| # taz.de -- Gentechnik kapituliert vor Käfer: Don't mess with god | |
| > Eigentlich sollte genveränderter Monsanto-Mais nicht vom Maiswurzelbohrer | |
| > befallen werden. Doch der Schädling hat Resistenzen entwickelt. | |
| Bild: Die krabbelnden Kollegen sind knallhart drauf – und resistent gegen gif… | |
| WASHINGTON taz | Der 1-Milliarde-Dollar-Käfer ist zurück: In mindestens | |
| vier Staaten der USA fressen sich Larven des Maiswurzelbohrers wieder durch | |
| die Wurzeln von Maispflanzen aus den Laboren von Monsanto. Nur neun Jahre | |
| nach der Markteinführung der transgenen Maissorte MON 863 haben die | |
| Schädlinge eine Resistenz gegen das von der Pflanze produzierte Gift | |
| entwickelt. | |
| Der Westliche Maiswurzelbohrer, der im erwachsenen Zustand 3 Millimeter | |
| groß wird, ist der Albtraum eines jeden Maisbauern. Als Larven zerstören | |
| die Tiere die Wurzeln der Maispflanzen, wodurch die Pflanzen austrocknen | |
| und abbrechen. Die ausgewachsenen Käfer fressen an den Blättern und an den | |
| Härchen des Maiskolben weiter. Die Schäden durch Ernteausfälle und die | |
| Kosten für Insektizide betrugen in manchen Jahren 1 Milliarde Dollar. | |
| Dagegen hatte Monsanto den Bauern Abhilfe versprochen. Seine Maissorte, in | |
| die ein Gen der Bakterie Bacillus thuringiensis eingebaut ist, produziert | |
| ein giftiges Protein namens Cry3Bb1, das die Insekten bekämpfen soll. | |
| Dadurch soll der Einsatz von Pflanzengiften überflüssig werden und der | |
| Ertrag steigen. | |
| Für Monsanto war MON 863 ein Erfolg: Nach Angaben des Konzerns ist der | |
| giftproduzierende Mais im vergangenen Jahr auf rund 15 Millionen Hektar | |
| Mais angebaut worden. Die überwiegend für Treibstoff und als Viehfutter | |
| genutzte Maisproduktion der USA stammt inzwischen zu 94 Prozent aus | |
| genmanipulierten Pflanzen – darunter eine Mehrzahl aus dem Hause Monsanto. | |
| ## Versagen der Wirksamkeit | |
| Vor einem Versagen der Wirksamkeit warnte als Erstes die Iowa State | |
| University: Im vergangenen Jahr berichtete sie, dass Maiswurzelbohrer | |
| Resistenzen gegen den Monsanto-Mais entwickelt haben. In diesem Jahr sind | |
| die Schädlinge noch stärker aufgetaucht – und zugleich einen Monat früher | |
| als zuvor: in Illinois, in Iowa, in Nebraska und in Minnesota. | |
| Im Cass County, 320 Kilometer südwestlich von Chicago, fand | |
| Insektenforscher Michael Gray schon Anfang Juni eine „enorme Zahl“ von | |
| Schädlingen im transgenen Mais. Auf Anfrage der taz äußerte sich Monsanto | |
| nicht zu den Resistenzen. Gegenüber Bloomberg-News erklärte eine Sprecherin | |
| des Konzerns, es handele sich um eine „einzigartige Situation, in der die | |
| umgebenden Felder wenig oder gar keinen Schaden haben“. | |
| Sie wies auch darauf hin, dass „weniger als 0,2 Prozent“ der mit dem | |
| transgenen Mais bebauten Fläche befallen seien. Doch Fachleute befürchten, | |
| dass die Resistenz weiter wachsen wird. Dafür sind die Bauern | |
| mitverantwortlich. Die Resistenzen sind in Anbaugebieten aufgetaucht, wo | |
| „ziemlich genau das geschah, was vermieden werden sollte“, sagt der auf | |
| Maiswurzelbohrer spezialisierte Insektenforscher Joe Spencer von der | |
| Universität Illinois. | |
| Die Bauern haben jahrelang immer wieder ausschließlich Mais auf ihren | |
| Feldern angebaut, statt ihn mit anderen Pflanzen zu alternieren, um den | |
| Lebenszyklus von Maiswurzelbohrern zu unterbrechen. Joe Spencer vermutet | |
| auch, dass Bauern an der Größe der „Refugien“ in ihren Feldern gespart | |
| haben könnten. Diese Flächen mit konventionellem Mais inmitten von Feldern | |
| mit transgenem Mais sind nötig, damit genügend herkömmliche | |
| Maiswurzelbohrer überleben. | |
| ## Kein Weg zurück | |
| Diese sollen sich mit resistent gewordenen Tieren fortpflanzen, um so | |
| generelle Resistenz zu verhindern. Denn wenn eine Resistenz erst einmal | |
| etabliert ist, gibt es keinen Weg zurück. So sind heutige Generationen von | |
| Maiswurzelbohrern immer noch resistent gegen Insektizide, die längst nicht | |
| mehr eingesetzt werden. | |
| Ursprünglich hatte die Umweltbehörde EPA verlangt, dass 20 Prozent der | |
| Anbaufläche für Refugien reserviert werden. Doch in diesem Frühjahr | |
