# taz.de -- Neues Gutachten über Acta: Das Abkommen ist ein Entwicklungskiller | |
> Durch Acta wird der Zugang zu Saatgut und Medizin erschwert: Ein | |
> Gutachten bestätigt, dass das Abkommen arme Länder bedroht. | |
> CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl fordert den Stopp. | |
Bild: Protest gegen das Anti-Produktpiraterie-Abkommen Acta. | |
BERLIN taz | Weil das Anti-Produktpiraterie-Abkommen Acta als Sargnagel der | |
Freiheit im Internet gilt, ist der Vertragsentwurf auf breite Ablehnung | |
gestoßen. Doch auch aus entwicklungspolitischer Sicht ist das geplante | |
Abkommen gefährlich. Das belegt ein neues Gutachten der wissenschaftlichen | |
Dienste des Bundestags im Auftrag der Entwicklungsausschuss-Vorsitzenden | |
Dagmar Wöhrl (CSU), das der taz vorliegt. | |
Vor allem in drei Bereichen sehen die Gutachter durch Acta Folgen für | |
Entwicklungsländer: Erstens würde der Zugang zu preiswerter Medizin | |
erschwert. | |
Das Gutachten zitiert Frank Dörner, Geschäftsführer der „Ärzte ohne | |
Grenzen“. Er befürchtet, dass insbesondere Medikamentennachbildungen, | |
sogenannte Generika, von Restriktionen betroffen sein werden und | |
überlebensnotwendige Medikamente nicht mehr vertrieben werden könnten. | |
Zudem drohten durch Beschränkungen von Generika insgesamt höhere Preise. | |
## Unvereinbar mit dem Menschenrecht | |
Zweitens würde Acta jene Konzerne stärken, die Patente auf Saatgut | |
anmelden; eine Praxis, die die UN mehrfach als unvereinbar mit dem | |
Menschenrecht auf Nahrung bezeichnet hat. | |
Tatsächlich müssten, sollte Acta umgesetzt werden, Entwicklungsländer | |
geistige Eigentumsrechte etwa auf Getreide umsetzen. Dadurch hätten globale | |
Kooperationspartner die Möglichkeit, Entwicklungsländern den Zugang zum | |
Markt zu erschweren oder die Zahlung von Lizenzgebühren zu erzwingen. | |
„Das wäre für Bauern in Entwicklungsländern ein Existenzproblem“, | |
kommentiert Wöhrl. | |
Und drittens gibt es für Entwicklungsländer keine Option, Acta abzulehnen. | |
Die Mehrheit aller internationalen Handelsgüter werde von dem Abkommen | |
betroffen sein, denn auch Waren im Transit wären betroffen: Heute schon | |
werden in den Häfen der Niederlande Generika zurückgehalten, | |
zurückgeschickt oder sogar vernichtet. | |
## Fairer Interessenausgleich notwendig | |
Für CSU-Expertin Wöhrl ist die Konsequenz aus dem Gutachten klar: „Die | |
Ratifizierung von Acta sollte ausgesetzt werden“, fordert sie. | |
Notwendig sei stattdessen ein neues Abkommen, das zwar gegen Produkt- und | |
Markenpiraterie vorgehe, aber unter Beteiligung von Zivilgesellschaft und | |
Entwicklungsländer entstehe und „zu einem fairen Interessenausgleich“ | |
führe. | |
Stattfinden könne ein solcher Prozess nur in völliger Offenheit, so Wöhrl. | |
„Die Zeit der Hinterzimmer-Deals ist vorbei.“ Um Transparenz zu | |
ermöglichen, würde die Abgeordnete das Gutachten gern komplett | |
veröffentlichen. | |
Doch während das sonst oft genehmigt wird, stimmte die Bundestagsverwaltung | |
in diesem Fall nicht zu. Diese Entscheidung, die gerade beim umstrittenen | |
Urheberrechtsabkommen von unfreiwilliger Ironie zeugt, ließ Wöhrl | |
unkommentiert. | |
24 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Frédéric Valin | |
## TAGS | |
Pharmaindustrie | |
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