# taz.de -- Nach Ölkatastrophe im Golf von Mexiko: BP muss ein bisschen bluten | |
> Der Ölkonzern BP zahlt den Opfern des Deepwater-Horizon-Desasters | |
> Milliarden, um einen Prozess zu vermeiden. Doch die US-Regierung zeigt | |
> sich weiter kampfbereit. | |
Bild: Im April 2010 explodierte die Deepwater Horizon, die Folgen für das Öko… | |
WASHINGTON taz | Die Verantwortung für die größte Umweltkatastrophe der | |
US-Geschichte, bei der rund 780 Millionen Liter Öl in den Golf von Mexiko | |
strömten, wird möglicherweise nie gerichtlich geklärt werden. Knapp zwei | |
Jahre nach der Explosion der „Deepwater Horizon“ hat der Mineralölkonzern | |
BP einen Vergleich angeboten. Er will 7,8 Milliarden US-Dollar (rund 6 | |
Millionen Euro) Schadenersatz an Privat- und Geschäftsleute zahlen. Heute | |
sollte eigentlich der Prozess in New Orleans beginnen, bei dem neben BP | |
auch mehrere andere beteiligte Konzerne auf der Anklagebank sitzen sollten. | |
Er wurde nun erneut verschoben, dieses Mal, ohne einen neuen Termin | |
festzusetzen. Das Gericht muss den Vergleich prüfen, sagte Bundesrichter | |
Carl Barbier am Freitag in New Orleans. | |
Der hinter geschlossenen Türen zwischen BP und AnwältInnen der Opfer | |
ausgehandelte Vergleich soll sowohl finanzielle als auch medizinische | |
Schäden ausgleichen. Unter anderem sollen Fischer, Hausbesitzer und | |
Restaurant- und Hotelbetreiber entschädigt werden. Auch für die | |
gesundheitlichen Folgen der Ölpest für die Reinigungsarbeiter soll es | |
Entschädigung geben. Arbeiter, die seit der Katastrophe vom 20. April 2010 | |
gegen das Schweröl im Golf gekämpft haben, leiden unter anderem unter | |
Atemproblemen, Hautausschlag und Kopfschmerzen. | |
## Vorgeschichte der Fahrlässigkeiten? Vergessen | |
BP will deren medizinische Betreuung für die nächsten 21 Jahre übernehmen. | |
Die Reinigungsarbeiter waren nicht nur dem Öl ausgesetzt, sondern auch dem | |
bislang massivsten Einsatz des Lösungsmittels Corexit. Das Mittel soll Öl | |
binden und absenken; seine Spätfolgen für Mensch und Umwelt sind unbekannt. | |
Schon vor dem Vergleich hatte BP durchsetzen können, dass verschiedene | |
belastende Aspekte aus dem Prozess herausgehalten werden. Unter anderem | |
verzichtete der Richter darauf, BPs Vorgeschichte der Fahrlässigkeiten in | |
den USA zu verhandeln: die Explosion bei BP in Texas City im Jahr 2005, bei | |
der 15 Arbeiter ums Leben kamen, wie auch die Rostprobleme bei Pipelines in | |
Alaska, die zu Ölpestkatastrophen in den Jahren 2006, 2009 und 2011 | |
führten, sollten keine Rolle spielen. Auch die Umweltverbände, die sich | |
beteiligen wollten, blitzten als Kläger ab. | |
## Ausgezeichnete Nachricht für Anleger | |
Kenneth Feinberg leitet die direkt nach der Katastrophe eingerichtete | |
Kommission, die im Auftrag der US-Regierung und mit Geld von BP erste | |
finanzielle Hilfen an Opfer geleistet hat. Er nennt den Vergleich eine | |
„gute Nachricht“, weil damit „lange und komplizierte Prozesse“ vermieden | |
würden. Die Feinberg-Kommission hat eine Million Erstattungsanträge von | |
600.000 Opfern der Ölpest erhalten. 6,1 Milliarden Dollar hat sie bislang | |
ausgezahlt. Mit dem Vergleich würde die Arbeit der Kommission enden. | |
Künftige Anträge gingen an eine neu einzurichtende Kommission. | |
Für den Mineralölkonzern BP und Anleger ist der Vergleich eine | |
ausgezeichnete Nachricht. BP-Chef Robert Dudley, der nach der Katastrophe | |
den in den USA in Ungnade gefallenen Tony Hayward abgelöst hat, kommentiert | |
das Zustandekommen des Vergleichs als „bedeutenden Fortschritt“ und als | |
eine „Lösung“. | |
Im Jahr 2010 sah die Prognose für den Mineralölkonzern düsterer aus. Als | |
das Umweltgift aus der Macondo-Quelle 87 Tage lang unkontrolliert in den | |
Golf von Mexiko strömte und an mehr als 1.000 Küstenkilometer von Texas | |
über Louisiana, Mississippi und Alabama bis hin nach Florida schwappte, | |
schätzten Experten von Goldman Sachs die Kosten für den Konzern auf 200 | |
Milliarden Dollar. BP verkaufte weltweit Ölfelder und Raffinerien im Wert | |
von 21 Milliarden Dollar - in den USA wurde gar diskutiert, ob der Konzern | |
überhaupt noch eine Überlebenschance habe. | |
## Lob von der Börse | |
Der jetzt von BP vorgeschlagene Vergleich, zusammen mit den bislang | |
angefallenen Reinigungskosten von 14 Milliarden Dollar und den bereits | |
gezahlten Entschädigungen würde nicht einmal ein Viertel dieser Summe | |
betragen. Um die eigenen Kosten weiter zu senken, klagt BP zudem gegen | |
seine an der Bohrung beteiligten Partner, darunter den Ölplattformbetreiber | |
Transocean und den Konzern Halliburton, der für die Zementierung des | |
explodierten Ventils zuständig war. Andere damalige Partner - darunter | |
Cameron International und Anadarko Petroleum - haben BP bereits 4,25 | |
Milliarden Dollar gezahlt. | |
Heute sind das für BP alte Geschichten. Zwar liegt der Wert der BP-Aktie | |
immer noch mehr als 20 Prozent unter dem vom Tag vor der Katastrophe | |
(damals 60,48 Dollar); doch der Konzern machte im vergangenen Jahr - nicht | |
zuletzt dank des historischen Höchststands des Ölpreises - wieder mehr als | |
23 Milliarden Dollar Gewinn. Am Freitag kam gleich Lob von der Börse. Der | |
Ölexperte von Oppenheimer Fadel Gheit sagte: „BP beweist, dass es bereit | |
ist, zu zahlen und das Problem zu bewältigen.“ | |
Doch seinen stärksten Widersacher vor Gericht hat BP bislang nicht zu einem | |
Vergleich bewegen können. Die US-Regierung verklagt den Konzern wegen | |
Verletzung zahlreicher Umweltgesetze. Am Freitag erklärte Wyn Hornbuckle, | |
Sprecher des Justizministeriums in Washington, dass die Entschädigungen für | |
Privatleute nicht die Verantwortung für die Schäden kläre, die der Konzern | |
verursacht habe. Doch vorsorglich fügte er hinzu: „Wir bleiben zugänglich | |
für einen fairen und gerechten Vergleich.“ | |
4 Mar 2012 | |
## TAGS | |
BP | |
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