| # taz.de -- Deepwater Horizon: Käptn Scheer gegen den Energieriesen | |
| > Vor zwei Jahren explodierte die "Deepwater Horizon". Am Montag beginnt | |
| > der Prozess gegen BP, der klären soll wer für die Katastrophe | |
| > verantwortlich ist. | |
| Bild: Am Mississippi begutachtet eine Greenpeace-Aktivistin Öl aus der "Deepwa… | |
| Für Käptn Stu Scheer ist die Sache klar: "BP hat von Anfang an gelogen." | |
| Der 66 Jahre alte Mann ist einer von Tausenden, die jetzt gegen den Konzern | |
| klagen. Er erinnert sich noch: "Zuerst war es nur eine kleine Ölpest. Dann | |
| hatten sie alles unter Kontrolle. Und jetzt tun sie in ihrer Werbung so, | |
| als wären die Dinge in bester Ordnung." | |
| Stu Scheer vermietet Fischerboote. Im Jahr 2010, nach der Katastrophe vom | |
| 20. April, konnte er gar nicht arbeiten. Im vergangenen Jahr hatte er | |
| Einbußen von "wahrscheinlich 45 Prozent". Und wenn er jetzt durch das | |
| Mündungsdelta des Mississippis schippert, stellt er fest, wie viel von dem | |
| früheren Leben aus dem Feuchtgebiet verschwunden ist: "Die Krabben, die | |
| Garnelen und die kleinen Fische." | |
| Es war die größte Ölpest der US-Geschichte. Fast zwei Jahre nach der | |
| Explosion der Plattform "Deepwater Horizon" soll an diesem Montag in New | |
| Orleans der Prozess beginnen. Bundesrichter Carl Barbier soll klären, wer | |
| verantwortlich ist. Und wie viel Fahrlässigkeit zu der Katastrophe geführt | |
| hat. | |
| ## Die Verantwortung abschieben | |
| Angeklagt sind neben BP, der die Ölquelle mehrheitlich gehörte, auch | |
| Transocean, die Eigentümerin der explodierten Ölplattform, und Halliburton, | |
| der die Betonwand zur Sicherung der Bohrstelle in der Tiefe anlegen sollte. | |
| Außerdem: Cameron International, die das geplatzte Ventil hergestellt hat. | |
| Die Konzerne schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. | |
| Auf der anderen Seite stehen Menschen, die seit der Katastrophe verletzt | |
| oder krank sind. Geschäftsleute, die ihre Einnahmequelle in der Fischerei, | |
| dem Ölgeschäft und dem Tourismus verloren haben. Gemeinden, die ihre | |
| Strände nicht mehr nutzen können. Fünf Bundesstaaten längs der Golfküste, | |
| die hohe Räumungskosten hatten. Und die US-Bundesregierung, die im Jahr | |
| 2010 die monatelangen Rettungsarbeiten organisiert hat. | |
| Falls die Regierung BP die Verletzung eines Wasserreinhaltungsgesetzes aus | |
| dem Jahr 1972 nachweisen kann, erhöhen sich die Strafen für den Konzern für | |
| jedes ins Meer gelaufene Fass Öl von 1.100 Dollar auf 4.300 Dollar. | |
| ## Vergleiche statt Urteil | |
| Für den Bundesrichter ist das alles eine gigantische Aufgabe: | |
| Unwahrscheinlich, dass er damit vor 2013 fertig wird. Vorerst ist auch | |
| offen, ob der Prozess mit einem Urteil endet, oder ob außergerichtliche | |
| Vergleiche ihn verkürzen. BP-Chef Robert Dudley weiß, dass Vergleiche | |
| billiger für seinen Konzern werden würden. | |
| In den Tagen vor dem Beginn des Prozesses haben BP-Anwälte mehrere | |
| Vergleiche ausgehandelt. Moex, Eigentümer von 10 Prozent der Ölquelle, | |
| zahlt den US-Behörden 90 Millionen Dollar. Eine Frau, die bei der Explosion | |
