# taz.de -- Hirnstudie der Berliner Charité: "Videospiele haben positive Effek… | |
> Die Neurowissenschaftlerin Simone Kühn hat in einer Studie an der | |
> Berliner Charité die Gehirne von Videopielern untersucht. Ihre Ergebnisse | |
> widerlegen Klischees. | |
Bild: Schlauer durchs Spielen: Gamer bei der Arbeit. | |
Frau Dr. Kühn, es gibt das Klischee, Computerspiele stumpften ab und seien | |
der Intelligenz nicht gerade zuträglich. Sie haben mit einer | |
Hirnstrukturstudie untersucht, dass intensive Spieler eine stärker | |
ausgeprägte Hirnrinde haben - und ein insgesamt größeres lokales | |
Hirnvolumen. Muss das Vorurteil begraben werden? | |
Simone Kühn: Das ist eine nicht so einfach zu beantwortende Frage. Wir | |
haben in der Tat herausgefunden, dass Vielspieler - also Spieler, die | |
angaben, mehr als neun Stunden pro Woche zu spielen - im Vergleich zu | |
Wenigspielern mehr Hirnvolumen im sogenannten ventralen Striatum hatten, | |
dem Belohnungszentrum. Darüber hinaus haben wir in einer bisher | |
unveröffentlichten Studie zeigen können, dass auch Teile der frontalen | |
Hirnrinde bei Vielspielern dicker sind. | |
Allerdings kann man aus diesem Befund nicht direkt schließen, dass | |
Computerspielen zu einem Wachstum in diesen Hirnregionen führt. Es könnte | |
auch umgekehrt sein: Probanden, die mehr spielen, könnten schon vor Beginn | |
dieser Tätigkeit ein größeres Striatum und eine dickere Hirnrinde gehabt | |
haben. Dies könnte dann wiederum das Spielen interessanter gemacht haben. | |
Was also Henne und was Ei ist, ist bislang unklar. | |
In einer weiteren Studie wollen wir diese Frage deshalb nun genauer | |
untersuchen. Hier werden wir Probanden, die nie Videospiele gespielt haben, | |
in einem Videospiel trainieren und ihre Hirnvolumina vor und nach dem | |
Training vergleichen. | |
Welche Untersuchungsmethode haben Sie verwendet und wer waren Ihre | |
Probanden? | |
Zum Einsatz kam die bekannte Magnetresonanztomographie (MRT), mit der man | |
die graue und weiße Substanz des Gehirns gut sichtbar machen kann. Unsere | |
Probanden waren insgesamt 154 Jugendliche im Alter ab 14. Die Daten wurden | |
im Rahmen einer europaweiten multizentrischen Studie namens IMAGEN erhoben. | |
Was bedeutet ein größeres Belohnungszentrum? | |
Das ventrale Striatum wird auch als "hedonischer Hot Spot" im Gehirn | |
bezeichnet. Dieses Areal ist vor allem mit der Verarbeitung von Belohnungen | |
und der Verarbeitung von Reizen mit besonderer Bedeutsamkeit befasst. Es | |
könnte also sein, dass Vielspieler diese Region während des Spiels immer | |
wieder aktivieren und sie daher vergrößert ist. Alternativ könnte es auch | |
sein, dass eine Vergrößerung dieser Region das Spielen an sich schon | |
attraktiver erscheinen lässt. | |
Und welche Auswirkungen hat eine dickere Hirnrinde? | |
Das trat besonders in Hirnarealen auf, die mit Entscheidungsfindung und dem | |
Arbeitsgedächtnis in Verbindung gebracht werden. | |
Wenn man sich moderne Computerspiele ansieht, werden diese immer | |
realistischer. Entsprechend logisch scheint es zu sein, dass das Gehirn in | |
seinen Lernstrukturen ähnlich reagiert, wie es im realen Leben der Fall | |
ist. Oder ist das eine falsche Annahme? | |
Es gibt eine spannende Studie, in der gezeigt wurde, dass angehende | |
Chirurgen, die mit einem Egoshooter trainiert wurden, besser in einer | |
Endoskopiesimulation abgeschnitten haben. Insofern kann es durchaus | |
Transfer aus Videospielen in den Alltag geben. | |
Welche Art von Spielen nutzten Ihre Probanden? Gibt es Unterschiede | |
zwischen Geschicklichkeitsspielen, Strategie oder Action? | |
Wir haben im Rahmen dieser Studie leider noch nicht erfassen können, welche | |
Spiele die Jugendlichen gespielt haben. | |
Besonders häufig wird aus der Politik das Genre der First-Person-Shooter | |
kritisiert. Stumpfen die vielleicht doch ab? | |
Darüber kann man basierend auf unserer Studie keine Aussage treffen. Wir | |
haben allerdings auch keine Volumenreduktionen bei den Vielspielern | |
gefunden. | |
Welche Schlüsse kann man aus Ihrer Studie ziehen? Sollten Eltern ihre | |
Kinder länger spielen lassen? | |
Es gibt eine Vielzahl von Befunden, die positive Effekte von Videospielen | |
auf kognitive Funktionen nachweisen. Man sollte sich allerdings klar | |
machen, dass ein Kind, das viel am Computer spielt, diese Zeit nicht | |
gleichzeitig mit anderen Dingen verbringen kann. Insofern ist sicherlich | |
ein gesundes Mittelmaß anzustreben, so dass genug Zeit für soziale | |
Freizeitaktivitäten mit Freunden und Sport bleibt. | |
Interview: Ben Schwan | |
24 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
## TAGS | |
TV-Serien | |
Ausstellung | |
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