# taz.de -- Illustrator Simon Schwartz über Comics: "In die Spiderman-Ecke ges… | |
> Simon Schwartz hat die Lebensgeschichte des "wahren Nordpol-Entdeckers" | |
> Matthew Henson gezeichnet. Er glaubt, dass es dem deutschen Comic noch | |
> nie so gut ging wie jetzt. | |
Bild: Wurde 2010 für den Jugendliteraturpreis nominiert. Simon Schwartz. | |
taz: Herr Schwartz, mit Comics verbinden viele noch immer Superhelden und | |
Tiere. Sie haben sich aber eines historischen Stoffes angenommen und die | |
Entdeckung des Nordpols gezeichnet. Wie kamen Sie darauf? | |
Simon Schwartz: Mich hat am Anfang die epische Geschichte über Männer | |
fasziniert, die 30 Jahre lang immer wieder versucht haben, zum Nordpol zu | |
gelangen, riesige eiserne Meteoriten abtransportiert und Eskimos an New | |
Yorker Museen verkauft haben. | |
Aber Sie erzählen dann die Geschichte von Matthew Henson, den wahren | |
Entdecker des Nordpols, der von der Geschichte aber vergessen wurde. | |
Zunächst geht es in meinem Buch um Robert Peary, der für sich Anspruch | |
nahm, am 9. April 1909 den Nordpol entdeckt zu haben und später mit seinem | |
ehemaligen Assistenten Thomas Cook aneinandergeriet, weil der behauptete, | |
schon ein Jahr vorher am Nordpol gewesen zu sein. Es gab eine große | |
Schlammschlacht und die Geschichte hat sich darauf geeinigt, dass Peary der | |
Erste am Nordpol war. | |
Und Henson? | |
Er war der Assistent von Robert Peary und er war de facto schneller als | |
Peary, weil er in der Expedition immer derjenige war, der den Weg | |
freimachte und vorneweg fuhr. Aber er wurde völlig ignoriert, weil er | |
schwarz war. | |
Und woher wissen Sie, dass er der Erste gewesen sein muss? | |
Zum einen aus Hensons eigenen Aussagen. Aber es gibt da noch eine andere | |
Quelle. In der Sagenwelt der Inuit lebt am Nordpol der Teufel Tahnusuk und | |
Henson ist als magisches Wesen Mahri-Paluk in diese Sagenwelt übergegangen, | |
als der Mann, der den Teufel besiegte. In der Welt der Inuit ist er also | |
der erste Mensch am Nordpol, in unserer Welt aber nicht. | |
Und was heißt das? | |
Daraus sprechen zwei Arten von Geschichtsverständnis: die angeblich | |
objektive, Fakten basierte europäisch-westliche Form, die in diesem Fall | |
sagt, Robert Peary habe am 9. April 1909 den Nordpol entdeckt und belegt | |
wird das allein von Robert Peary. Und dann gibt es die ganz offen | |
subjektive Form durch Mythen, Sagen und Gesänge wie beispielsweise bei den | |
Inuit. Ich sage nicht, dass eins besser ist als das andere, aber hier gibt | |
uns die Sage den entscheidenden Hinweis: Henson war der Erste. | |
Und Sie wollten Henson mit Ihrem Comic zu seinem Recht verhelfen? | |
Henson hat 1947 seine Biografie „Dark Companion“geschrieben, und wenn man | |
das Buch liest, erfährt man eine Menge Daten und Fakten, aber so gut wie | |
gar nichts über ihn. Und über Rassismus fällt kein Wort, was doch stark | |
verwundert, denn das hat sein Leben sehr stark geprägt und ihn im Prinzip | |
um seine Lorbeeren gebracht. | |
Wieso schweigt er dazu? | |
Henson wurde 1866 geboren, kurz nach dem Ende der Sklaverei, also kann man | |
davon ausgehen, dass das Herr-Sklave-Denken sowohl in ihm als auch in Peary | |
noch stark verankert war. Er scheint ein demütiger Mensch gewesen zu sein, | |
