# taz.de -- Studie zur digitalen Gesellschaft: Darum poked die Oma nicht | |
> Hedonisten, Performer, Skeptiker: Das renommierte Sinus-Institut hat die | |
> digitale Gesellschaft erstmals in soziale Milieus eingeteilt. Es geht um | |
> Außenseiter, Immigranten und Eingeborene. | |
Bild: Das Internet: Furcht für die einen, Spaß für die anderen. | |
Wer jemals einen sozialwissenschaftlichen Kurs an der Uni besucht hat, | |
kennt wahrscheinlich das Sinus-Institut aus Heidelberg. Alljährlich teilt | |
es die deutsche Gesellschaft in soziale Milieus ein. So erfährt man, dass | |
die junge Spaßgeneration jung ist und gern Spaß hat oder dass 14 Prozent | |
der Bevölkerung zur bürgerlichen Mitte gehören und kein Problem damit | |
haben, sich anzupassen. | |
Im Auftrag des „Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im | |
Internet“, einer Gründung der Deutschen Post AG, hat das Sinus-Institut | |
jetzt erstmals auch die digitale Gesellschaft in soziale Milieus | |
eingeteilt. Es unterscheidet dabei drei Grundtypen, Außenseiter, | |
Immigranten und Eingeborene, die sich jeweils aus mehreren sozialen Milieus | |
zusammensetzen. | |
Liest man sich die Beschreibung der Milieus durch, entstehen dabei | |
unweigerlich Bilder im Kopf und man denkt: „Klar, solche Typen kenne ich!“ | |
Die Gruppe der digitalen Eingeborenen setzt sich aus drei Milieus zusammen: | |
die digital Souveränen, die effizienzorientierten Performer und die | |
unbekümmerten Hedonisten. Sie sind alle entweder mit dem Internet | |
aufgewachsen oder nutzen es seit langer Zeit. So haben sie sich einen | |
selbstverständlichen Umgang mit dem Medium angewöhnt und blicken recht | |
unbekümmert auf die Gefahren des Netzes. | |
## Anführer einer sozialen Bewegung | |
Rund zehn Millionen Menschen in Deutschland zählt das Sinus-Institut zu den | |
digitalen Souveränen. Sie sind die Avantgarde im Internet und verändern die | |
Netzwelt mit ihrem Handeln. | |
In ihrer Selbsteinschätzung sehen sich die Souveränen auch als Anführer | |
einer sozialen Bewegung, die für mehr Freiheit, Teilhabe und Demokratie | |
einsteht. Einen Blogger, der nicht mehr an die repräsentative Demokratie | |
glaubt, könnte man sich als typischen Vertreter dieses Milieus vorstellen. | |
Das Milieu der effizienzorientierten Performer, dem ebenfalls zehn | |
Millionen Menschen angehören sollen, sieht im Internet in erster Linie eine | |
Möglichkeit, sich die Arbeit zu erleichtern, nutzt es aber auch zur | |
Unterhaltung. | |
## Die digitalen Eingeborenen | |
Bildlich vorgestellt: Eine junge erfolgreiche Dame sitzt im Meeting und | |
genießt es, dass sie – dem Smartphone sei Dank – trotzdem E-Mails an | |
Geschäftskunden und Freunde schreiben kann. | |
Die rund neun Millionen unbekümmerten Hedonisten bilden das dritte Milieu | |
unter den digitalen Eingeborenen. Wie der Name schon sagt, suchen die | |
Hedonisten im Internet vor allem Spaß, den sie bei Facebook, YouTube oder | |
auf Spieleseiten finden. | |
„In diesem Internet-Milieu finden sich vor allem Jüngere aus der modernen | |
Unterschicht, die den bequemen Zugang zu Entertainment und Kommunikation | |
schätzen“, heißt es in der Sinus-Studie. Das Bild eines Teenagers, der den | |
Laptop mit ins Bett nimmt, um mit seinen Freunden emoticonreiche | |
Chatkonversationen zu führen, drängt sich auf. | |
## Immigranten bevorzugen analoges Glück | |
Zwei soziale Milieus bilden die Gruppe der digitalen Immigranten, die zwar | |
