| # taz.de -- Schönheitschirurg über Medizintourismus: „Immer das, was man ni… | |
| > Der Arzt Afschin Fatemi über millionenschweren Medizintourismus nach | |
| > Deutschland, globalisierte Schönheitsideale – sowie Bäuche, Tränensäcke | |
| > und Brüste. | |
| Bild: Mit elektrischen Impulsen gegen Falten. | |
| Dr. med. Afschin Fatemi empfängt in seiner „S-Thetic Clinic“ in einem | |
| repräsentativen Altbau im Düsseldorfer Nobelvorort Kaiserswerth. Direkt am | |
| Rhein und trotzdem in Flughafennähe, werden hier jährlich bis zu 10.000 | |
| Behandlungen durchgeführt, die nur einem dienen: verändertem Aussehen. | |
| taz: Herr Dr. Fatemi, wie laufen die Geschäfte? | |
| Afschin Fatemi: Ich kann mich nicht beschweren. Ich kann meine Familie mit | |
| mehr als Brot und Butter ernähren. Ich kann mir das Benzin noch leisten. | |
| Was wollen Ihre PatientInnen von Ihnen? | |
| Es gibt Patienten, sie sich an ihrem Bauch stören, den Sie trotz Sport | |
| nicht loswerden. Andere haben Tränensäcke und werden deshalb ständig | |
| gefragt, ob sie müde oder abgespannt sind. Die klassische Brust-Operation | |
| ist auch dabei. Es geht immer darum, dass man sich in seinem Körper nicht | |
| wohlfühlt. | |
| Wie viele Männer, wie viele Frauen behandeln Sie? | |
| Auf einen Mann kommen ungefähr fünf Frauen. | |
| Woher kommen Ihre PatientInnen? | |
| Viele kommen aus europäischen Nachbarländern, aber auch aus Russland, dem | |
| Mittleren Osten und den USA. Gerade US-amerikanische Patienten wollen nicht | |
| mehr diesen überoperierten Look haben. Eine gute Schönheitsoperation aber | |
| können Sie als Laie nicht erkennen. | |
| Mit diesem Medizintourismus bedienen Sie einen Markt: PatientInnen aus dem | |
| Ausland zahlen jedes Jahr rund 850 Millionen Euro für Schönheitsoperationen | |
| in Deutschland. Gibt es in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedliche | |
| Vorstellungen von Schönheit? | |
| Es gibt fundamentale Unterschiede. In Korea habe ich gesehen, wie einer | |
| Patientin Haare in den Schambereich transplantiert wurden. Aus der | |
| westlichen Welt werden eher Enthaarungen nachgefragt. Es wird immer das | |
| gewünscht, was man nicht hat. Bei brasilianischen Frauen galten kleine | |
| Brüste lange als Schönheitsideal. Aber das ändert sich gerade durch die | |
| Globalisierung. | |
| Die Globalisierung verändert Schönheitsideale? | |
| Selbstverständlich. Die Leute gucken amerikanische Filme – deshalb sind in | |
| Brasilien wieder größere Brüste in. In Ostasien ist oft ein europäisiertes | |
| Gesicht gefragt. Den Augen soll die asiatische Komponente genommen werden, | |
| die Nase soll spitzer sein. Da müssen wir als Ärzte natürlich nachfragen, | |
| ob diese quasirassischen Veränderungen wirklich gewünscht werden. | |
| Gibt es Operationen, die Sie nicht durchführen? | |
| Westliche Patientinnen bitten etwa um Rippenentfernungen, um eine schärfere | |
| Taille zu bekommen. In China werden oft längere Beine gewünscht. Solche | |
| wahnsinnig invasiven Eingriffe machen wir nicht – da müssen Sie Knochen | |
| brechen, nur um ein paar Zentimeter Länge zu gewinnen. | |
| Ist nicht jede Schönheitsoperationen risikoreich? | |
| Risiken kann man nie ganz ausschließen. Selbst bei einer | |
