| # taz.de -- Nach dem Skandal um Brustimplantate: Die Wirkung der Silikon-Katast… | |
| > Als sie sich ihre Brüste verschönern ließ, wurde sie betrogen. Nun hat | |
| > Alexandra Blachère eine Welle losgetreten – für schärfere Kontrollen von | |
| > Medizinprodukten. | |
| Bild: Alexandra Blachère ist wütend, betrogen worden zu sein. | |
| Nach der Geburt ihres dritten Kindes gefiel der Französin Alexandra | |
| Blachère ihre Brust nicht mehr. Sie kam ihr immer flacher vor, immer | |
| weniger weiblich. Blachère weint heute noch, wenn sie davon erzählt. „Als | |
| eine Freundin mir das Ergebnis ihrer Brustimplantation gezeigt hat, war es | |
| für mich ganz einfach gar keine Frage mehr, sondern sternenklar, ich wollte | |
| auch operiert werden“, berichtet die 33 Jahre alte Frau aus Besançon im | |
| Osten Frankreichs in der sonntaz. | |
| 2008 nahm sie einen Kredit auf, um sich die Brüste machen zu lassen. 3.420 | |
| Euro, das Silikon kam von der Firma PIP. Im Frühling 2010 las sie in einem | |
| Internetforum, dass sich die Probleme und gesundheitlichen Schäden bei | |
| Brustimplantaten häufen. Es ging um Implantate von PIP. Im Juli 2010 ließ | |
| sie sich die Implantate bei einem anderen Chirurgen entfernen und ersetzen | |
| – aus Angst, dass diese auch bei ihr platzen oder auslaufen könnten. Alles | |
| auf eigene Kosten. | |
| Sie ist wütend, betrogen worden zu sein. Sie will Wiedergutmachung, sie ist | |
| heute ehrenamtliche Präsidentin und Sprecherin der Opfer des PIP-Skandals. | |
| Sie möchte auch schärfere Regeln für die Hersteller von Implantaten | |
| durchsetzen. Bisher werden Kontrollen bei den Herstellern sogar | |
| angekündigt. Und es ist nicht mal systematisch verzeichnet, bei wem welche | |
| Prothese oder welches Implantat verwendet wurde - anders als etwa bei | |
| Autos, wo genau verzeichnet ist, welches Teil wo steckt. | |
| ## Anfragen aus ganz Frankreich | |
| ## | |
| Die sozialen Netzwerke haben Alexandra Blachères Organisation namens PPP so | |
| groß gemacht. „Ohne Internet hätten wir gar nichts tun können“, sagt sie. | |
| Sie führt auf ihrem Laptop das Forum vor, über das sie Anfragen aus ganz | |
| Frankreich erhält, aus Lateinamerika, aus Madagaskar, sogar aus Tahiti. | |
| PPP ist zum politischen Player geworden. 1.500 Mitglieder haben den | |
| Mindestbeitrag von 5 Euro bezahlt. Mit einem Anwalt hilft die Vereinigung | |
| den Patientinnen bei Klagen wegen Körperverletzung. Mehr als 2.500 liegen | |
| bereits der zuständigen Justiz in Marseille vor, der Gründer der Firma-PIP, | |
| früher mal Metzger, ist in Marseille angeklagt. Der Druck wächst. | |
| Den größten Erfolg erzielte Alexandra Blachère als ehrenamtliche | |
| Präsidentin und Sprecherin der Opfer des PIP-Skandals bei der Pariser | |
| Regierung. Vier Mal schon wurde sie in Paris im Ministerium empfangen. Sie | |
| habe dort ziemlich deutlich gesagt, was sie für notwendig halte. Noch jetzt | |
| lacht sie über die verdutzten Gesichter der Berater des | |
| Gesundheitsministers. | |
| ## Der Minister will den Systemwechsel | |
| Dass die Qualität von Implantaten ordentlich überprüft werden - davon hat | |
| Blachère den französischen Gesundheitsminister Xavier Bertrand überzeugt. | |
| Er will nach dem PIP-Skandal den Systemwechsel: dass Medizinprodukte das | |
| leisten, was auch Arzneimittel in Europa anhand aufwendiger, teils | |
| jahrelanger klinischer Studien nachweisen müssen, bevor sie verkauft werden | |
| dürfen. Dass sie wirken und unbedenklich sind. Und nicht bloß technisch | |
| funktionieren. Was Bertrand fordert, liefe auf eine staatliche Zulassung | |
| für Medizinprodukte hinaus. | |
| Damit aber die Richtlinie geändert werden kann, die in der ganzen EU | |
| festlegt, unter welchen Bedingungen Implantate und Prothesen auf den Markt | |
| gebracht werden, müssten alle 27 Mitgliedstaaten überzeugt werden. Eine | |
| komplizierte Angelegenheit. | |
| Zuständig ist der EU-Kommissar für Gesundheit, John Dalli. “Wir können die | |
| Mitgliedsstaaten jetzt vielleicht endlich überzeugen, etwas zu ändern“, | |
| sagt John Dalli der sonntaz. Seine Mitarbeiter haben nicht nur mit | |
| Herstellern gesprochen, sondern auch mit den Frauen in Frankreich, die sich | |
| für strengere Regeln einsetzen. Für eine so radikale Reform, wie sie | |
| Blachère und der französische Gesundheitsminister einfordern, ist er aber | |
| bisher nicht. Immerhin treibt die Welle von Aufmerksamkeit, die auch | |
| Blachère ausgelöst hat, den Kommissar an. | |
| Er verlangt unter anderem, dass Patienten in Zukunft genau wissen, welches | |
| Produkt in ihrem Körper steckt, Herstellername, Baujahr, Chargennummer | |
| inklusive - egal, ob es sich um ein Silikonkissen oder eine künstliche | |
| Hüfte handelt. Eben dieses Register gibt es für Autoteile längst. Aber für | |
| Implantate oder Prothesen nicht - obwohl es in der bisherigen | |
| EU-Medizinprodukte-Richtlinie bereits gefordert wird. Vielen | |
| Mitgliedsländern war der bürokra tische Aufwand bislang zu hoch. „Jetzt | |
| sehen wir, was wir davon haben. In Dänemark gab es nur 60 PIP-Implantate, | |
| aber 1.700 Frauen wissen bis heute nicht, ob sie davon betroffen sind, weil | |
| es keine Aufzeichnungen darüber gibt.“ | |
| Ob es aber zu dem Systemwechsel auf dem Markt für Medizinprodukte kommt, | |
| den Blachère will, ist noch offen, denn die Gesundheitswirtschaft macht | |
| Druck. Wie die Lobbyschlacht nach dem Skandal abläuft, lesen Sie in der | |
| Ganzen Geschichte in der aktuellen sonntaz vom [1][3./4. März 2012]. Am | |
| Kiosk, [2][eKiosk] oder gleich im [3][Wochenendabo]. Und für Fans und | |
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| 3 Mar 2012 | |
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