regelmäßig im Internet surfen, der Netzwelt aber mit Skepsis | |
gegenüberstehen: die postmateriellen Skeptiker und die | |
verantwortungsbedachten Etablierten, die beide jeweils rund sieben | |
Millionen Menschen umfassen. | |
Dem postmateriellen Skeptiker ist das Internet willkommen, weil er sich | |
gerne über die Welt informiert. Er will aber auf keinen Fall, dass die | |
Qualität seines analogen Daseins darunter leidet. Dem Beschleunigungs- und | |
Konsumwahn der Moderne stehen die Skeptiker ohnehin sehr kritisch | |
gegenüber. Den typischen Milieuvertreter trifft man wohl am ehesten im | |
Bioladen, ab und an aber auch auf taz.de. | |
Die verantwortungsbedachten Etablierten stammen dagegen meist aus der | |
Oberschicht. Sie sind weniger vom Internet fasziniert, als dass sie darin | |
einen Mittel zum Zweck sehen. Wobei der Zweck in der Regel darin besteht, | |
Geld zu verdienen oder andere Menschen zu kontaktieren. | |
Spaß suchen die Vertreter dieses Milieus dann doch eher im analogen Umfeld, | |
nicht im Netz. Das Klischee dieses Internetnutzers sitzt im feinen Zwirn an | |
einem wuchtigen Schreibtisch und checkt kurz online, wie die Aktien stehen. | |
## Außenseiter fürchten das Netz | |
Bleibt noch die Gruppe der digitalen Außenseiter, die sich aus den | |
ordnungsfordernden Internet-Laien und den internetfernen Verunsicherten | |
zusammensetzt. Wenn die Außenseiter überhaupt einen Internetanschluss | |
besitzen, nutzen sie ihn äußerst selten. | |
Sie sind verunsichert, weil in den Medien immer wieder vor den Gefahren der | |
Netzwelt gewarnt wird, oder haben direkt Angst, mit einem falschen | |
Knopfdruck ihr Erspartes an einen Internet-Hai zu überweisen. In der Regel | |
sind die Vertreter dieser Gruppe nicht mehr die Jüngsten. | |
Rund acht Millionen Menschen in Deutschland zählt das Sinus-Institut zu den | |
ordnungsfordernden Internet-Laien. Bei ihnen kann es schon mal vorkommen, | |
dass sie online gehen, aber sie sind dabei äußerst vorsichtig und nehmen | |
gerne Hilfe in Anspruch. | |
## Emails an die Kinder | |
„Forderungen nach strengen, gesetzlichen Reglementierungen des Internets | |
finden hier breite Zustimmung“, beschreibt die Studie den Wunsch der | |
Internet-Laien, der Staat möge das Internet zu einem sicheren Ort machen. | |
Der typische Vertreter dieses Milieus hat irgendwo in der Wohnung einen | |
stationären Computer stehen, der nur deshalb ab und zu eingeschaltet wird, | |
weil die eigenen Kinder inzwischen am Besten per E-Mail erreichbar sind. | |
Die absoluten digitalen Außenseiter bilden schließlich das Milieu der | |
internetfernen Verunsicherten, mit rund 19 Millionen Menschen das größte | |
einzelne Milieu in der digitalen Gesellschaft. Nur wenige von ihnen | |
besitzen überhaupt einen Internetzugang. Die Netzwelt wirkt für sie nicht | |
nur fremd und bedrohlich, sie können sich auch kaum vorstellen, daraus | |
einen Nutzen für das eigene Leben zu ziehen. | |
Der stereotype Vertreter dieses Milieus hat den Krieg überlebt, sich durch | |
die Nachkriegsjahre gekämpft und kann nicht verstehen, dass sich die | |
Enkelkinder auf Gaming-Plattformen gegenseitig erschießen. | |
Die gesamte Studie finden Sie [1][hier.] | |
28 Feb 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.divsi.de/sites/default/files/presse/docs/DIVSI-Milieu-Studie_Ges… | |
## AUTOREN | |
Sebastian Fischer | |
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