# taz.de -- Debatte um ein NPD-Verbot: Eine Partei voller Verbrecher | |
> Körperverletzung, Volksverhetzung, illegaler Waffenbesitz: Viele | |
> Funktionäre der rechtsextremen NPD sind vorbestraft. | |
Bild: Bei der NPD sind nicht nur Esel zu finden, sondern auch jede Menge Straft… | |
BERLIN taz | Soll man die NPD verbieten oder ist das Risiko des erneuten | |
Scheiterns zu groß? Darüber diskutieren die Innenminister von Bund und | |
Ländern an diesem Donnerstag in Berlin. Wieder einmal. Eine endgültige | |
Entscheidung über einen zweiten Anlauf für ein Verbot wird nicht erwartet, | |
allerdings werden sich die Innenminister darauf einigen, auf vom | |
Verfassungsschutz bezahlte Informanten in der Führungsebene der | |
rechtsextremen Partei („V-Leute“) zu verzichten. | |
Das ist eine Vorbedingung für einen möglichen Verbotsantrag, wenn dieser | |
anders als 2003 Aussicht auf Erfolg haben soll. Laut Bundesinnenminister | |
Hans-Peter Friedrich (CSU) werden dann bis zum Ende dieses Jahres weitere | |
Beweise für ein Verbot gesammelt. Anschließend soll eine endgültige | |
Entscheidung fallen. | |
Angestoßen wurde die Debatte zu einem neuen Anlauf für ein Verbot, nachdem | |
im November die beispiellose Mordserie des Nationalsozialistischen | |
Untergrunds (NSU) bekannt wurde. Zwei der mutmaßlichen Unterstützer des | |
Neonazitrios, die zurzeit in Untersuchungshaft sitzen, waren einst Kader | |
der rechtsextremen NPD. Einer von ihnen, der ehemalige Chef des | |
NPD-Kreisverbands Jena, Carsten S., soll den Rechtsterroristen im | |
Untergrund vor rund zwölf Jahren die Mordwaffe geliefert haben. | |
Den Auftrag und das Geld soll S. von Ralf Wohlleben bekommen haben, der | |
später sogar zum stellvertretenden Landeschef der NPD in Thüringen | |
aufstieg. 2010 verließ er zwar die Partei, blieb ihr aber weiter eng | |
verbunden, wie interne E-Mails zeigen. Wie viel Bedeutung diese | |
Verbindungen für ein Verbot haben werden, muss sich noch zeigen. | |
Generalbundesanwalt Harald Range dämpfte die hohen Erwartungen zuletzt aber | |
schon. Der NSU sei „kein militärischer Arm der NPD“, sagte Range. | |
Doch unabhängig von den mutmaßlichen NSU-Helfern mit NPD-Vergangenheit ist | |
die NPD alles andere als eine friedfertige Partei. Auch wenn NPD-Chef | |
Holger Apfel betont, er wolle eine „seriöse Radikalität“ vertreten - in | |
seiner Partei wimmelt es von verurteilten Straftätern. Körperverletzung, | |
Landfriedensbruch, Volksverhetzung: So sehen die Register bei vielen Kadern | |
aus. Mit gutem Gewissen kann man die NPD deshalb als Verbrecherpartei | |
bezeichnen. | |
Nur aus zwei Bundesländern gibt es konkrete Zahlen, die die | |
Landesregierungen auf Kleine Anfragen hin mitteilten: In Thüringen wurden | |
10 der 25 rechtsextremen kommunalen Mandatsträger verurteilt, in 29 Fällen. | |
In Sachsen-Anhalt gibt es 32 rechtskräftige Urteile gegen 7 Mandatsträger. | |
Die taz schildert exemplarisch die Fälle von 15 NPD-Politikern aus ganz | |
Deutschland: | |
Safet Babic, Jg. 1981: Mitglied des NPD-Landesvorstandes Rheinland-Pfalz, | |
von 2009 bis 2011 Mitglied des Trierer Stadtrats | |
2009 prügelte er zusammen mit anderen einen Studenten krankenhausreif, der | |
NPD-Plakate abgerissen hatte. Das Landgericht Trier verurteilte ihn im | |
