| # taz.de -- 15. Internationale Comic-Salon in Erlangen: Angenehm unnerdig | |
| > Bemerkenswert im Comic-Salon in Erlangen waren vor allem die vielfältigen | |
| > Neuerscheinungen aus dem arabischen Raum. Um Politik ging es nur am | |
| > Rande. | |
| Bild: Comic-Salon-Mitarbeiterin mit gerahmten Zeichnungen des ägyptischen Comi… | |
| In Konkurrenz zu anderen großkulturellen Ereignissen fand vom 7.–10. Juni | |
| zum 15. Mal der Internationale Comic-Salon in Erlangen statt, und die | |
| Entwicklung, den das ehedem männlich dominierte, eher unangenehm nerdige | |
| Festival in den letzten Jahren genommen hat, ist ausgesprochen erfreulich. | |
| Es riecht nicht nur besser, derart vielseitig ist das aus Ausstellungen, | |
| Verlagsmesse, Panel-Diskussionen, Künstlergesprächen, Nachwuchsförderung | |
| und begleitenden Filmen bestehende Programm mittlerweile, dass ein | |
| Wochenende leider nicht reicht, um auch nur annähernd alles wahrnehmen zu | |
| können. | |
| Vor allem die bewusste Hinwendung zum Comic-Geschehen in aller Welt trägt | |
| dabei anschaulich lehrreiche Früchte. So wäre in diesem Jahr allein die | |
| Ausstellung „Illustration der Geschichte. Comics aus der arabischen Welt“ | |
| der Kuratoren Anna Gabai und Paul Derouet eine Reise in die fränkische | |
| Kleinstadt wert gewesen. | |
| Hierzulande kaum zu sehende Werke aus dem Libanon, Tunesien, Algerien, | |
| Marokko, Ägypten, Jordanien, Syrien und den palästinensischen Gebieten | |
| waren zu entdecken und zu bestaunen. Deren Bildsprache ist, so der erste | |
| Eindruck, bei aller Fremdheit der Schrift überraschend gut zu lesen. | |
| ## Strafe für Comic-Autoren | |
| Das koloniale Erbe ist unübersehbar, denn auch im arabischen Sprachraum | |
| haben die übersetzten „Tim und Struppi“, „Micky Maus“ und „Superman�… | |
| Comic-Leseerfahrung von Kindern einst geprägt – und dem Comic den Ruf | |
| eingetragen, ein Medium ausschließlich für Kinder zu sein. | |
| Und tatsächlich ist kommerzieller Erfolg derzeit wohl nur auf diesem Markt | |
| zu erlangen. Die erzielten Gewinne des gerade auf Deutsch erschienenen | |
| „Metro. Kairo Underground“ von Magdy El-Shafee dürften dagegen eher | |
| bescheiden ausfallen: Die gesamte Auflage wurde 2008 in Ägypten, drei | |
| Monate nach Erscheinen, zensiert und von der Polizei konfisziert, Künstler | |
| und Verleger wurden nach kurzem Gefängnisaufenthalt hohe Geldstrafen | |
| auferlegt. | |
| ## Bedrohliche Wirklichkeit | |
| Magdy El-Shafee, der seinen jungen Protagonisten Schihab in einer rasanten | |
| Kriminalgeschichte durch die Straßen und den Untergrund der Metropole Kairo | |
| treibt, prangert darin nicht nur das soziale Elend an, vor allem die | |
| Korruption und die Verkommenheit der politischen und wirtschaftlichen Elite | |
| treiben ihn um. Die filmischen Schwarz-Weiß-Bilder erzeugen dabei den | |
| Eindruck einer spannungsgeladenen gesellschaftlichen Enge, die nach einem | |
| Befreiungsschlag zu schreien scheint. | |
| Während das Mubarak-Regime wenig später gestürzt wird, bleibt die von Magdy | |
| El-Shafee auch thematisierte massive (sexuelle) Gewalt gegen Frauen dagegen | |
| eine bedrohliche Lebenswirklichkeit, von der auch Mona Ahmed im Gespräch in | |
| Erlangen mit größter Sorge berichtet. | |
| Die junge Ägypterin ist mit einer Arbeit vertreten, in der sie beispielhaft | |
| die öffentliche Selbstverbrennung eines Landsmanns als drastischen | |
| politischen Akt, als Aufschrei ins Recht setzen will – die Behörden hatten | |
| den Mann für verrückt erklärt. Mona Ahmed, die in Japan aufwuchs, ist | |
| sichtlich vom Manga geprägt, was ihrer Arbeit eine interessant | |
| kontrastierende Weichheit und Feminität verleiht. | |
| Eher zart kommt zunächst auch die Bildfolge der Algerierin Rym Mokhtai | |
| daher, auf der eine Frau mithilfe einer Pinzette aus Teilen zusammengesetzt | |
| wird. Vollendet, freut sich die Schöne über ihre Integrität, bevor zu | |
| erkennen ist, dass sie von einem Mann in einem Buddelschiff erschaffen | |
| wurde. Mehr vom Horror-Comic scheint dagegen ihre Kollegin Faïza Benaouda | |
| in ihrer drastischen Missbrauchs-Rachegeschichte inspiriert. Intelligent | |
| spart sie dabei Zensurgefährdetes wie Nacktheit aus, die Tat muss der Leser | |
| zwischen den Panels rekonstruieren. | |
| ## Einblicke in fremde Lebenswelten | |
| Politik, Sexualität und Religion bleiben trotz des Arabischen Frühlings in | |
| den Ländern, aus denen die Comic-Autoren kommen, heikle Themen. Neben | |
| muslimischen Extremisten geht auch die katholische Kirche gegen missliebige | |
| Inhalte vor, wie der libanesische Zeichner und Musiker Mazen Kerbaj | |
| festhält. Kerbaj wehrt sich gegen den Eindruck, die gezeigten arabischen | |
| Comics würden vor allem als Zeugnisse des Wandels interessant sein. | |
| Damit hat er unbedingt recht, obwohl die zeichnerische Auseinandersetzung | |
| mit Gewalt, Bürgerkrieg oder dem Elend von Bootsflüchtlingen eben auch | |
| erschütternde Einblicke in fremde Lebenswelten ermöglicht. Umso löblicher | |
| ist da das Engagement des Goethe-Instituts in Kairo, das Comic-Künstler mit | |
| Räumen und Workshops unterstützt. Die hochgradig idealistische Szene, so | |
| disparat sie in Wirklichkeit ist, verdient jede Unterstützung. | |
| 11 Jun 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Katja Lüthge | |
| ## TAGS | |
| Comic | |
| Sexismus | |
| Graphic Novel | |
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