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# taz.de -- Eintracht Frankfurt will Ultras bestrafen: Wer nicht hören will, s…
> Eintracht Frankfurts krude Idee: Die Ultrafans sollen mehr für Tickets
> bezahlen, weil sie durch Zündelei und Ungehorsam eh nur Kosten
> verursachen würden.
Bild: Pyrotechnik im Stadion: Ultrafans von Eintracht Frankfurt.
FRANKFURT taz | Bevor sich Heribert Bruchhagen in der Fußballbranche als
Funktionär einen Namen machte, hat der wertkonservative Vorstandschef von
Eintracht Frankfurt fast zehn Jahre lang am Kreisgymnasium in
Halle/Westfalen unterrichtet.
Von 1977 bis 1986 vermittelte Bruchhagen seinen Pennälern Wissenswertes in
Sport und Geografie, und parallel dazu war er erst als Spieler und dann als
Trainer beim DJK Gütersloh aktiv. Es gibt einige ulkige Schwarz-Weiß-Bilder
aus dieser Zeit, die Bruchhagen, 63, bei Gelegenheit gern aus seiner
Schreibtischschublade kramt.
Aus seiner Lehrerzeit ist bis heute offenbar noch etwas anderes hängen
geblieben: die kollektive Bestrafung. Wie früher eine ganze Schulklasse für
das Fehlverhalten eines Einzelnen büßen musste, ist ihm nun die Idee
gekommen, seine Problemfans in Sippenhaftung zu nehmen.
Wegen der hohen vom DFB-Sportgericht verhängten Strafen erwägt Bruchhagen,
den Stehplatzbereich in der Nordwestkurve, der von den Ultras eingenommen
wird, künftig mit höheren Eintrittspreisen zu belegen. "Die Fans, die
Fußball lieben, müssen die Oberhand gewinnen.
Ich habe auch gelesen, dass Hannover inzwischen überlegt, die Strafen, die
der Klub beispielsweise für das Abbrennen von Pyrotechnik vom DFB bekommt,
auf den Jahreskartenpreis für den Fanblock umzulegen." Und weiter: "Wir
haben in dieser Saison schließlich auch schon wieder über 20.000 Euro
Strafe bezahlt."
Damit droht Frankfurts Vorstandschef den Ultras. Die Öffentlichkeit ist
gespalten: Bei einer Umfrage der Frankfurter Rundschau sagten genauso viele
Teilnehmer, Bruchhagen habe recht, wie andere behaupteten, die Maßnahme sei
totaler Quatsch.
Aber: Nach Ansicht von Fanexperten wird die Situation mit diesem
Vorpreschen nur verschlimmert. "Grundsätzlich gilt, dass keine Probleme
gelöst werden, wenn Vereine mit Sanktionen reagieren, bei denen die gesamte
Fanszene bestraft wird", sagt Michael Gabriel von der in Frankfurt
ansässigen Koordinationsstelle Fanprojekte.
"Eine Mehrheit für eine Minderheit verantwortlich zu machen ist
kontraproduktiv. Das gilt genauso dafür, den Dialog nur über die
Öffentlichkeit zu suchen." So wird die mächtige Ultragruppierung in
Frankfurt weiter verprellt - zu den beiden Eintracht-Fanbeauftragten ist
der Kontakt ohnehin längst abgebrochen.
## Ultra-Plakat: "Bomben auf Dynamo"
Zwar beteuert der für die Fanbelange zuständige Frankfurter Vorständler
Klaus Lötzbeier, ein ergrauter Vereinsvertreter alter Schule, immer wieder,
er suche das Gespräch, doch bringt das offensichtlich nur bedingt etwas.
Von dem unsäglichen, am 26. September beim Auswärtsspiel in Dresden
gezeigten Transparent "Bomben auf Dynamo" hat Bruchhagen nach eigener
Aussage bereits Tage vorher gewusst. Er habe zusammen mit Lötzbeier
angeboten, die Bombennacht von Dresden, in der es 28.000 Tote gab,
"aufzuarbeiten, wir haben ihnen gesagt, dass wir dieses Plakat für eine
Schande halten".
Nützte nur nichts. Bruchhagen: "Es ist momentan schwer, diese Gruppe von
100 bis 150 Leuten, die immer auf Krawall aus sind, zu erreichen." Für ihn
sind der Platzsturm gegen Köln, das in Dortmund präsentierte Banner
"Randalemeister 2011" oder die Teilsperre der Zuschauerblocks im ersten
Zweitliga-Heimspiel gegen den FC St. Pauli fast persönliche Niederlagen.
## Fußball-Gewalt eskaliert
Das Scheitern der Annäherung in Frankfurt steht fast symbolisch für die
Lage in der Liga: Noch im Juli hatten Fanvertreter und Deutscher
Fußball-Bund über eine mögliche Legalisierung von Pyrotechnik verhandelt -
mittlerweile sind diese Verhandlungen ergebnislos versandet.
Für Gabriel ist aber "der intensive und kontinuierliche Dialog mit der
Fanszene" der einzig gangbare Weg zu einer Lösung des Konflikts. Die
Eskalation erhöhe nur das Risiko weiterer Verfehlungen: Die Zahl der
gefährlichen Vorfälle im deutschen Fußball hat zuletzt wieder zugenommen.
Und das DFB-Pokalspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC
Kaiserslautern am 26. Oktober treibt den Ordnungskräften bereits jetzt den
Angstschweiß auf die Stirn. Im Internet machen bereits martialische Aufrufe
die Runde; im Vorjahr war es in Frankfurt zu üblen Ausschreitungen an der
S-Bahnstation gekommen.
14 Oct 2011
## AUTOREN
Frank Hellmann
## TAGS
Heribert Bruchhagen
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