# taz.de -- Organspende-Stiftungsvorstand tritt zurück: Vier Dienstwagen in se… | |
> Thomas Beck, Vorstand der Stiftung Organtransplantation, legt nach Kritik | |
> an Vetternwirtschaft sein Amt nieder. Ein weiterer Mitarbeiter duldete | |
> illegale Praktiken. | |
Bild: Die DSO koordiniert alle Transplantationen in Deutschland. | |
BERLIN taz | Vier Dienstwagen in sechs Jahren. Ein Mont-Blanc-Füller für | |
323,14 Euro. Vetternwirtschaft. Nicht genehmigte Möbelkäufe im Wert von | |
einer halben Million Euro. Ein Flug zum Fotoshooting in die USA. | |
Die Vorwürfe gegen die Vorstände der Deutschen Stiftung | |
Organtransplantation (DSO), Krankenkassengeld verschwendet zu haben, haben | |
Konsequenzen: Am Freitagabend trat der Kaufmännische Vorstand Thomas Beck | |
zurück. „Der Stiftungsrat der DSO hat der Bitte von Dr. Thomas Beck | |
entsprochen, seinen Vertrag vorzeitig aufzulösen“, teilte die DSO mit. Beck | |
habe seine Entscheidung „mit anhaltenden Attacken auf seine Person“ | |
begründet. Auch wolle er vermeiden, dass das Ansehen der Organspende „durch | |
die anhaltende Diskussion“ Schaden nehme. Ein Wirtschaftsprüfungsgutachten | |
im Auftrag des Stiftungsrats – er ist das DSO-Aufsichtsgremium – hatte | |
unlängst die meisten der zuvor in anonymen E-Mails erhobenen Vorwürfe in | |
der Sache bestätigt. | |
Der Vorsitzende des DSO-Stiftungsrats, Wolf Otto Bechstein, sagte am | |
Wochenende der taz: „Die Suche nach einer für die Nachfolge geeigneten | |
Persönlichkeit braucht Zeit.“ Er halte es trotz der Debatte über mangelnde | |
Transparenz und Führungsqualitäten in der DSO für „angemessen“, dass die | |
privatrechtliche Stiftung mit Sitz in Frankfurt weiterhin eine der | |
sensibelsten bioethischen Aufgaben verantwortet: Der DSO obliegt die | |
Koordinierung und Durchführung sämtlicher Organspenden bundesweit. | |
Finanziert wird sie von den gesetzlichen Krankenkassen mit jährlich 44 | |
Millionen Euro. | |
Den Rücktritt des ebenfalls umstrittenen Medizinischen Vorstands der DSO, | |
Günter Kirste, schloss Bechstein aus. Dafür sehe er „keinen Anlass“. | |
Innerhalb der DSO steigt unterdessen der Druck auf Kirste, seinen Posten | |
ebenfalls zu räumen. | |
## Illegale „Crossover-Lebendspende“ | |
Die Kritik richtet sich vor allem gegen Kirstes mangelndes | |
Unrechtsbewusstsein und Verstöße gegen Grundsätze der Medizinethik. So | |
brüstet sich Kirste gern damit, in der Schweiz eine | |
„Crossover-Lebendspende“ zwischen nicht miteinander Verwandten durchgeführt | |
zu haben, für die er sich in Deutschland strafbar gemacht hätte. | |
Der taz liegen überdies Dokumente vor, die belegen, dass Kirste bis März | |
2012 illegale Organentnahme-Praktiken der Medizinischen Hochschule Hannover | |
(MHH) wissentlich duldete. Die MHH hatte über Jahre mehrere Chirurgen aus | |
Osteuropa beschäftigt, denen die Approbation in Deutschland bislang fehlte | |
und deren Arbeitserlaubnis sich auf die MHH beschränkte. | |
Tatsächlich aber sendete die MHH, deren Ärztlicher Direktor Kirstes Mentor | |
Axel Haverich ist, diese Chirurgen zu Organentnahmen in | |
Transplantationszentren in ganz Deutschland aus. Als Medizinischer Vorstand | |
der DSO wäre es Kirstes Aufgabe gewesen, gegen die gesetzeswidrigen | |
Handlungen einzuschreiten, zumal ihn Kollegen darauf hingewiesen hatten. | |
Stattdessen gestand er der MHH eine mehrmonatige „Übergangszeit“ zu und | |
sorgte dafür, dass die Chirurgen von der DSO bezahlt wurden. | |
## Akteneinsicht oder dem Hirntod? | |
In der Debatte über die Neuregelung des Transplantationsgesetzes forderte | |
Kirste im März in einem Schreiben an die gesundheitspolitischen Sprecher | |
der fünf Bundestagsfraktionen, das der taz vorliegt, ein medizinethisches | |
Kernstück der Reform über Bord zu werfen. Dabei geht es um die heikle | |
Frage, zu welchem Zeitpunkt die Ärzte Einsicht nehmen dürfen in die | |
Erklärung ihres Patienten zur Organspende: Erst nachdem der Hirntod | |
abschließend festgestellt wurde? So will es der Gesetzentwurf. Jeder | |
Eindruck einer interessengeleiteten Therapie soll so vermieden werden. Oder | |
bereits sehr viel früher, dann nämlich, wenn sich der drohende Hirnausfall | |
bloß abzeichnet? Das will Kirste. | |
Dann nämlich, schrieb er an die Abgeordneten, sei es in bestimmten Fällen | |
möglich, Patienten auch dann künstlich zu beatmen und sie so zu | |
potenziellen Organspendern zu machen, wenn sie eine künstliche Beatmung in | |
ihrer Patientenverfügung ausgeschlossen hätten. Kirste wörtlich: „Der | |
Patientenwille kann nicht abschließend und rechtzeitig ermittelt werden, | |
wenn auf bestimmte Informationen erst nach Feststellung des Hirntodes | |
zugegriffen werden kann.“ Im Klartext: Kirste findet offenbar, dass ein | |
Organspendeausweis im Zweifel die Patientenverfügung schlägt. Bislang galt | |
diese Frage als nicht verhandelbar. | |
22 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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