| erklärte das Journal of Economic Entomology, dass sie 50 Prozent der | |
| Anbaufläche betragen müssen. Denn der Maiswurzelbohrer habe „im Labor, im | |
| Treibhaus und auf dem Feld schnell Resistenzen entwickelt“. | |
| Monsanto hat sich die 50-Prozent-Empfehlung bereits zu eigen gemacht. | |
| Zusätzlich rät der Konzern den Maisbauern auf seiner Webseite, dass sie | |
| eine Rotation mit anderen Feldfrüchten praktizieren oder zusätzlich zu dem | |
| transgenen Mais wieder Insektizide benutzen sollen. Für Monsanto wäre | |
| beides kein Verlust: Sowohl das Ersatzsaatgut als auch die Insektizide hat | |
| der Konzern im Sortiment. | |
| 12 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
| ## TAGS | |
| USA | |
| Artenvielfalt | |
| Verbraucherschutz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Insekteninvasion in den USA: Sie wollen immer nur Sex | |
| Viele Jahre verbringen sie unter der Erde, dann schlüpfen Milliarden | |
| Zikaden gleichzeitig und wollen sich schnellstens paaren. Aber die | |
| „Magicicadas“ können noch viel mehr. | |
| Neue Arten in Deutschland: Fauna mit Migrationshintergrund | |
| Fast alle der über 800 neuen Tier- und Pflanzenarten, die sich in | |
| Deutschland angesiedelt haben, sind harmlos. Manche gefährden jedoch das | |
| Ökosystem. | |
| Verbraucherinformation beim Einkauf: App gegen Gentechnik | |
| Mittels Barcode-Scan erfährt der Käufer, ob ein Produkt ohne | |
| genmanipulierte Bestandteile auskommt. Nicht immer kann die App | |
| weiterhelfen – aber sensibilisieren. | |
| Verurteilt wegen Pestizid-Einsatzes: Die Giftspritzer von Córdoba | |
| Erstmals hat ein lateinamerikanisches Gericht Strafen wegen des Einsatzes | |
| von Pestiziden verhängt. Vielen Betroffenen ist das Urteil viel zu milde – | |
| ihre Kinder starben an Krebs. | |
| Paraguay setzt auf Monsanto: „Anschlag auf die indigene Kultur“ | |
| Die Saatgutkonzerne profitieren vom Putsch in Paraguay, denn die Behörden | |
| lassen eine Genpflanze nach der anderen zu. Die Kleinbauern fürchten den | |
| Genmais. | |
| Import manipulierter Nahrung: „Einwandfreie“ Gentech-Lebensmittel | |
| Die Lobby will mehr genetische Verunreinigungen in Obst, Gemüse und | |
| Getreide zulassen, weil die Alternative „ethisch unvertretbar“ sei. Ein | |
| zweifelhaftes Argument. | |
| Kommentar Gentechnik in Lebensmitteln: Aus den Augen, aber auf dem Teller | |
| Gentechnisch veränderte Pflanzen wird es auf deutschen Äckern bald nicht | |
| mehr geben. Im Essen landen sie trotzdem – und zwar unerkannt. Es fehlt | |
| eine Kennzeichnung. | |
| Felder mit veränderten Pflanzen zerstört: Der vorletzte Gentechnik-Acker | |
| Nach Anbauverboten und der Zerstörung von Pflanzungen gibt es bundesweit | |
| noch maximal zwei Gentechnik-Felder. Die Angaben von Betreibern und | |
| Aktivisten gehen auseinander. | |
| Genmanipulierte Kuhmilch: Euter statt Brust | |
| Wissenschaftler haben in Argentinien eine Kuh geschaffen, deren Milch der | |
| menschlichen sehr nahe kommt. Manipulationen an anderen Tieren sind fast | |
| zulassungsreif. | |
| Protest mit Erfolg: Kein gutes Feld für Gen-Forscher | |
| Ackerbesetzungen und Negativimage beim Verbraucher: Gentechnik in | |
| Deutschland hat es schwer. Dennoch wollen Konzerne nicht auf diese | |
| Technologie verzichten. | |
| Europa-Urteil zu Saatgut: Unfreie Saat | |
| Der Handel mit den Samen alter Pflanzensorten bleibt mit dem EU-Urteil | |
| weiter eingeschränkt. Die französischen Kläger hatten auf eine Aufhebung | |
| des Verbots gehofft. | |
| Wissenschaftler über Gentechnik: „Soja erhöht das Allergierisiko“ | |
| Christoph Then vom gentechnikkritischen Institut Testbiotech über | |
| veränderte Sojabohnen, Pflanzenschutzmittel und die derzeitige | |
| Zulassungspraxis. | |
| Freisetzung veränderter Pflanzen: Gentechsoja auf EU-Feldern | |
| Monsanto will jetzt seine herbizidresistente Gentechsoja auch in der EU | |
| anbauen lassen. Die Europäische Lebensmittelbehörde hat schon ihr Okay | |
| gegeben. | |
| Imker ohne Schutz vor Gentechnik: Getunter Blütenstaub bleibt kleben | |
| Imker müssen selbst darauf achten, dass ihre Bienen keinen Pollen von | |
| genmanipulierten Pflanzen sammeln. Das hat der bayerische | |
| Verwaltungsgerichtshof entschieden. |