# taz.de -- Kommentar Hirntod und Organspende: Es geht um die Unumkehrbarkeit | |
> Beim Thema Organspende soll die Politik nicht über philosophische Fragen | |
> entscheiden, sondern Kriterien suchen, die den Tod nachweisen. Der | |
> Hirntod ist eines davon. | |
Menschen wissen, dass sie sterben werden. Es gibt nur einen Tod eines | |
Individuums, aber verschiedene Ursachen, Eintrittsweisen und | |
Nachweisverfahren. Ausschließlich um diese naturwissenschaftlichen | |
Nachweise geht es in der neuerlichen Debatte um Organspende, Hirntod und | |
Transplantationsmedizin. | |
Die Politik soll keineswegs über die Frage entscheiden, die Philosophen und | |
Theologen seit Menschengedenken nicht beantworten können: was der Tod sei. | |
Sondern Politik muss nach verantwortbaren Kriterien suchen, die den Tod | |
mittels sicherer Zeichen nachweisen – andernfalls wären Organentnahmen | |
gesetzeswidrig. | |
Der Hirntod oder, weniger irreführend: der intensivmedizinisch | |
diagnostizierte totale und endgültige Ausfall des Hirnorgans ist – entgegen | |
sich hartnäckig haltenden Unterstellungen, die Hirntod etwa mit Koma | |
verwechseln – nach Stand der Wissenschaft ein sicheres Todeszeichen. Was | |
den Hirntod auszeichnet, ist seine Unumkehrbarkeit. | |
Nicht einmal der von Skeptikern gern als Kronzeuge bemühte | |
hirntodkonzeptkritische US-Neurologe Alan Shewmon bestreitet, dass nach | |
einem Hirntotalausfall die Rückkehr zu einer geistig-körperlichen Einheit | |
unmöglich ist. | |
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass nach irreversiblem | |
Hirntotalausfall – unbestritten – einzelne Körperfunktionen wie Verdauung, | |
Temperaturregelung oder Wundheilung weiterhin, teils über Tage, selten | |
Jahre, aufrechterhalten werden können. Vorausgesetzt, moderne | |
Apparatemedizin übernimmt die hierfür zwingend nötige Beatmung, die | |
eigentlich das Gehirn steuern würde. | |
Selbstverständlich kann man darüber streiten, ob der Mensch erst dann tot | |
sei, wenn auch die letzte Zelle gestorben ist, nach Verlust sämtlicher | |
genetischer Information also. Nur: Mit dem Nachweis des Todes mittels | |
sicherer Zeichen hat das nichts zu tun: Der Hirntod bedeutet diagnostische | |
Sicherheit, er ist keine Prognose. | |
22 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## TAGS | |
Hirntod | |
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