# taz.de -- Skandal um Brustimplantate in Frankreich: PIP-Gründer festgenommen | |
> Gegen den Gründer der französischen Firma PIP wird wegen "fahrlässiger | |
> Tötung und Verletzung" ermittelt. Bei der Staatsanwaltschaft sind 2.500 | |
> Klagen von Frauen eingegangen. | |
Bild: Undatiertes Polizeifoto von Jean-Claude Mas, Gründer von PIP. | |
PARIS afp | Im Skandal um defekte Brustimplantate der französischen Firma | |
PIP ist am Donnerstag Firmengründer Jean-Claude Mas festgenommen worden. | |
Der Zugriff in Südfrankreich sei im Zuge der Ermittlungen wegen | |
"fahrlässiger Tötung und Verletzung" erfolgt, wie Staatsanwalt Jacques | |
Dallest in Marseille mitteilte. Mas wird vorgeworfen, jahrelang | |
Billig-Silikon in seinen Implantaten verwendet und dies bei Kontrollen | |
verschleiert zu haben. | |
Der 72-jährige Mas sei im Haus seiner Ehefrau im südfranzösischen Six-Fours | |
in der Region Var festgenommen worden, sagte der Staatsanwalt. Mas sei | |
vorläufig "in Polizeigewahrsam genommen" worden. Auch der Finanzchef des | |
2010 Pleite gegangenen Unternehmens PIP, Claude Couty, wurde demnach im | |
südfranzösischen La-Seyne-sur-Mer festgenommen, wo früher der Firmensitz | |
war. Beide Anwesen wurden durchsucht. | |
Opferanwalt Philippe Courtois sagte, die Festnahme hätte längst erfolgen | |
können. "Von seiner Aussage erwarten wir uns nicht viel, denn er hat sich | |
schon mit für die Opfer beleidigenden Bemerkungen eingelassen." | |
Mas hatte bereits in einem früheren Polizeiverhör zugegeben, drei Viertel | |
seiner Prothesen mit einem Billig-Gel gefüllt zu haben, das er mit einem | |
eigentlich für Industrieprodukte bestimmten Silikon des deutschen | |
Chemiegroßhändlers Brenntag zusammenmixte. | |
Nur ein Viertel der Kissen habe das siebenmal teurere, medizinische | |
US-Produkt Nusil enthalten, das Mas auch gegenüber den Kontrolleuren vom | |
TÜV Rheinland angab. Der TÜV sei bei seinen angekündigten Kontrollen | |
gezielt getäuscht worden. Unterlagen wurden laut Mas versteckt, die | |
PIP-Angestellten hätten ganze Container verschwinden lassen. | |
## 2.500 Frauen klagen | |
Bei der Staatsanwaltschaft in Marseille sind inzwischen mehr als 2.500 | |
Klagen von betroffenen Frauen eingegangen. Auch in Deutschland wurden erste | |
Klagen eingereicht. Die Billig-Silikonkissen, die auffällig oft rissen, | |
werden für Entzündungen und von den Opfern sogar für Krebsfälle | |
verantwortlich gemacht. | |
Mas verteidigte sich hingegen stets mit dem Hinweis, dass er zwar ein | |
billiges Silikon verwendet habe, die Qualität sei aber sogar besser | |
gewesen. Bisher wurden in Frankreich 20 Krebsfälle bei Frauen mit | |
PIP-Implantaten registriert. Einen Beweis, dass das Billig-Silikon | |
ursächlich ist, gibt es bisher nicht. | |
Weltweit wird geschätzt, dass 400.000 bis 500.000 Frauen die PIP-Implantate | |
eingesetzt bekamen. In Deutschland könnten Experten zufolge bis zu 10.000 | |
Frauen betroffen sein, in Frankreich etwa 30.000. Nach den französischen | |
Behörden hatte deshalb auch das Bundesinstitut Anfang Januar Frauen | |
empfohlen, die Billig-Implantate vorsorglich entfernen zu lassen. | |
Der Skandal hat in Europa auch eine Diskussion um die Sicherheit von | |
Medizinprodukten generell ausgelöst. [1][Die EU prüft], ob die Vorschriften | |
für Kontrollen verschärft werden. | |
Im Zusammenhang mit dem Skandal laufen in Frankreich zwei Verfahren. Neben | |
dem im Dezember in Marseille gegen Mas eingeleiteten Ermittlungsverfahren | |
wegen fahrlässiger Tötung wurden im Oktober 2011 die Ermittlungen wegen | |
schweren Betrugs bereits abgeschlossen. Der Betrugsprozess soll Ende 2012 | |
beginnen. Im Fall der fahrlässigen Tötung erwarten Experten ein jahrelanges | |
Verfahren, bei dem in jedem einzelnen Fall überprüft werden müsste, ob es | |
sich um fahrlässige Tötung oder Verletzung handelt. | |
26 Jan 2012 | |
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