| schwer verletzt wurde, erzielte ebenfalls einen Vergleich. | |
| Käptn Scheer hätte nichts gegen einen Vergleich einzuwenden. "Ich kann | |
| nicht so lange warten wie die Leute in Alaska", sagt er. Dort brauchte die | |
| Justiz nach der Ölpest 19 Jahre für eine gerichtliche Klärung. Wie | |
| hunderttausende andere Opfer hat auch Scheer in den ersten Monaten nach der | |
| Katastrophe eine Abschlagszahlung bekommen. | |
| In jenem Sommer richtete BP in den Bundesstaaten am Golf provisorische | |
| Anlaufstellen ein. Wer entsprechende Verluste nachweisen konnte, bekam dort | |
| einen "Quick Fix". Privatleute erhielten 5.000 Dollar, Geschäftsleute | |
| 25.000. Im Gegenzug mussten sie schriftlich auf weitere Ansprüche | |
| verzichteten. Zigtausende unterzeichneten. | |
| ## Vom Konzern vertröstet | |
| Gerade die Niedriglohnempfänger standen wegen des abrupten Zusammenbruchs | |
| der Austern- und Krabbenfischerei und dem vorübergehenden Moratorium bei | |
| Offshore-Bohrungen vor dem Ruin. Heute bereuen viele ihre Unterschrift. Stu | |
| Scheer unterzeichnete 2010 keine Verzichtserklärung. Und verlangte mehr, | |
| als BP geben wollte. Der Konzern vertröstete ihn monatelang. Im vergangenen | |
| Sommer nahm der Käptn schließlich einen Anwalt. | |
| Längst nicht alle am Golf halten Vergleiche für eine gute Lösung. "Wenn wir | |
| kein Urteil haben", fragt Wilma Suma, "wer finanziert dann die | |
| Restaurierung der Feuchtgebiete?" Die Chemikerin beobachtet die Folgen der | |
| Katastrophe. Sie analysiert nicht nur die Auswirkungen des ausgeströmten | |
| Rohöls, sondern auch des Lösemittels Corexit, das noch nie so intensiv | |
| eingesetzt worden ist wie in den Monaten nach der Explosion. | |
| Auf drei DIN-A4-Seiten listet die Chemikerin Symptome auf, die sie als | |
| direkte Konsequenz betrachtet: Hautausschlag, Atemprobleme, Fehlgeburten. | |
| Suma verlangt, dass Experten an die Küste geschickt werden, um die Ärzte | |
| vor Ort für die Behandlung dieser Symptome auszubilden. Die Erholung des | |
| Ökosystems werde "sehr lange dauern, vielleicht Generationen". | |
| ## Strahlende Hoteliers und kopflose Shrimps | |
| BP hat sich ökonomisch erholt und präsentiert einen neuen Werbespot mit | |
| strahlenden Hoteliers und vollen Stränden. Nach Verlusten 2010 machte der | |
| Konzern im vergangenen Jahr wieder ordentliche Gewinne von gut 23 | |
| Milliarden Dollar. Und konzentriert sich jetzt auf seine Rolle als Sponsor | |
| für die Olympischen Spiele in London. | |
| In Louisiana sind bei der Shrimps-Ernte in diesem Winter 35 Prozent der | |
| Tiere ohne Kopf aus dem Wasser gekommen. Käptn Scheer isst weiterhin | |
| Meeresfrüchte aus Louisiana. Aber er sorgt sich um die Zukunft. In 40 | |
| Berufsjahren hat er viele Hurrikane erlebt. Nie allerdings, dass in den | |
| Wetlands an der Küste kein neues Leben mehr entsteht. Wenn er darüber | |
| nachdenkt, kommt ihm das vor wie eine Krebskrankheit, die schon wächst, | |
| aber noch nicht sichtbar ist. "Was hier in den nächsten Jahren passiert | |
| wird, weiß niemand", sagt Käptn Scheer. | |
| 24 Feb 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
| ## TAGS | |
| Deepwater Horizon | |
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