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# taz.de -- Fankongress des DFB: Hinter hochgezogenen Mauern
> Dialog ja, aber nicht mehr beim Thema Pyrotechnik. Diese Botschaft der
> DFB-Vertreter erzürnt beim Berliner Fankongress die Ultra-Bewegung.
Bild: Damit ist jetzt Schluss: Der DFB hat einen Ukas erlassen.
BERLIN taz | "Der DFB schießt allen ins Genick", sagt eine Besucherin des
Berliner Fankongresses. Sie ist wie so viele Ultras empört über das Verbot
von Pyrotechnik durch den Fußballverband, auch über die Art und Weise, wie
es dazu kam. Der DFB hat einen Ukas erlassen, also ein Dekret des
Präsidiums mit Gesetzeskraft, und nahezu unvermittelt einen monatelangen
Diskussionsprozess mit der Verkündung eines Urteils beendet, von dem viele
Ultras glauben, es habe bereits vor dem Dialog festgestanden.
Ukas ist ein Wort aus dem Russischen - und so ähnlich wie die Opposition in
der gelenkten russischen Demokratie fühlt sich auch die deutsche
Ultra-Bewegung, die mit der Kampagne "Pyrotechnik legalisieren. Emotionen
respektieren" für ein kontrolliertes Abbrennen von bengalischen Feuern in
den Kurven gekämpft hat. Sie fühlt sie veräppelt, übergangen und verprellt.
Sie sagt, der Verband hätte ein abgekartetes Spiel gespielt, falsche
Hoffnungen geweckt, nur um dann umso kompromissloser zuzuschlagen. "Der DFB
präsentiert keine Lösungen, sondern nur Verbote, dieses pauschale Nein aus
dem Bunker in Frankfurt bringt niemanden weiter", sagt ein Ultra gegenüber
der taz.
Gerald von Gorrissen ist einer von zwei DFB-Vertretern, die sich auf dem
Fankongress im Kino Kosmos an der Berliner Karl-Marx-Allee sehen lassen.
Gorrissen ist Fanbeauftragter des größten deutschen Sportverbandes. Er
kennt die Szene ganz genau, war bei allen Gesprächen zwischen DFB und der
Pyro-Kampagne dabei. Auch er hat keine guten Nachrichten für die etwa 500
Besucher des Kongresses. Er erklärt: "Die Verbandsspitzen sagen derzeit:
Wir wollens nicht. Ich sehe kurzfristig keine Möglichkeiten, um über das
Pyrotechnik-Thema noch mal zu diskutieren."
## Kein Königswegs
Das mag beim DFB so sein, die Ultra-Szene hat nach wie vor ein brennendes
Bedürfnis, über Bengalos und "Pyro-Zonen" zu sprechen. Es ist das hitzigste
Thema derzeit. Sogar das ZDF-"Sportstudio" nahm sich am Samstagabend der
Themen Ultras, Pyrotechnik und Gewalt in den Stadien an. Gorrissen gibt zu,
für die verfahrene Situation keine Lösung parat zu haben. "Den Königsweg
gibt es nicht, ich habe wie Herr Große Lefert ein Fragezeichen auf der
Stirn."
Große Lefert, der auch nach Berlin gereist war, ist der
Sicherheitsbeauftragte des DFB. Er hat im Herbst Helmut Spahn abgelöst.
Spahn galt als moderater Mann. Die Ultra-Szene hatte nach Gesprächen mit
Spahn große Hoffnungen auf eine Legalisierung der Brennstäbe.
Doch mit dem Weggang Spahns nach Katar und Zündeleien vor allem im
DFB-Pokal sucht die DFB-Spitze eher die Nähe zu Sicherheitspolitikern, die
wie der CDU-Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, den
Einsatz von Gesichtsscannern beim Stadioneinlass oder Ähnliches fordern.
Auch der künftige DFB-Chef Wolfgang Niersbach weckt in der Szene wenig
Hoffnung auf eine Besserung. Niersbach, sagt ein Kongressteilnehmer, der
ungenannt bleiben will, gelte als einer, der Thesenpapiere zu den Themen
Antirassismus, Kampf gegen Homophobie oder Pyrotechnik nicht auf seinem
Schreibtisch ablege, sondern lieber im Papierkorb.
Gorrissen stellt sich auf dem Kongress als machtloser Mittler dar, der
keinen Einfluss auf die Entscheidungen des DFB-Präsidiums habe. Große
Lefert fährt eine ähnliche Strategie. Er habe die Gespräche mit den Ultras
zum Thema Pyrotechnik nicht geführt. Für ihn gebe es nun "neue Aufgaben".
## "Kein ehrlicher Dialog"
Noch-DFB-Präsident Theo Zwanziger hat die Einladung nach Berlin gar nicht
erst angenommen, weswegen Jakob Falk von den Hertha-Ultras feststellt: "Das
ist kein ehrlicher Dialog, weil kein Entscheidungsträger des DFB da ist."
Gorrissen findet, die Ultras seien eh viel zu fixiert auf das Thema
Pyrotechnik. "Geht es euch nur darum, ist das die heilige Kuh? Es gibt doch
auch noch anderes." Das mag sein, sagen die Ultras, aber hier könne man
exemplarisch sehen, wie ernst der DFB die Anliegen der Ultras nehme. Sie
finden ohnehin, dass das Maß an Gängelung voll ist, und berichten von
geradezu absurden Beispielen bei Einlasskontrollen vorm Stadion.
Beide Seiten wissen, dass auch in Zukunft Bengalos gezündet werden. "Es
wird weiter brennen, das wissen wir alle." Ein Ultra der Wilden Horde Köln
berichtet von den Folgen des Verbots: "Die gemäßigten Fraktionen finden in
den Ultra-Gruppen kein Gehör mehr, wenn alle mitbekommen, dass man mit
Kommunikation nicht weiterkommt."
Ein Vertreter aus Dresden, dessen Verein kürzlich aus dem DFB-Pokal
ausgeschlossen wurde, sagt: "Wir sind richtig angepisst, einige von uns
sagen jetzt: Nach diesem Urteil haben wir nichts mehr zu verlieren." Ein
anderer bringt es auf den Punkt: "Der Hass wird größer."
Gorrissen warnt daraufhin vor einer "gefährlichen Aufwärtsspirale" und
deutet an, dass uneinsichtige Ultras mit weiteren Repressionen rechnen
müssten. Dann würde bestimmt bald über die Abschaffung von Stehplätzen in
der Fankurve diskutiert oder über eine noch härtere Gangart gegen
Gästefans.
"Wir sind dialogbereit", versichert Gerald von Gorrissen, "aber der Dialog
endet beim Thema Pyrotechnik." Da ist sie wieder, die Mauer des Möglichen,
die der Verband um sich errichtet hat. "Das ist doch kein Dialog", sagt ein
Ultra, "das ist Gesprächsverweigerung."
15 Jan 2012
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Fußball
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