Dezember 2010 wegen gefährlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Haft | |
auf Bewährung. | |
Alexander Bode, Jg. 1979: Vizevorsitzender des NPD-Kreisverbands Lausitz | |
Zusammen mit Gesinnungsgenossen hetzte er 1999 den Flüchtling Farid | |
Guendoul durch Guben. Guendoul schnitt sich an einer Glastür die | |
Beinarterie auf und verblutete. Bode wurde als einer der Haupttäter wegen | |
versuchter Körperverletzung mit Todesfolge zu zwei Jahren Jugendstrafe | |
verurteilt. Es sei nie gut, wenn ein Mensch sterbe, sagt Bode heute dazu. | |
„Aber ich persönlich habe nichts zu bereuen.“ | |
Manfred Börm, Jg. 1950: Kommissarischer NPD-Landesvorsitzender in | |
Niedersachen | |
1979 wurde Börm, langjähriger NPD-Bundesordnerchef, vom Oberlandesgericht | |
Celle wegen Beteiligung an einem Überfall auf ein Biwak-Lager | |
niederländischer Nato-Truppen zu sieben Jahren Haft verurteilt. | |
Heinrich Förster, Jg. 1927: NPD-Kandidat in Schleswig-Holstein | |
1995 verurteilte das Landgericht Schwerin ihn wegen versuchten Mordes und | |
versuchter Brandstiftung zu vier Jahren Haft. Er hatte laut Gericht 1992 | |
etwa 30 Jugendliche angestiftet, ein Asylbewerberheim anzugreifen. | |
Jörg Hähnel, Jg. 1975: Mitglied des NPD-Bundesvorstands, bis 2010 Berliner | |
NPD-Landeschef | |
Hähnel verschickte 2009 Briefe an Berliner Politiker mit | |
Migrationshintergrund, in denen ein „Ausländerrückführungsbeauftragter“ … | |
über die Rückreise in ihre „Heimatländer“ „informierte“. Das Berliner | |
Landgericht verurteilte ihn deswegen 2011 wegen Volksverhetzung zu zehn | |
Monate Haft auf Bewährung und 2.000 Euro Geldstrafe. | |
Thorsten Heise, Jg. 1969: bis 2011 im NPD-Bundesvorstand. | |
Heise ist einer der bekanntesten Figuren der Neonazi-Szene. Mehrfach | |
vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung, Landfriedensbruch und | |
Vertriebs volksverhetzender CDs. | |
Torben Klebe, Jg. 1976: NPD-Landeschef in Hamburg und | |
Bundesvorstandsmitglied | |
Vor seiner Parteikarriere wirkte er bei der Kameradschaft Hamburger Sturm | |
und dem Netzwerk Blood & Honour mit, beide mittlerweile verboten. 1998 war | |
er an der illegalen Verteilung der CD „Deutsche Wut – Rock gegen oben“ der | |
später als kriminelle Vereinigung verbotenen Band „Landser“ beteiligt. Eine | |
Bewährungs- und Geldstrafe folgte. | |
Stefan Köster, Jg. 1973: NPD-Fraktionsvorsitzender in | |
Mecklenburg-Vorpommern | |
Bei einer NPD-Wahlveranstaltung in Schleswig-Holstein trat Köster 2004 auf | |
eine Gegendemonstrantin ein. 2007 verurteilte ihn das Landgericht Itzehoe | |
im Revisionsverfahren zu einer Geldstrafe von 5.400 Euro. Zuvor hatte er | |
die Tat eingeräumt. | |
Sven Krüger, Jg. 1974: bis 2011 im NPD-Landesvorstand und | |
Kreistagsabgeordneter | |
Von 1992 bis 1999 saß er mehrfach in Haft – auch weil er Jugendliche und | |
Ausländer angegriffen hatte. 2011 verurteilte das Landgericht Schwerin ihn | |
zu vier Jahren und drei Monaten Haft, weil er gestohlene Baumaschinen | |
benutzt oder weiterverkauft habe. Außerdem habe er illegal Waffen besessen. | |
Nach seiner Inhaftierung legte er seine Parteiämter und sein | |
Kreistagsmandat nieder. | |
Thomas Sattelberg, Jg. 1974: Beisitzer im sächsischen NPD-Landesvorstand, | |
