| # taz.de -- Neuer Chef für Transplantationsstiftung: Ohne Expertise an die Spi… | |
| > Für den umstrittenen Chef der Stiftung Organspende, Günter Kirste, ist | |
| > ein Nachfolger gefunden: der Arzt Helmut Arbogast. Er gilt als leicht | |
| > steuerbar. | |
| Bild: Der neue Chef wird vermutlich die bisherige Politik fortführen. | |
| BERLIN taz | Für den umstrittenen Vorstand der Deutschen Stiftung | |
| Organtransplantation (DSO), Günter Kirste, ist offenbar ein Nachfolger | |
| gefunden worden: Helmut Arbogast, bislang Oberarzt an der Chirurgischen | |
| Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, soll Anfang 2013 an die | |
| Spitze der DSO wechseln. Der Stiftungsrat als Aufsichtsgremium habe sich | |
| vor wenigen Tagen für Arbogast ausgesprochen. Das erfuhr die taz am Freitag | |
| aus DSO-nahen Kreisen. | |
| Zugleich beschloss der Stiftungsrat, Kirste dürfe seine reguläre Amtszeit | |
| zu Ende bringen und dann altersbedingt 2013 ausscheiden – trotz der | |
| massiven Mobbing-Vorwürfe gegen ihn und trotz seiner wiederholten | |
| medizinethischen Grenzverstöße. Eine offizielle Bestätigung durch den | |
| Stiftungsrat hierfür gibt es bislang nicht. Dafür Kritik von | |
| Patientenorganisationen und der Opposition im Bundestag. | |
| Arbogast stehe nicht für den Neuanfang, der dringend nötig sei, um das | |
| Vertrauen der Bevölkerung in die DSO zurück zu gewinnen und so die | |
| Spendebereitschaft wieder zu steigern, sagte eine Sprecherin der | |
| Arbeitsgruppe Organspende. Zudem sei angesichts der Vorwürfe schwer | |
| vermittelbar, weshalb Kirste ein weiteres halbes Jahr durchgezogen werden | |
| solle, erklärte ein Sprecher vom Bundesverband Niere. | |
| Die Deutsche Hospiz Stiftung wiederum forderte statt „Schnellschüssen" eine | |
| grundlegende Reform der DSO. Die Stiftung ist ein Eckpfeiler der | |
| Transplantationsmedizin; sie koordiniert sämtliche postmortalen | |
| Organspenden bundesweit und verantwortet damit einen der sensibelsten | |
| bioethischen Bereiche. | |
| ## In der eigenen Klinik kaltgestellt | |
| Tatsächlich steht die Personalie Arbogast für ein sich selbst | |
| reproduzierendes System außerhalb jeder parlamentarischen Kontrolle. | |
| Arbogast, der in seiner eigenen Klinik seit Jahren kaltgestellt wurde und | |
| im Bereich der Organspende keine Expertise aufweisen kann, gilt als | |
| führungsschwach, durchsetzungsarm und daher leicht steuerbar. Arbogast | |
| sitzt gemeinsam mit seinen Duzfreunden, den Chirurgieprofessoren Wolf Otto | |
| Bechstein und Björn Nashan, im Vorstand der Deutschen | |
| Transplantationsgesellschaft (DTG), und zwar als Schatzmeister. | |
| Bechstein und Nashan wiederum sind zugleich die beiden mächtigen Männer im | |
| DSO-Stiftungsrat. Ausgewählt worden sei Arbogast, mutmaßen Kritiker, aus | |
| einem simplen Grund: Bechstein und Nashan versprechen sich von Arbogast | |
| eine maximale Vertretung ihrer eigenen Interessen – die Steigerung der | |
| Transplantationsrate auf Teufel komm raus. | |
| „Ich", sagte Bechstein neulich in einem Gespräch mit der taz, „könnte mir | |
| auch eine Steigerung der Lebendspende vorstellen sowie Organspende nach | |
| irreversiblem Kreislaufstillstand, vorausgesetzt es gäbe entsprechende | |
| gesetzliche Rahmenbedingungen und Ablaufrichtlinien." Dies, betonte er, sei | |
| aber bloß seine persönliche Meinung. | |
| Eine Meinung freilich, die dem bisherigen bioethischen Konsens diametral | |
| entgegen steht: Lebendspenden sind extrem rigide geregelt, um jeden | |
| Anschein der Kommerzialisierung zu vermeiden. Organentnahmen nach | |
| Kreislaufstillstand sind ethisch umstritten und sollen auch im neuen | |
| Transplantationsgesetz verboten bleiben. | |
| Ein künftiger DSO-Vorstand aber, der von diesem Konsens abwiche, wäre zu | |
| fürchten: Die Reform des Transplantationsgesetzes, die der Bundestag | |
| bereits am kommenden Freitag verabschieden will, baut die bisherige Macht- | |
