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# taz.de -- Kommentar Medizinpfusch: Schluss mit der Scharlatanerie!
> Die alarmierenden Nachrichten über die mangelhaften Stents und
> Silikonimplantate zeigen: Es braucht demokratische Institutionen, die vor
> Medizinpfusch schützen.
Auf Anhieb passen diese beide tatsächlich alarmierenden Nachrichten der
Woche nicht zusammen: Dass einerseits Patienten, die sich in ihre
Hirngefäße sogenannte Stents haben implantieren lassen, auf dass die Gefahr
eines Schlaganfalls sich verringere, häufiger starben, weil sie diese
Metallröhrchen in sich trugen; dass andererseits Frauen, die sich ein
Silikonpräparat zur sogenannten Brustverschönerung haben einsetzen lassen,
Präparate eines Scharlatans verpasst bekommen haben.
Auf den zweiten Blick haben beide Fälle das wichtigste Problem gemein:
Sowohl die Stents als auch die Implantate zur sogenannten Verschönerung
wurden nicht von unabhängigen, das heißt immer auch staatlichen Instituten
auf Wirksamkeit und Ungefährlichkeit hin untersucht. Im Falle der Stents
fand die Prüfung innerhalb des medizinisch-industriellen Komplexes statt,
für die Ästhetisierungsteile gibt es ebenfalls keine Instanz von
Konsumenten, die die riskanten Silikonkissen hätten unter die Lupe nehmen
können.
Beide Fälle eint, dass auf dem medizinischen Feld fehlt, woran es auch auf
anderen Feldern mangelt: eine taugliche, nicht interessegeleitete
Untersuchung durch ExpertInnen. Der Verbraucher, die Verbraucherin - sie
stehen machtlos vor einem Gutachterwesen, das in einer Hinsicht die Belange
der Medizintechnikfirmen faktisch schützt, in anderer die
selbstverständlichen Wünsche nach einer vorzüglichen Güte der Präparate zur
Voraussetzung einer Genehmigung für den Einsatz in der plastischen
Chirurgie macht.
Die Gründe sind nicht samaritanischer Art: Die Stents für potenzielle
Schlaganfallopfer wurden nicht hinreichend untersucht, weil die Not der
möglichen Patienten zu drängen scheint; die schadhaften Silikonteile
konnten in den Markt lanciert werden, weil bereits das Thema - die
Ästhetisierung dessen, was die Natur nicht hergibt - mit Scham und
Diskretionswünschen behaftet ist.
Die Medizintechnik vermag immer mehr zu heilen und zu lindern, und die
Chirurgie der Verschönerung wird so gewöhnlich werden wie die Verkronung
kariöser Zahnreihen. Deshalb braucht es vor allem verbraucherdemokratische
Institutionen, die vor Pfusch und tödlichen Gefahren schützen. Und zwar
ohne Rücksicht auf die Interessen eines Unternehmens, das seine Erfindung
des Stents offenbar eilig profitabel machen wollte.
12 Jan 2012
## AUTOREN
Jan Feddersen
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