# taz.de -- Koalitionen in Schleswig-Holstein: Keine wirkliche Liebesheirat | |
> Ein fulminanter Wahlsieg der Opposition ist es nicht. Dennoch: Eine | |
> Dänenampel ist möglich – und SPD, Grüne und SSW passen mit ihren Inhalten | |
> gut zusammen. | |
Bild: Gutes Ergebnis für die Grünen – aber reicht's für eine Koalition? | |
KIEL taz | Arm in Arm wie eine Fußballmannschaft beim Elfmeterschießen | |
erwartet die Grünen-Führung die erste TV-Prognose. Dann lässt | |
Spitzenkandidat Robert Habeck Parteichefin Claudia Roth einfach stehen und | |
richtet schon mal seine Dankesworte an die Parteibasis. „Sausausausaustolz“ | |
sei er, „bei diesem geilen Wahlkampf Spitzenkandidat gewesen sein zu | |
dürfen.“ | |
Das Parteivolk bejubelt ihn wie einen Popstar. Als dann die Zahl 14 bei den | |
Grünen auf dem Bildschirm auftaucht, gibt es kein Halten mehr. Habeck sagt: | |
„Wir haben uns wieder aus dem ,Habeck-Scheißtag', wie die taz ihn | |
beschrieben hat, herausgekämpft.“ Und er ordnet diesen Erfolg auch gleich | |
ein: „In einem Land wie Schleswig-Holstein ist das ein Ausrufezeichen, ich | |
würde sogar sagen: wie eine Trendwende für die Partei.“ | |
Dennoch: Ein fulminanter Wahlsieg von Rot-Grün sieht anders aus. CDU und | |
SPD lagen so eng beieinander, dass bis weit in den Abend hinein nicht | |
feststand, welche Partei vorne liegt. Ein wenig schlechter als erwartet | |
fiel das Ergebnis für die SPD aus. Aber „Grund zur Trauer besteht nicht“, | |
meinte Landeschef Ralf Stegner. Er verwies auf die Zahlen der CDU, die | |
unter Jost de Jager ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren habe. | |
Rechnerisch knapp, aber politisch möglich ist die „Dänenampel“ – also S… | |
und Grüne gemeinsam mit dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Als | |
Habeck im TV sagt, er wolle darüber verhandeln, klatschen die Gäste der | |
SPD-Wahlparty zwei Stockwerke weiter oben im Landeshaus lautstark Beifall. | |
Die Variante einer schwarz-grün-gelben Koalition wollte der Grüne aber | |
nicht kategorisch ausschließen. Parteichefin Roth dagegen tönte: „Jamaika | |
ist rum!“ | |
## Kein Vertrauen für eine große Koalition | |
„Alles ist besser als eine große Koalition“, fasst Uwe Döring die Stimmung | |
in der SPD zusammen. Er war bis 2009 Arbeitsminister im CDU-SPD-Kabinett | |
unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Damals scheiterte das | |
Bündnis, und Döring vermutet, dass es diesmal nicht besser wäre: „Das | |
Vertrauen war auf beiden Seiten nicht da.“ | |
Zwar seien die Protagonisten, der SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig und der | |
CDU-Mann Jost de Jager, andere, die Parteien aber weiterhin misstrauisch: | |
„Ich kann mir keinen SPD-Parteitag vorstellen, der einer großen Koalition | |
zustimmt", so der Exspitzenpolitiker. Und wenn die Zahlen knapp bleiben: | |
"Es gibt auch Minderheitsregierungen.“ Auch SPD-Landeschef Ralf Stegner | |
wollte über eine Neuauflage der großen Koalition nicht nachdenken: „Damit | |
beschäftige ich mich nicht. Wir werden mit Grünen und SSW Gespräche | |
führen.“ | |
Eine Liebesheirat? Ja und nein. Eigentlich wollte der SSW, die politische | |
Vertretung der dänischen und friesischen Minderheiten, nie in eine | |
Regierung eintreten. Und allen Beteiligten ist auch klar, dass | |
Dreierkonstellationen immer komplizierter sind als Koalitionen aus zwei | |
Fraktionen, in denen die Rollen von Senior- und Juniorpartner klar verteilt | |
sind. | |
Dennoch passen die Parteien gut zusammen: In der Bildung etwa, wo alle drei | |
für längeres gemeinsames Lernen eintreten, oder bei der Einschätzung, dass | |
der marode Haushalt des Landes nicht nur durch einen harten Sparkurs gerade | |
bei sozialen Projekten möglich ist. Die wichtigste Forderung des SSW, die | |
Schulen der dänischen Minderheit ebenso zu fördern wie deutsche | |
Regelschulen, wollen SPD und Grüne erfüllen. | |
## „Bedenkliche Negativkampagne“ | |
Das werde teuer, warnen die Christdemokraten, die zuletzt einen harten | |
