# taz.de -- Bundesversammlung hat gewählt: Gauck ist Bundespräsident | |
> Überraschung: Joachim Gauck ist zum 11. Bundespräsidenten des Landes | |
> gewählt worden. Der Theologe erhielt 991 Stimmen. „Was für ein schöner | |
> Sonntag“, sagte das neue Staatsoberhaupt. | |
Bild: Im Amt, umringt, mit Blumen: Bundespräsident Joachim Gauck. | |
BERLIN dpa | Zum dritten Mal innerhalb von nur drei Jahren hat die | |
Bundesversammlung ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Mit 991 Stimmen ist | |
Joachim Gauck zum 11. Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland | |
gewählt worden. Insgesamt hatten 1.232 Delegierte ihre Stimme abgegeben, | |
wie Bundestagspräsident Norbert Lammert bekannt gab. Beate Klarsfeld | |
erhielt 126 Stimmen, der Kandidat der NPD, Olaf Rose, 3 Stimmen. 108 | |
Mitglieder der Bundesversammlung hatten sich enthalten. | |
Nach der Wahl applaudierten die Delegierten minutenlang dem neuen | |
Bundespräsidenten Gauck und ehrten ihn mit Standing Ovations. Die | |
Linkspartei stand auch auf, applaudierte aber nicht. „Herr Präsident, ich | |
nehme die Wahl an“, sagte Gauck nach der Wahl auf die Frage von Lammert, ob | |
er die Wahl annehme. „Was für ein schöner Sonntag“, waren Gaucks erste | |
Worte, nachdem er die Wahl angenommen hatte. | |
Gauck hat versichert, sein neues Amt mit allen Kräften und mit ganzem | |
Herzen ausfüllen zu wollen. „Ich werde mit all meinen Kräften und meinem | |
Herzen ‘Ja‘ sagen zu der Verantwortung, die Sie mir heute gegeben haben.“ | |
Zugleich räumte Gauck nach seiner Wahl durch die Bundesversammlung ein, | |
„ganz sicher nicht alle Erwartungen erfüllen zu können“, die in den | |
kommenden fünf Jahren an ihn gerichtet würden. Er wolle sich jedoch nun auf | |
neue Themen, Probleme und Personen einstellen. | |
## „Ich werde niemals eine Wahl versäumen“ | |
Gauck erinnerte an seine erste freie Wahl zur DDR-Volkskammer am 18. März | |
vor 22 Jahren. „Was für ein schöner Sonntag“, sagte er auch im Rückblick | |
auf dieses Datum. „In jenem Moment war da in mir neben der Freude ein | |
sicheres Wissen: Ich werde niemals eine Wahl versäumen.“ | |
Auch als Präsident könne er sich die Welt und das Land nicht denken ohne | |
Freiheit und Verantwortung. Er nehme diesen Auftrag mit Dankbarkeit an. | |
Zum Auftakt der Bundesversammlung hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert | |
vorgeschlagen, den Präsidenten künftig am 18. März zu wählen oder zu | |
vereidigen – dem Datum der Bürgerrevolution 1848 und der ersten freien | |
DDR-Volkskammerwahl 1990. Bisher wird üblicherweise am 23. Mai gewählt, dem | |
Verfassungstag. Lammert verband diesen Vorschlag mit Kritik an den | |
vorzeitigen Rücktritten zweier Bundespräsidenten. | |
## „Demokratie braucht Vertrauen“ | |
Nach dem Grundgesetz werde der Bundespräsident für fünf Jahre gewählt - | |
dies solle auch so bleiben, mahnte er. Es gelte, „die politische Realität | |
wieder näher an die Verfassungsnorm zu bringen“. Zugleich rief Lammert dazu | |
auf, das Vertrauen in die höchsten Staatsämter wieder zu stärken. | |
„Demokratie braucht Vertrauen. Sie basiert vor allem auch auf dem Vertrauen | |
in ihre Repräsentanten“, sagte Lammert. Dies gelte besonders auch für den | |
Bundespräsidenten, „mit keinem Amt verbinden sich mehr Erwartungen auf | |
Vertrauen und Autorität“. Ständiges Misstrauen mache „die Wahrnehmung | |
öffentlicher Ämter unmöglich“. | |
Zum Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff nach nur 20 Monaten im | |
Amt sagte Lammert, die Geschichte dieser kurzen Präsidentschaft werde zu | |
einem späteren Zeitpunkt geschrieben werden. Bei der Bewertung dieses | |
Schrittes gehe es auch um das Verhältnis von Amt und Person, die | |
Erwartungen an Amtsträger, aber auch die Rolle der öffentlichen und | |
veröffentlichten Meinung. | |
„Es gibt durchaus Anlass für selbstkritische Betrachtungen, nicht nur an | |
eine Adresse“, sagte Lammert. Er fügte hinzu: „Manches war weder notwendig | |
noch angemessen, sondern würdelos. Von der zunehmenden Enthemmung im | |
Internet im Schutze einer tapfer verteidigten Anonymität gar nicht zu | |
reden.“ Mit dieser Äußerung löste Lammert im Internet einen Sturm der | |
Empörung aus. Martin Delius, der als Wahlmann für die Piraten an der | |
Bundesversammlung teilnimmt, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: „Das | |
ist schon lustiger als gedacht.“ | |
18 Mar 2012 | |
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Beate Klarsfeld | |
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