# taz.de -- Anzeige wegen unerlaubter Organentnahme: Die Stiftung ist uneinsich… | |
> Monatelang duldete die Deutsche Stiftung Organtransplantation offenbar | |
> Operationen durch Ärzte ohne Approbation. Die Staatsanwaltschaft prüft | |
> nun die Vorwürfe. | |
Bild: Wer hat die Organe entnommen, Ärzte mit oder ohne Zulassung? | |
BERLIN taz | Mindestens neun Monate lang hat die Deutsche Stiftung | |
Organtransplantation (DSO) unerlaubte Organentnahmen durch osteuropäische | |
Ärzte geduldet und vergütet, die hierfür gar keine Berufserlaubnis hatten. | |
Jetzt beschäftigt der Fall die Staatsanwaltschaft Hannover: „Wir prüfen | |
Verstöße sowohl gegen das Heilpraktikergesetz als auch gegen das | |
Transplantationsgesetz“, sagte ein Sprecher am Freitag der taz. Auslöser | |
sei eine anonyme Anzeige gegen zwei ausländische Mediziner von der | |
Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). In der Anzeige werde auch Bezug | |
genommen auf einen taz-Bericht über ethische Grenzverstöße durch die | |
DSO-Führung. | |
Nach Recherchen der taz hatten die beiden Ärzte einen Arbeitsvertrag mit | |
der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH); tätig waren sie im Team von | |
Axel Haverich, dem Direktor der Klinik für Transplantationschirurgie. Ihre | |
Berufserlaubnis jedoch war nach Angaben des Niedersächsischen Zweckverbands | |
zur Approbationserteilung örtlich beschränkt auf die MHH. Der Grund: Für | |
eine deutschlandweite Tätigkeit fehlte ihnen die Approbation. | |
Tatsächlich waren die beiden Ärzte mindestens zwischen Juni 2011 und März | |
2012 an Kliniken deutschlandweit im Einsatz. Das belegen interne | |
DSO-Protokolle und Stellungnahmen, die der taz vorliegen. Sie sollten | |
Hirntoten am Ort ihres Versterbens Organe entnehmen, die sodann nach | |
Hannover transportiert und dort Patienten eingepflanzt wurden. Beauftragt, | |
bezahlt und toleriert wurde dies von Günter Kirste, dem Chef der DSO. Die | |
DSO koordiniert sämtliche postmortalen Organspenden. | |
Als DSO-Kollegen im Herbst 2011 intern gegen die illegale Entnahmepraxis | |
protestierten, positionierte sich Kirste aufseiten seines einstigen | |
Ziehvaters Haverich von der MHH: Es handele sich nicht um eine | |
Gesetzesübertretung, so Kirste damals, sondern um eine „Übergangszeit“, d… | |
der MHH zugestanden worden sei. Und, so steht es in einem | |
DSO-Sitzungsprotokoll vom 10. November 2011: „Der Vorstand übernimmt für | |
diese Vorgehensweise die Verantwortung und verweist darauf, dass die | |
Überwachungskommission, die Ständige Kommission Organtransplantation der | |
Bundesärztekammer und das Bundesministerium für Gesundheit über diese | |
Sachlage informiert wurden.“ | |
Doch nach Angaben des Niedersächsischen Zweckverbands konnte von einer | |
Übergangszeit keine Rede sein. Die MHH habe die Problematik im Juni 2011 | |
angezeigt. Neun Monate später, im März 2012, habe die Approbation erteilt | |
werden können. In der Zwischenzeit jedoch habe die Berufserlaubnis | |
ausschließlich für die MHH gegolten. Für den DSO-Vorstand Kirste zeugen | |
derlei Details von Kleingeist: „Ich habe doch dafür gesorgt, dass diese | |
Ärzte inzwischen legal arbeiten dürfen! Wo ist das Problem?“ | |
## Kein grober ethischer Verstoß? | |
Warum aber schritt keines der DSO-Kontrollgremien ein? Das | |
Bundesgesundheitsministerium reagiert überrascht: „Die DSO hat im Herbst | |
2011 lediglich eine sehr abstrakte Anfrage zu den Reichweiten von | |
Berufserlaubnissen gestellt“, sagt eine Sprecherin. Dass offenbar ein | |
konkretes Problem vorlag, sei nicht erwähnt worden. | |
Auch der Vorsitzende des DSO-Stiftungsrats, Wolf Otto Bechstein, behauptet, | |
nicht gewusst zu haben, dass Kirste den Einsatz der Ärzte billigte. Doch | |
selbst wenn dies so sei – einen groben ethischen Verstoß mag Bechstein | |
nicht erkennen: „Nach meinem Verständnis ist es so: Es handelt sich nicht | |
um lebende Patienten, denen Organe entnommen werden, sondern um hirntote | |
Spender.“ | |
Bleibt die Ständige Kommission Organspende der Bundesärztekammer (StäKO). | |
Deren Vorsitzender, Hans Lilie, ist Professor für Strafrecht an der | |
Universität Halle und auf juristische Fragen aus dem Bereich der Bioethik | |
spezialisiert. Lilie zog es vor, wegzuschauen. Zwar sei auch ihm im Herbst | |
2011 der umstrittene Einsatz berichtet worden, räumt er in einem Schreiben | |
an die taz ein. Aber: „Die Fälle unterliegen nicht der Zuständigkeit der | |
StäKO.“ | |
Gleichwohl schließe er, Lilie, sich der Auffassung der Ärztekammer | |
Niedersachsen an, die für den konkreten Fall beschieden habe: „Aus | |
rechtlichen Gründen ist es nicht möglich, dass Ärzte, die über eine | |
(niedersächsische) Berufserlaubnis verfügen, in anderen Bundesländern | |
Organe explantieren können.“ Weshalb er trotz dieses Wissens weder Kirste | |
noch Bechstein zum Einschreiten drängte, bleibt Lilies Geheimnis. Dabei | |
wäre dies sogar diskret auf dem kleinen Dienstweg möglich gewesen: Kirste | |
wie Bechstein sind Mitglieder in Lilies StäKO. | |
11 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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