Mitgründer der Neonazi-Truppe Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). | |
Wegen der Gründung der kriminellen Vereinigung SSS zu einer | |
Bewährungsstrafe verurteilt. Weil er trotzdem weiter in der SSS aktiv war, | |
die sich der Hatz auf Ausländer verschrieben hatte, wurde er 2006 zu acht | |
Monaten ohne Bewährung verurteilt. Heute arbeitet er als Sachbearbeiter der | |
NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. | |
Udo Pastörs, Jg. 1952: NPD-Bundesvize, Fraktionschef in | |
Mecklenburg-Vorpommern | |
2009 wetterte er bei einer NPD-Veranstaltung im Saarland gegen die | |
„Judenrepublik“ und türkische Männer mit ihren „Samenkanonen“ und mei… | |
dass gegen Ausländer „mit Wort und wenn nötig auch mit der Hand“ | |
vorgegangen werden müsse. Das Landgericht Saarbrücken bestätigte 2010 eine | |
Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung und eine Geldstrafe von | |
6.000 Euro. Das Saarländische Oberlandesgericht bestätigte 2011 erneut den | |
Schuldspruch wegen Volksverhetzung, wies aber die Entscheidung an das | |
Landgericht zurück, weshalb der Strafausspruch noch keinen Bestand hat. | |
Eine endgültige Entscheidung steht aus. | |
Maik Scheffler, Jg. 1974: NPD-Landesvize in Sachsen, wichtiger | |
Kameradschaftskader | |
Vorbestraft wegen gefährlicher Körperverletzung und unerlaubten | |
Waffenbesitzes. Vor Kurzem wurden Einträge aus einem internen Neonaziforum | |
bekannt, in dem von einem Angriff auf eine Polizeiwache geträumt wurde. | |
„Ohne einen abzustechen? Ist ja langweilig“, schrieb er dort. NPD-Chef | |
Holger Apfel lobt die „konstruktive Basis der Zusammenarbeit“ mit ihm. | |
Frank Schwerdt, Jg. 1944: Stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender, | |
Landeschef in Thüringen | |
In der NPD steht er für die Zusammenarbeit mit den „freien Kräften“. | |
Veröffentlichte gewaltverherrlichende Musik – und wurde deswegen | |
verurteilt. Zudem mehrfach verurteilt wegen Volksverhetzung, zuletzt zu | |
einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe. Grund: Ein rassistischer | |
NPD-WM-Kalender mit der Überschrift: „Weiß! Nicht nur eine Trikotfarbe!“. | |
Schwerdt hatte Kontakt zu den späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos und | |
Beate Zschäpe. | |
Ingo Stawitz, Jg. 1950: NPD-Landesvize und Landtagskandidat in | |
Schleswig-Holstein. | |
Ende 2004 trat er bei einer NPD-Wahlveranstaltung auf eine am Boden | |
liegende Gegendemonstrantin ein. Im Revisionsverfahren verhängte das | |
Landgericht Itzehoe im März 2007 gegen ihn einen Geldstrafe, nachdem er die | |
Tat zugegeben hatte. | |
Patrick Wieschke, Jg. 1981: NPD-Landesvize in Thüringen, seit November 2011 | |
zudem als „Bundesorganisationsleiter“ im NPD-Bundesvorstand | |
In den 1990er Jahren Mitglied des Thüringer Heimatschutzes. Im Jahr 2000 | |
stiftete Wieschke Kameraden an, einen türkischen Imbiss in Eisenach in die | |
Luft zu jagen. Zwei Jahre später wurde er unter anderem deswegen zu 33 | |
Monaten Haft verurteilt. Auch wegen Körperverletzung ist er schon | |
vorbestraft. | |
22 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
S. Erb | |
K. Litschko | |
W. Schmidt | |
A. Speit | |
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