| und Monopolposition der DSO sogar noch aus. Die Stiftung soll künftig nicht | |
| bloß als Organ-Koordinierungsstelle erstmals explizit im Gesetz | |
| festgeschrieben werden. | |
| Sie soll darüber hinaus auch Richtlinienkompetenz erhalten, also | |
| verbindlich festlegen dürfen, wie und unter welchen Bedingungen | |
| Organentnahmen ablaufen sollen. Bisher war dies der Bundesärztekammer | |
| vorbehalten. Das Problem: Weil es sich bei der DSO um eine privatrechtliche | |
| Stiftung handelt, hat das Parlament so gut wie keine Kontroll- und | |
| Mitsprachemöglichkeiten. Die Aufsicht obliegt einzig dem Stiftungsrat, der | |
| in dieser Rolle in der Vergangenheit mehrfach versagte. | |
| ## Opposition fordert eine Anstalt öffentlichen Rechts | |
| Als Reaktion hierauf hatten Politiker der oppositionellen Grünen und der | |
| Linkspartei zuletzt versucht, das Steuer in letzter Minute herumzureißen | |
| und fraktionsübergreifende parlamentarische Mehrheiten zu organisieren: Der | |
| Rechtsstatus der Koordinierungsstelle müsse per Gesetz in eine Anstalt | |
| öffentlichen Rechts umgeändert werden. | |
| Dies würde dem Parlament erstmals die Aufsicht über die Arbeit des | |
| Vorstands ermöglichen. Der Versuch scheiterte an SPD und CDU. Denn diese | |
| wollen das Transplantationsgesetz im Schweinsgalopp durch den Bundestag | |
| peitschen – nicht einmal eine Anhörung wurde genehmigt. | |
| Immerhin soll der Gesundheitsausschuss des Bundestags einem Antrag der | |
| Union zufolge künftig bei der Besetzung des DSO-Vorstandspostens ein | |
| Vetorecht erhalten. Lehnt der Ausschuss zwei Kandidaten in Folge mit | |
| Zweidrittelmehrheit ab, würde das Gesundheitsministerium einen Vorstand | |
| bestimmen. | |
| Das Ministerium soll auch Einsicht in die Vorstandsverträge erhalten und | |
| die DSO zur jährlichen Veröffentlichung eines Geschäftsberichts zwingen. | |
| Die Grünen-Politikerin Elisabeth Scharfenberg kritisierte den Vorstoß als | |
| „Symbolpolitik". Die Kontrolldefizite bei der DSO würden dadurch nicht | |
| ansatzweise behoben. | |
| 18 May 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Haarhoff | |
| ## TAGS | |
| Organspende | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Designierter Organspende-Chef: Soll da ein Plagiator an die Spitze? | |
| Dem designierten Chef der Organspende-Stiftung, Helmut Arbogast, werden ein | |
| Plagiat und Datenfälschung vorgeworfen. Seine Habilitation ist ausgesetzt. | |
| Neuer Chef der Transplantationsstiftung: „Ich bin keine Marionette“ | |
| Der Mediziner Helmut Arbogast soll neuer Chef der Deutschen Stiftung | |
| Organtransplantation werden. Ein Gespräch über verlorenes Vertrauen. | |
| Organspende-Reform: Nach Aufklärung selbst entscheiden | |
| Der Bundestag hat eine Reform der Organspende beschlossen. Künftig werden | |
| alle Krankenversicherten ab 16 Jahren schriftlich aufgefordert, eine | |
| Erklärung abzugeben. | |
| Debatte Organspende: Feiges Parlament | |
| Die Vermittlung von Spenderorganen läuft bislang intransparent und | |
| unkontrolliert. Und die Politik tut alles dafür, damit das so bleibt. | |
| Anzeige wegen unerlaubter Organentnahme: Die Stiftung ist uneinsichtig | |
| Monatelang duldete die Deutsche Stiftung Organtransplantation offenbar | |
| Operationen durch Ärzte ohne Approbation. Die Staatsanwaltschaft prüft nun | |
| die Vorwürfe. | |
| Organspende-Stiftungsvorstand tritt zurück: Vier Dienstwagen in sechs Jahren | |
| Thomas Beck, Vorstand der Stiftung Organtransplantation, legt nach Kritik | |
| an Vetternwirtschaft sein Amt nieder. Ein weiterer Mitarbeiter duldete | |
| illegale Praktiken. | |
| Praktiken der Transplantationsstiftung: Das schmutzige System Organspende | |
| Ämterhäufung, Vetternwirtschaft und Verschwendung von Krankenkassengeld: | |
| Die Deutsche Stiftung Organtransplantation agiert unkontrolliert am Staat | |
| vorbei. |