Wahlkampf gegen das Dreierbündnis führte und auf Plakaten für „stabile | |
Bündnisse statt Dänenampel“ warb – zusammen mit einem Bild eines | |
schleudernden Autos. Anke Spoorendonk, Spitzenkandidatin der | |
Minderheitenpartei, sah am Wahlabend in dieser „Negativkampagne“ eine | |
Schuld daran, dass das Ergebnis bestenfalls nur knapp für das Dreierbündnis | |
reichte. „Bedenklich“ fand sie das Vorgehen der CDU. | |
Allerdings müssen sich alle Regierungen dem Diktat der Schuldenbremse | |
beugen, die Schleswig-Holstein sich in die Landesverfassung geschrieben | |
hat. Dass es „keinen Haushalt gegen Adam Riese“ geben dürfe, hatten die | |
Grünen früh deutlich gemacht und auch mehrfach die SPD für teure | |
Versprechen kritisiert. Bestätigt sich das historisch gute Ergebnis der | |
Grünen, wären sie in einer starken Position, das durchzusetzen. Doch in | |
einer Mehrparteienkoalition könnten die Grünen in die nicht nur angenehme | |
Rolle des Hüters der Haushaltsdisziplin rutschen. | |
Angesichts der knappen Mehrheiten und der Probleme des Landes unkte ein | |
Landtagsabgeordneter am Wahlabend, lange bevor die Ergebnisse feststanden: | |
„In zwei Jahren wird hier wieder gewählt.“ | |
6 May 2012 | |
## AUTOREN | |
E. Geisslinger | |
J. Kahlcke | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Dänen-Ampel: Dreimal Ja zum Koalitionsvertrag | |
SPD, Grüne und SSW in Schleswig-Holstein stimmen dem Regierungsbündnis zu. | |
Der Ministerpräsident in spe rechnet mit einer Mehrheit im ersten Wahlgang. | |
Dänen-Ampel: Kiel zwischen Reformen und Ruin | |
Das Albig-Kabinett für Schleswig-Holstein steht. Und während Gewerkschaften | |
und Flüchtlingsinitiativen die Koalition begrüßen, sieht die Opposition den | |
Niedergang des Landes kommen. | |
Junge Union diskutiert über den SSW: Nicht dänisch genug | |
Mitglieder der Jungen Union in Schleswig-Holstein stellen die Rechte des | |
SSW in Frage. Die „linke Programmpartei“ könne nicht beanspruchen, für die | |
Dänen im Land zu sprechen. | |
Mögliche „Dänenampel“ in Kiel: Das kalkulierte Wagnis | |
SPD-Spitzenmann Albig will die hauchdünne linke Mehrheit in | |
Schleswig-Holstein nutzen und setzt auf ein Bündnis mit Grünen und SSW. Das | |
könnte klappen. | |
Schleswig-Holstein: Piraten an der „Dänenampel“ | |
Die Piratenpartei hat angekündigt in Schleswig-Holstein eine Koalition aus | |
SPD, Grüne und SSW möglicherweise zu tolerieren. Es komme aber auf Inhalte | |
an. | |
Nach den Wahlen in Schleswig-Holstein: Dämpel, Dampel, Dänen-Ampel | |
Nach der Wahl in Schleswig-Holstein will die SPD mit Grünen und SSW | |
koalieren. Ein heikler Punkt könnte die Finanzpolitik werden. Die CDU | |
verfolgt andere Pläne, die Piraten sind offen für alles. | |
CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager: Eher ein Technokrat | |
Die CDU hat bei der Wahl die meisten Stimmen geholt – doch reicht es für | |
eine Regierung? Spitzenkandidat Jost de Jager fiel selbst seiner eigenen | |
Partei spät auf. | |
Die Liberalen in Schleswig-Holstein: Der Rüpel, der die FDP rettete | |
Eigentlich wollte Wolfgang Kubicki mit der Politik aufhören – nun hat er | |
der FDP gut 8 Prozent verschafft. Für ihn ist es auch ein Sieg gegen die | |
Dilettanten in Berlin. | |
Piraten im Landtag von Schleswig-Holstein: Neulinge, für alles offen | |
Nach ihrem dritten Wahlerfolg in Folge wollen die Piraten „im Bedarfsfall“ | |
Koalitionsgespräche führen. An einen solchen Bedarf glauben sie allerdings | |
selbst nicht. | |
Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Lieber Piraten als Linkspartei | |
Landtag verpasst: Parteiinterne Streitigkeiten und extreme Positionen haben | |
die Wähler der Linkspartei vergrault. Mit 2,5 Prozent sind sie nicht mehr | |
dabei. | |
Wahlen in Schleswig-Holstein: CDU und SPD gleichauf | |
Bei den vorgezogenen Landtagswahlen in Schleswig Holstein liegen CDU und | |
SPD nach den ersten Hochrechnungen gleichauf. Piraten und FDP ziehen in den | |
Landtag, die Linke nicht. |