist ein strenges Nachtflugverbot. Denn | |
das würde allen gleichermaßen helfen.“ | |
Was Schubert für Berlin beschreibt, versuchen Flughafeninitiativen nun auch | |
bundesweit: Sie fordern von der Bundeskanzlerin ein generelles | |
Nachtflugverbot in Deutschland und eine koordinierte Verkehrs- und | |
Flugroutenpolitik – damit es überall leiser wird. | |
Doch Hartmut Binner, der hauptberufliche Abwehrkämpfer aus Bayern und | |
frühere deutsche Meister im Faustball, sagt auch: „Es gibt noch viele | |
Konflikte, auf die wir keine gemeinsamen Antworten finden. Uns Bayern sind | |
die Heimat wichtig und der Klimaschutz. Mit Klimaschutz kann man bei den | |
Frankfurtern nicht groß punkten.“ | |
## Schweigemarsch durch Freising | |
Vor zwei Wochen hatte Binner noch Aktivisten aus London bei sich zu Gast, | |
die am dortigen Flughafen Heathrow den Bau einer weiteren Startbahn | |
verhindern konnten. Sie führten den Schweigemarsch durch Freising an, | |
erzählt Binner. „Da haben wir uns verbündet. Und das machen wir jetzt auch | |
in Deutschland.“ | |
Jörg Rohwedder ist Geschäftsführer der Bewegungsstiftung in Verden. Die | |
Stiftung berät und unterstützt Initiativen aus sozialen Bewegungen. Vor | |
Kurzem gab es bei ihm die ersten Anfragen aus München. Wie man große | |
Bündnisse schmiedet und wie man zu zivilem Ungehorsam ausbildet, wollten | |
die Aktivisten wissen. | |
Doch Rohwedder ist mit seiner Einschätzung noch zurückhaltend. „Die | |
Flughafeninitiativen werden noch sehr stark als Vorgartenprotestler | |
wahrgenommen. Das ändert sich allerdings gerade etwas.“ Mutiger müssten sie | |
werden, mehr Gemeinsamkeiten betonen. | |
„Die Auseinandersetzung um Stuttgart 21“, sagt Rohwedder, „hat gezeigt, | |
dass man auf allen Ebenen argumentieren muss: Dort ging es um | |
Barrierefreiheit für Behinderte, um Umweltfragen und eine Kritik an der | |
etablierten Politik.“ Am Samstag geht es zunächst mal um eines: „Fluglärm | |
macht krank.“ Aber immerhin. | |
23 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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