der gar nicht wertgeschätzt hat, was er geleistet hat und ist schließlich | |
verarmt in New York gestorben. Ich wollte einfach wissen, wie so ein Typ | |
tickt und die weißen Flecken in seiner Biografie soweit es geht füllen. | |
„Packeis“ wurde gerade für den Max-und-Moritz-Preis nominiert, den | |
wichtigsten deutschen Comic-Preis. | |
Das freut mich besonders! Mal schauen, ob es was bringt. | |
Ihr Debüt „drüben!“, in dem Sie über die Ausreise Ihrer Eltern aus der D… | |
Anfang der 80er erzählen, wurde 2010 für den Jugendliteraturpreis nominiert | |
und ging leer aus. | |
Stimmt, aber das war spannend. In dem Jahr waren in drei Kategorien Comics | |
nominiert, was schon eine Aha-Sache war, weil man Comics bisher nur mit der | |
Kneifzange angefasst hat. Krass war, dass es Buh-Rufe gab, als auch der | |
zweite Comic gewann. | |
Wieso gebuht? | |
Der Jugendliteraturpreis ist in Deutschland der einzige staatliche Preis | |
für Literatur und bisher eine eher konservative Veranstaltung. Und ich | |
glaube, wenn mit „drüben!“ dann auch noch in einer dritten Kategorie ein | |
Comic gewonnen hätte, wäre da vielleicht eine kleine Revolte ausgebrochen. | |
Comics dümpeln also trotz einiger Erfolge immer noch in einer abseitigen | |
Nische herum? | |
Ich habe schon das Gefühl, dass es dem deutschen Comic noch nie so gut ging | |
wie jetzt, auch wenn man immer noch manchmal in die Spiderman-Kinderecke | |
geschoben wird. | |
Aber Tiere und Superhelden sind schon das, was die meisten klassischerweise | |
mit Comic verbinden. | |
Und es gibt auch große Anfeindungen von den Comic-Nerds, die die | |
Asterix-Sammlung in der Schweinslederausgabe haben und jedes Superman-Heft | |
laminieren, weil sie fürchten, dass ihnen das Zusammensitzen, Bier trinken, | |
Pizza essen und über ihre Heftchen reden kaputtgemacht wird, wenn Comics | |
anspruchsvoll und im Feuilleton besprochen werden. Was merkwürdig ist, denn | |
die gleichen Leute habe vor zehn Jahren noch gejammert, dass der Comic in | |
Deutschland nicht akzeptiert wird. Und wo es langsam passiert, wollen sie | |
es nicht. | |
Was ist das Problem des Comics? | |
Ein Beispiel: Der erste Film von 1903 – „Great Train Robbery“ – ist ein | |
Western und etwa zur gleichen Zeit entstehen die ersten Comics in den | |
Sonntagszeitungen. Der Film hat die Emanzipation aber recht schnell | |
geschafft und heute würde niemand sagen: Film kann nur Western! Aber der | |
Comic wird in den Augen der Öffentlichkeit nur als Genre und nicht als | |
Medium wahrgenommen und kann vermeintlich immer noch nur lustige | |
Tiergeschichten erzählen. | |
Was würden Sie sich denn wünschen? | |
Bei Filmen kann die Rezension der großen Fellini-Retrospektive direkt neben | |
der des letzten großen Blockbusters stehen. Warum kann nicht auch ein | |
ernsthafter Comic-Stoff wie „Ein Vertrag mit Gott“ von Wili Eisner über das | |
jüdische Leben im Brooklyn der 30er Jahre ebenso besprochen werden wie ein | |
Elfencomic, wo dann gesagt wird, der ist zwar stumpf, aber super | |
unterhaltend? Aber soweit sind wir noch lange nicht. | |
17 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
## TAGS | |
Französischer Comic | |
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