# taz.de -- Krise bei World of Warcraft: Flucht aus Azeroth | |
> "World of Warcraft" hat über eine Million Spieler in nur drei Monaten | |
> verloren. Nach sieben Jahren ist das Spiel einfach langweilig geworden. | |
Bild: Unter Gnomen, Nachtelfen und Worgen: World-of-Warcraft-Spieler. | |
BERLIN taz | In der Welt der Computerspiele ist "World of Warcraft" | |
wahrlich eine Rarität. Die meisten Games fesseln ihre Spieler oft nur ein | |
paar Tage oder Wochen, "WoW" hingegen feiert bald seinen siebten | |
Geburtstag. Noch immer bevölkern Millionen Online-Rollenspieler die | |
Fantasy-Welt Azeroth. | |
Michael Ryder, Vizepräsident der Entwicklerfirma Blizzard Entertainment, | |
verkündete erst im August, dass die Spielerzahlen weiterhin wachsen werden. | |
Doch es scheint, als hätte er sich geirrt. "WoW" befindet sich erstmals in | |
einem deutlichen Abwärtstrend. | |
Von den ehemals zwölf Millionen Abonnementen waren im September 2011 nur | |
noch 10,3 Millionen aktiv. Allein in den letzten drei Monaten verlor das | |
Spiel rund eine Millionen Nutzer, die meisten davon aus Asien. Dabei sind | |
die "WoW"-Abos für Blizzard von großer Bedeutung, sie machen rund 44 | |
Prozent des Umsatzes aus. | |
"World of Warcraft hat seinen Höhepunkt hinter sich", sagt der | |
Spiele-Journalist David Bergmann vom Rollenspiel-Portal buffed.de. Das sei | |
eine ganz normale Entwicklung: "Für viele Menschen ist nach sechs Jahren | |
einfach die Luft raus, die wollen dann auch mal etwas anderes sehen", sagt | |
Bergmann. | |
## Auf Dauer zu eintönig | |
Auch Nadine Faerber machte diese Erfahrung. Die 36-Jährige spielte fünf | |
Jahre lang "WoW" und bloggte nebenbei über die Erlebnisse ihrer Charaktere. | |
Doch im November wollte sie ihr Monatsabonnement für 12,99 Euro nicht mehr | |
verlängern. "Das Spielprinzip ist auf Dauer zu eintönig", sagt Faerber, | |
"aber solange Blizzard damit Geld verdient, gibt es keinen Grund für sie | |
das Spiel attraktiver zu machen." | |
Viele Spieler kritisieren zudem den Umgangston auf den Servern. Philipp | |
Lenk fand "WoW" deswegen irgendwann unerträglich: "Das Spiel hat die | |
asozialste Community, die ich je gesehen habe", sagt der VWL-Student, der | |
seit zehn Jahren Online-Rollenspiele zockt. Das Durchschnittsalter der | |
Spieler sei extrem jung, der soziale Umgang mangelhaft. Zudem würden viele | |
Spieler versuchen, ihre Charaktere mit sogenannten Cheats - nicht erlaubten | |
Tricks und Mogeleien - zu verbessern. | |
Allein in China arbeiten schätzungsweise 100.000 Menschen als sogenannte | |
"Goldfarmer". Diese erspielen virtuelles Gold für kriminelle Banden, | |
welches anschließend für reales Geld verkauft wird. In Deutschland kann man | |
beispielsweise auf Ebay 50.000 Goldstücke für rund 30 Euro kaufen und so | |
die normale Spielbalance aushebeln. | |
## "Den Spielern weiter das Geld aus der Tasche ziehen" | |
"Es gibt so viele Probleme, doch Blizzard tut nichts dagegen", findet Lenk. | |
"Stattdessen bringen sie teure Zusatzfeatures wie Haustiere auf den Markt, | |
um den Spielern weiter das Geld aus der Tasche zu ziehen." | |
Doch auch Blizzard hat die Entwicklungen der letzten Monate nicht | |
verschlafen. Um die Spielerzahlen konstant zu halten, erhält nun jeder | |
Spieler bei Abschluss eines Jahres-Abos kostenlos das langerwartete | |
Rollenspiel "Diablo 3" dazu. Außerdem ist für das kommende Jahr ein viertes | |
Erweiterungspack mit dem Titel "Mists of Pandaria" angekündigt, welches | |
neue Spielanreize bieten soll. | |
Der größte Nutzerzuwachs dürfte jedoch am 6. Dezember zu erwarten sein. | |
Dann ist das Spiel zum ersten Mal auch in Brasilien verfügbar. Michael | |
Morhaime, Mitbegründer von Blizzard, gab sich entsprechend selbstbewusst. | |
Auf der Aktionärsversammlung vergangene Woche wollte er von einer Krise | |
nichts wissen. "Trotz aller Verluste", erklärte Morhaime, "bleibt Word of | |
Warcraft das mit Abstand erfolgreichste Online-Rollenspiel aller Zeiten." | |
15 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Robert Iwanetz | |
## TAGS | |
Rollenspiele | |
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