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# taz.de -- Neuer Chef der Transplantationsstiftung: „Ich bin keine Marionett…
> Der Mediziner Helmut Arbogast soll neuer Chef der Deutschen Stiftung
> Organtransplantation werden. Ein Gespräch über verlorenes Vertrauen.
Bild: In dieser Kühlbox steckt Leben – und die Ursache für viele Ängste.
taz: Herr Arbogast, Sie sind designierter Vorstand einer Organisation, die
seit Monaten Negativschlagzeilen produziert. Haben Sie Bauchschmerzen, dass
Sie 2013 Chef der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) werden
sollen?
Helmut Arbogast: Überhaupt nicht. Die DSO ist eine hervorragende
Einrichtung. Richtig ist aber auch, dass ich, sollte ich die Stelle
bekommen, einen Neuanfang angehen will. Man kann ein so sensibles Thema wie
die Organspende in der Öffentlichkeit nicht vertrauenswürdig vertreten,
wenn auf der anderen Seite auch nur ein Hauch von Ungereimtheiten
existiert.
Was muss sich ändern?
Hier muss Führung durch charismatisches Verhalten erfolgen. Die DSO braucht
einen Vorstand mit Vorbildfunktion.
Dafür stehen Sie?
Absolut. Und um Ihrer nächsten Frage zuvorzukommen: Ich fühle mich
führungsstark und nur meiner eigenen Überzeugung verpflichtet. Niemand wird
mich als Marionette benutzen.
Tatsächlich? Sie sind Mitglied der Deutschen Transplantationsgesellschaft,
des Eurotransplant Financial Board sowie der Ständigen Kommission
Organtransplantation – Organisationen, die die Zustände in der DSO
toleriert haben, auch aufgrund wechselseitiger Abhängigkeiten. Sie sind ein
Mann des Systems.
Meine vielen Ämter unterstreichen in erster Linie meine Expertise. Ich bin
seit 29 Jahren in der Transplantationsmedizin tätig. Ich habe mir
Sachverstand erarbeitet und keine Form der Verfilzung. Etwas erreichen
können Sie nur mit Vernetzungen. Das sind keine „Amigo“-Strukturen.
Die DSO hat Vertrauen eingebüßt, auch intern. Mitarbeiter beklagen Mobbing.
Lässt sich das zerschlagene Porzellan kitten?
Nach innen brauchen wir weniger Führung durch aktive Kontrolle denn durch
inspirierende Motivation der Mitarbeiter, durch individuelle Wertschätzung
und intellektuelle Stimulation. Denn in der DSO arbeiten viele
verantwortungsvolle und hoch qualifizierte Experten, die sich mit all ihrem
Engagement für die Menschen in unserer Gesellschaft einsetzen.
Und das Vertrauen nach außen? Die Organspenderrate ist miserabel.
Hier haben Sie recht! Aber der Rückgang der Organspende hat wenig mit den
Querelen innerhalb der DSO zu tun. Das sind seit jeher saisonale
Schwankungen. Was stimmt, ist, dass wir unsere Glaubwürdigkeit gegenüber
der Bevölkerung zurückgewinnen müssen. Und zwar durch vorbehaltlose, offene
und transparente Diskussionen. Niemand darf das Gefühl haben, Angehörige
würden mit psychologischen Mitteln über den Tisch gezogen, wenn sie
entscheiden müssen, ob die Organspende im Sinne des Verstorbenen wäre. Hier
kommt uns auch das neue Transplantationsgesetz mit der Entscheidungslösung
zu Hilfe.
Sie sind Schüler von Walter Land, dem Nestor der Transplantationsmedizin in
München. 2003 verschwand Land für zwei Wochen nach Abu Dhabi, um dort auf
Privatrechnung einem Scheich eine Niere zu transplantieren. Bei der Uni
meldete er sich nicht ab, nahm aber sein Team mit. Sie waren dabei. Stärkt
so was das Vertrauen, um das Sie werben?
Diese Darstellung ist nicht richtig. Wir waren damals von der dortigen
Regierung gebeten worden, zu helfen. So etwas passiert nicht oft. Wir haben
das nicht unter Vernachlässigung unserer hiesigen Patienten getan. Es ist
nur eine kleine Gruppe nach Abu Dhabi gereist, um eine Lebendspende
vorzunehmen. Hier brauchen wir uns für nichts zu schämen, außer dass es
eine furchtbare Presse gab, die von missgünstigen Kollegen angetreten
wurde.
Sind Sie und Ihr neues Amt damit bereits beschädigt?
Ich habe hier nichts zu verbergen, und ich habe keinerlei Unrecht getan.
Aber wollen wir jetzt nur über diese Sache reden?
Auf keinen Fall. Erklären Sie uns, wie Deutschland mit Ihnen an der
DSO-Spitze mehr Organspender gewinnt.
Die Zustimmung in der Bevölkerung ist mit 75 bis 80 Prozent sehr hoch.
Dieses Potenzial nutzen wir derzeit nicht. Das liegt zum einen an der
derzeitigen Praxis der Patientenverfügungen. Viele Menschen, die eigentlich
Organspender werden wollten, kommen gar nicht auf die Intensivstation. Hier
gibt es Korrekturbedarf bei den Patientenverfügungen. Ein zweiter Grund ist
die Personalverknappung in den Krankenhäusern. Sie führt zu einer
geringeren Spendermeldung. Wir müssen die Häuser durch Unterstützung und
Vertrauen zur Kooperation bringen. Das ist in Regionen wie zum Beispiel
Mecklenburg-Vorpommern einfacher, wo es im Wesentlichen zwei, drei große
Spenderkrankenhäuser gibt. Wenn Sie die auf Ihrer Seite haben, haben Sie
gewonnen.
Die Länder würden sich gegen jede Konzentration von Kliniken wehren.
Sinnvoll wäre es trotzdem. Wir haben meiner Ansicht nach auch zu viele
Transplantationsprogramme. Allein für die Bauchspeicheldrüse gibt es 24.
Ein Drittel wäre ausreichend. Dies zu regulieren, ist aber nicht Aufgabe
der DSO. Daneben fordere ich eine bessere Qualifikation der
erstverantwortlichen Organentnehmer. Derzeit darf das laut Gesetz jeder
Arzt machen. Es sollten aber nur Fachärzte für Chirurgie machen dürfen.
Dann gingen uns möglicherweise weniger Organe verloren.
In Ländern wie Spanien gilt die Widerspruchslösung. Wer dort nicht zu
Lebzeiten aktiv widerspricht, gilt als Organspender. Daneben ist in Spanien
die Organspende nicht nur nach dem Hirntod, sondern auch nach dem
Kreislaufstillstand erlaubt. Ein Modell für Deutschland?
Ich persönlich bin ein Befürworter der Widerspruchslösung. Die aber ist
politisch derzeit nicht durchsetzbar in Deutschland. Die jetzt
verabschiedete Entscheidungslösung ist aber eine Chance, die wir nutzen
müssen. Und Organspende nach Kreislaufstillstand – diese Diskussion sollten
wir jetzt nicht führen. Wir haben schon genug Probleme im Hinblick auf
Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
10 Jun 2012
## AUTOREN
Heike Haarhoff
## TAGS
Organspende
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