| # taz.de -- US-Studie zu Silikonimplantaten: Keine Brust fürs Leben | |
| > Ein US-Bericht zur Sicherheit von Brustimplantaten weist auf vielfache | |
| > Gefahrenquellen hin. Doch die Bundesregierung sieht keinen | |
| > Handlungsbedarf. | |
| Bild: Pimp my breast? Ein kurzer Spaß. Auch für die Frauen, denen es gar nich… | |
| BERLIN taz | Das Sicherheitsrisiko von Brustimplantaten ist weitaus höher | |
| als bislang bekannt. Die mit Silikongel gefüllten Kissen, die eingesetzt | |
| werden zur Brustvergrößerung aus ästhetischen Gründen oder zum Brustaufbau | |
| etwa nach einer Krebserkrankung, halten keineswegs "lebenslang", wie manche | |
| Hersteller suggerieren. | |
| Im Gegenteil: Bei einer von fünf Patientinnen – also 20 Prozent – mit | |
| primärer Brustvergrößerung ist innerhalb von 10 Jahren nach Einsetzen eine | |
| Entfernung der Implantate erforderlich – und zwar auch dann, wenn das | |
| Implantat von einem weltweit renommierten, streng kontrollierten Hersteller | |
| stammt. | |
| Bei Frauen, deren Brüste mittels der Implantate rekonstruiert wurden, ist | |
| die Entfernungsrate sogar noch höher: Hier ist bei jeder zweiten Patientin | |
| (50 Prozent) innerhalb von zehn Jahren der Austausch der Implantate | |
| erforderlich. | |
| Das geht aus einem 63-seitigen Bericht zur Sicherheit von Brustimplantaten | |
| der U.S. Food and Drug Administration (FDA) vom Juni 2011 hervor, der der | |
| taz vorliegt. Die FDA ist die amerikanische Zulassungsbehörde für | |
| Arzneimittel und Medizinprodukte. Ihr Bericht fasst die Ergebnisse | |
| klinischer Langzeitstudien der renommierten Brustimplantatehersteller | |
| Allergan und Mentor mit 715 beziehungsweise 1.008 Patientinnen zusammen. | |
| Danach sind Gründe für den Wiederausbau unter anderem Materialrisse, | |
| Verrutschen der Kissen, Kapselkontrakturen, also das Schrumpfen der | |
| bindegewebigen Kapsel, das sich wiederum als Verfestigung der Brust | |
| bemerkbar macht, Schmerzen und Infektionen. Etwa 10 Prozent der getesteten | |
| Implantate wiesen nach 10 Jahren im Körper Risse auf. Einen Nachweis, dass | |
| defekte Brustimplantate zu einem erhöhten Krebsrisiko führen, gibt es nach | |
| Angaben der FDA dagegen nicht. | |
| ## Problem betrifft nicht nur die Firma PIP | |
| In Europa hatten die Behörden die Implantate-Risiken bislang auf ein | |
| Problem der mit Industriesilikon gefüllten Kissen der französischen Firma | |
| PIP zu reduzieren versucht. Diese Definition ist nach den neuesten | |
| US-Ergebnissen nicht länger haltbar. | |
| Dennoch sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf: "Die | |
| Bundesregierung teilt nicht die Auffassung (…), von gravierenden Mängeln in | |
| den Bereichen Patienteninformation, Qualitätskontrolle und | |
| Patientensicherheit bei der Anwendung von Medizinprodukten zu sprechen", | |
| heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der grünen | |
| Bundestagsabgeordneten Maria Klein-Schmeink, die der taz vorliegt. | |
| Die bestehenden Kontrollmechanismen, die sicherstellen sollen, dass ein | |
| Produkt dauerhaft den Zulassungskriterien entspricht, hält die Regierung | |
| trotz der erschütternden Datenlage für probat: "Die gegenwärtigen | |
| europäischen und nationalen Regelungen reichen grundsätzlich aus", teilt | |
| sie lapidar mit. | |
| Zugleich hat die Regierung auch knapp zwei Monate nach Bekanntwerden des | |
| PIP-Skandals keinerlei Kenntnis darüber, wie viele Frauen in Deutschland | |
| Brustimplantateträgerinnen sind und bei wie vielen es Komplikationen | |
| gegeben hat: "Verlässliche Daten zur Häufigkeit und Ursache für Revisionen | |
| können nur in Form eines verbindlichen nationalen Implantatregisters oder | |
| im Rahmen von umfangreichen klinischen Langzeitstudien erhoben werden." | |
| Einer "sorgfältigen Diskussion" hierüber stehe die Bundesregierung | |
| "grundsätzlich offen". | |
| "Ein Skandal", kommentiert die grüne Abgeordnete Maria Klein-Schmeink: | |
| "Solange es keine belastbaren Daten gibt, hängen Ärzte und Patientinnen am | |
| Tropf der Produktinformation der Hersteller." | |
| 8 Feb 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Haarhoff | |
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