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# taz.de -- Debatte um Fußballfangewalt: Ultras raus!
> Die Diskussion um die Gewaltbereitschaft einzelner Fußballfans wird von
> Ordnungsfanatikern dominiert. Für sozialpädagogische Ideen ist in der
> aufgeregten Debatte kein Platz.
Bild: Die Ultra-Debatte wird auch auf den Rängen geführt – hier beim Pokals…
Die schockierendste Meldung des Montags zum Thema Gewalt und Fußball kam
aus Magdeburg. Darin ging es um Daniel Bauer, bis vor einer Woche Kapitän
des dortigen Regionalligisten. Der war vor dem Sachsen-Anhalt-Derby gegen
den Halleschen FC am Sonntag (0:0) von fünf vermummten Magdeburger Fans
bedroht worden. "Das ist nur die Vorwarnung. Wenn sich gegen Halle nichts
tut, kommen wir wieder", sollen sie gesagt haben.
Bauer, bei dem zuvor schon per Post eine Morddrohung eingegangen war, hat
die Stadt verlassen. Gegen Halle konnte er nicht mitwirken. Auch beim Spiel
des 1. FC Magdeburg im Landespokal gegen Union Sandersdorf am Mittwoch wird
er nicht dabei sein. So einzigartig der Fall Bauer ist, so wenig er mit
zündelnden Ultras zu tun hat, er wird sicher dazu beitragen, dass die
aufgeregte Diskussion über das Fußballfanverhalten vor und in den Stadien
so schnell nicht abebben wird.
Chaoten fernhalten von den Stadien, das ist das Motto von
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, das er am Wochenende formuliert
hat. Vor ihm hatte der Präsident der Deutschen Fußballliga (DFL), Reinhard
Rauball, klargemacht, dass er keinen Wert auf Diskussionen mit den Fans
legt, die eine Legalisierung von kontrolliertem Abrennen bengalischer Feuer
anstreben.
Er präsentierte sich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung als
wahrer Ordnungsfanatiker und hat eine gesellschaftliche Fehlentwicklung als
Ursache für das Fanverhalten ausgemacht: "Die persönlichen Freiheiten
standen bei uns jahrzehntelang im Mittelpunkt der Werte." Konkret kann er
sich vorstellen, dass Gästefans ganz ausgeschlossen werden von gewissen
Spielen und dass generell weniger Karten an die Anhänger der
Gastmannschaften verkauft werden.
Die Ultras, die sich selbst als Träger einer von ihnen entwickelten
Fußballkultur sehen, sollen draußen bleiben, so sehen es neben dem
Innenminister auch die Macher der Liga. Martin Kind, der Präsident von
Hannover 96, möchte das durch höhere Eintrittspreise für die bislang
günstigen Plätze in den Fankurven erreichen. Zwischen den
Ordnungspolitikern, Polizeivertretern und den Vereinsvertretern wird große
Einigkeit herrschen bei dem von Innenminister Friedrich für den am 14.
November anberaumten runden Tisch zum Thema Fangewalt.
Dynamo Dresden, dessen Anhänger mit ihren Randaleeinlagen und dem Abbrennen
von Feuerwerksraketen beim Pokalspiel am vergangenen Dienstag in Dortmund
der Gewaltdebatte zum Start verholfen haben, geißelt sich derweil selbst
und hat – wohl auch in Erwartung einer harten Bestrafung durch den
Deutschen Fußballbund (DFB) – angekündigt, ohne Fans zum Gastspiel beim FC
St. Pauli zu fahren. "Die SG Dynamo Dresden wird auf das komplette
Gästekartenkontingent für das Auswärtsspiel beim FC St. Pauli am 27.
November 2011 verzichten", vermeldet der Klub auf seiner Website und will
damit "ein unmissverständliches Zeichen" setzen.
Personengebundener Kartenverkauf, gegebenenfalls Reiseverbote zu
Auswärtsspielen und die totale Überwachung im Stadion: in Italien ist die
Fanszene längst an die Kandare genommen worden. Zwei Todesfälle – in
Catania war ein Polizist bei einer Straßenschacht mit Fans getötet worden
und in Arezzo war ein Lazio-Fan auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel von
einem Polizisten erschossen worden – hatten den Fußball erschüttert.
Nun kann nur noch eine Jahreskarte oder ein Ticket für den Gästeblock bei
einem Auswärtsspiel kaufen, wer einen sogenannten Fanpass hat, auf dem
seine Daten registriert sind, was zu einem starken Rückgang der
Dauerkartenverkäufe geführt hat. Kontrollmaßnahmen nach italienischem
Muster fordert Rainer Wendt, der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft
(DPolG), schon lange. Ihm wird zugehört. Sozialpädagogische Ansätze, wie
sie in den Fanprojekten verfolgt werden, gehen dagegen unter.
Beinahe symbolisch mutet da ein Vorfall vom 8. Oktober an. Da gastierte der
Drittligist SV Babelsberg 03 bei Carl Zeiss Jena. Nach dem Spiel kam es am
Bahnhof zu einer Rangelei zwischen den Gästefans und der Polizei. Auslöser
war der Angriff eines Beamten auf die Potsdamer Fanbetreuerin Barbara
Paech. Sie wurde von einem Polizisten niedergeschlagen und am Boden liegend
mit Tritten malträtiert. Beim Thema Fans scheinen viele zurzeit nur eine
Idee zu haben: draufhauen.
1 Nov 2011
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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Datenschutz
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