# taz.de -- Organspende-Skandal in Göttingen: Vier Augen oder doch nur zwei? | |
> Der mögliche Organspendeskandal an der Göttinger Uniklinik erschüttert | |
> Mediziner und Politiker. Einige fordern ein Vier-Augen-Prinzip bei | |
> Transplantationen - andere lehnen genau das ab. | |
Bild: Viele Ärzteaugen sehen mehr als zwei - und kontrollieren sich vielleicht… | |
GÖTTINGEN dpa | Im Skandal um mögliche Manipulationen bei | |
Organtransplantationen wird der Ruf nach besseren Kontrollen lauter. | |
Mehrere Politiker forderten am Wochenende ein Vier-Augen-Prinzip bei der | |
Übermittlung von Daten. „Ich verfolge die Idee, dass ein Laborarzt die | |
Daten, die Eurotransplant geschickt werden, noch einmal prüfen sollte“ | |
sagte der Chef der Ständigen Kommission Organtransplantation, Hans Lilie, | |
der Welt. | |
Ein früherer Mediziner der Göttinger Uniklinik steht unter Verdacht, Akten | |
gefälscht und so dafür gesorgt zu haben, dass die eigenen Patienten beim | |
Empfang von Spenderlebern bevorzugt wurden. Nach Angaben der | |
Staatsanwaltschaft Braunschweig vom Samstag könnten die Ermittlungen gegen | |
den 45-Jährigen noch Monate dauern. | |
Für ein Vier-Augen-Prinzip sprach sich auch der ärztliche Direktor des | |
Universitätsklinikums Essen und Mitglied des Ethikrates, Eckhard Nagel aus. | |
Zudem brachte er den Vorschlag ins Spiel, weniger Transplantationszentren | |
zu haben, die besser überprüfbar seien. Auch der Ärztliche Direktor von | |
Eurotransplant, Axel Rahmel, forderte im ZDF-„heute-journal“ schärfere | |
Kontrollen. | |
Gegen ein Vier-Augen-Prinzip wandte sich hingegen der Präsident der | |
Ärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst. „Das ist für manche | |
Entscheidungen nicht günstig und praktisch auch nicht immer machbar“, sagte | |
er der Welt. Windhorst ist auch Mitglied der Kommission | |
Organtransplantation. | |
Derweil wies die Göttinger Klinik Vorwürfe zurück, bei der Personalwahl des | |
Mediziners unachtsam gehandelt zu haben. Laut Süddeutscher Zeitung war in | |
der Vergangenheit bereits gegen den Arzt ermittelt worden, weil er eine für | |
das Klinikum Regensburg vorgesehene Spenderleber nach Jordanien brachte. | |
Lilie hatte NDR Info gesagt, er sei überrascht gewesen, dass der Arzt in | |
Göttingen angestellt wurde. | |
## Nicht aus den Zeugnissen erkennbar | |
Ein Sprecher der Göttinger Universitätsmedizin erklärte: „Das haben wir | |
nicht gewusst, das war weder aus den Zeugnissen noch sonstwie erkennbar“, | |
sagte er. Die Uniklinik habe nach ersten Verdachtsmomenten schnell reagiert | |
und den Arzt suspendiert. Ein neuer Transplantationschirurg habe inzwischen | |
die Arbeit aufgenommen. | |
Die Klinik hatte sich bereits im Dezember per Aufhebungsvertrag von dem | |
Mediziner getrennt. Grund sei ein anonymer Hinweis an die Deutsche Stiftung | |
für Organspende gewesen, wonach an der Uniklinik Göttingen Organe verkauft | |
würden. Die Klinikleitung habe den Transplantationschirurgen daraufhin | |
einbestellt. Er sei im November vom Dienst suspendiert worden. | |
Der Arzt habe die Vorwürfe nie zugegeben, betonte der Kliniksprecher. Das | |
Arbeitsverhältnis sei beendet worden, weil das Vertrauensverhältnis | |
erschüttert gewesen sei. Er habe die Klinik nicht darüber informiert, dass | |
er in der Angelegenheit ein Gespräch mit der Bundesärztekammer geführt | |
hatte, sagte der Sprecher. Die Uniklinik habe in der Folge alle Unterlagen | |
geprüft. „Bei uns sind keine unregelmäßigen Gelder geflossen“, betonte e… | |
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig, die wegen des Vorwurfs der | |
Bestechlichkeit ermittelt, geht nicht von einem schnellen Ergebnis aus. | |
„Ich rechne mit Monaten“, sagte die Sprecherin der Braunschweiger | |
Staatsanwaltschaft, Serena Stamer. Wahrscheinlich müssten für die Klärung | |
von Sachfragen im Detail auch Gutachter herangezogen werden. | |
21 Jul 2012 | |
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