| Bauchdeckenstraffung kann es zu Infektionen und Wundheilungsstörungen | |
| kommen. Umso wichtiger ist, dass wir die Patienten aufklären, ihre | |
| persönliche Reife erfragen. Eine Operation ist kein Friseurbesuch. | |
| Trotzdem hat Sie die Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie rausgeworfen. | |
| Ihre Kollegen argumentieren, als Hautarzt dürften Sie überhaupt keine | |
| Schönheitsoperationen durchführen. | |
| Dahinter steht eine Lobby plastischer Chirurgen. In Deutschland gibt es | |
| keine Ausbildung für Schönheitschirurgie. Im Ausbildungskatalog für | |
| plastische Chirurgen steht das Facelift nicht drin. Wer sagt denn, dass die | |
| das besser können als ein Mund-Kiefer-Gesichtschirurg, der genauso im | |
| Gesicht operiert? Ich kenne meine Grenzen: Ich habe nie gelernt, Knochen zu | |
| operieren – deshalb würde ich nie Nasen machen. Den Ärzten, die gut im | |
| Geschäft stehen, bin ich egal. | |
| Es geht also um Neid? | |
| Ich muss zugeben, dass ich diese Neiddebatte mit Auftritten im | |
| Privatfernsehen selbst befeuert habe. Da wurde dann gezeigt, wie ich zum | |
| Einkaufen nach Monaco fliege – dabei war ich dort auf einen Kongress | |
| eingeladen. | |
| Was kostet eine Operation bei Ihnen? | |
| Eine Brustvergrößerung kostet zwischen sechs- und siebentausend Euro, ein | |
| Facelift um zehntausend. Bei einer Fettabsaugung sind Sie mit zwei- bis | |
| sechstausend Euro dabei. | |
| 25 Jun 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
| ## TAGS | |
| Schönheitschirurgie | |
| Jugendliche | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Schönheitschirurgen in Brasilien: Der Körper ist das wahre Kapital | |
| Nirgendwo treiben Frauen so viel Kult um den Körper wie in Brasilien. Das | |
| Land ist auch eine Hochburg für Schönheitsoperationen. | |
| Union und SPD wollen Verbot: Keine Schönheits-OPs für Jugendliche | |
| Laut „Frankfurter Rundschau“ will Schwarz-Rot kosmetische Eingriffe bei | |
| Minderjährigen unterbinden. Wenn medizinische Gründe vorliegen, gilt das | |
| nicht. | |
| Ungeprüfte Implantate: Eingebaute Todesgefahr | |
| Studien belegen, dass Implantate wie Stents in Herzkranzgefäßen, | |
| Herzklappen oder vaginale Netze oft ungeprüft eingesetzt werden. In einigen | |
| Fällen steigern sie die Todesrate. | |
| Bessere Prüfung von Implantaten: Die Abreibung in der Hüfte | |
| Ungenügend geprüfte Prothesen schaden häufig mehr als sie nutzen. Experten | |
| fordern nun ähnlich strenge Zulassungsverfahren wie für Arzneimittel. | |
| Gefahren bei Schönheitschirurgie: Unter die Haut | |
| Nur einmal wollte sich Claudia Herder ihre Falten wegspritzen lassen. Sie | |
| bekommt davon Tumoren. Die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen ist | |
| fast unmöglich. | |
| Israel reagiert auf PIP-Brustimplantate: Bloß raus mit den Dingern | |
| Die Entfernung von PIP-Implantaten ist in Israel kostenlos. Glück im | |
| Unglück für Orit, bei der ein Implantat bereits undicht ist. In Deutschland | |
| gibt es erste Klagen. | |
| Kommentar Medizinpfusch: Schluss mit der Scharlatanerie! | |
| Die alarmierenden Nachrichten über die mangelhaften Stents und | |
| Silikonimplantate zeigen: Es braucht demokratische Institutionen, die vor | |
| Medizinpfusch schützen. |