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# taz.de -- Genmanipulierte Kuhmilch: Euter statt Brust
> Wissenschaftler haben in Argentinien eine Kuh geschaffen, deren Milch der
> menschlichen sehr nahe kommt. Manipulationen an anderen Tieren sind fast
> zulassungsreif.
Bild: Argentinische Forscher haben das Erbgut einer geklonten Kuh verändert.
BERLIN taz | Rein äußerlich ist nichts zu sehen. Die argentinische Milchkuh
Rosita sieht aus wie jedes andere Exemplar der hellbraunen Jersey-Rasse.
Doch die Milch, die sie gibt, ist einzigartig: Sie soll der menschlichen
Muttermilch nahekommen. Forscher der Universität San Martín in Argentinien
haben gemeinsam mit dem Nationalen Institut für Agrartechnologie zwei Gene
im Erbgut des geklonten Tieres verändert.
Das Ergebnis: Die Milch soll zwei Proteine enthalten, die ein wesentlicher
Bestandteil der menschlichen Muttermilch sind. „Die Proteine Lactoferin und
Lysozym des Menschen haben unter anderem antibakterielle Funktionen. Sie
sind für die Eisenaufnahme zuständig und verbessern das Immunsystem“, sagt
Adrián Mutto, Leiters des Labors für Reproduktion der Universität.
Seit 1998 forschen die Wissenschaftler an dem Projekt, begonnen hatten sie
mit Ziegen. „Interessant könnte die Milch für Kinder sein, die keine Milch
von ihrer Mutter bekommen können, weil sie beispielsweise HIV-positiv ist“,
sagte der Rektor der Universität, Carlos Ruta kürzlich in einem
Fernsehinterview.
Das argentinische Projekt ist nicht das erste, das Kühe als Produzenten für
menschliche Muttermilch nutzen will: Bereits vor einem Jahr meldeten
Wissenschaftler der Universität Peking, sie hätten Kühe der Holstein-Rasse
so gentechnisch verändert, dass sich die Zusammensetzung der Proteine in
ihrer Milch der menschlichen annähert.
## Erste Versuche in den 90er Jahren
Erste Versuche gehen zurück in die 90er Jahre, als ein niederländischer
Babynahrungsproduzent Gen-Experimente zur Bildung von Muttermilcheiweiß bei
Rindern unterstützte – das Projekt wurde auf Druck von Tierschützern
gestoppt.
Dass die Forscher gerade in Argentinien mit gentechnisch veränderten Tieren
experimentieren, ist also kein Zufall: Auch beim Anbau von Pflanzen sind
gentechnisch veränderte Organismen weit verbreitet, vor allem bei Getreide
und Soja, bei denen der Anteil fast hundert Prozent beträgt. Über das Labor
oder die Weide hinausgekommen ist allerdings noch keines der
Milch-Projekte.
„Diese Muttermilch-Geschichten sind eher PR-Nummern, als dass dabei
tatsächlich ein Produkt raus kommt“, sagt Christoph Then vom
gentechnik-kritischen Institut Testbiotech. Es scheitere schon daran, dass
die Bevölkerung solche Produkte nicht annehme. „Welche Eltern werden ihrem
Kind Milch einer gentechisch veränderten Kuh geben?“, fragt auch Andreas
Bauer-Panskus von epi-gen.
Zweites Hindernis wäre die Produktion. Die Forscher wollen die Kuh im
nächsten Schritt mit einem männlichen Tier der gleichen Rasse kreuzen – und
dann analysieren, welche Nachkommen die gentechnische Veränderung ebenfalls
tragen.
## Einfach züchten
Damit könnte man, so die Idee der Forscher, die Kühe in Zukunft einfach
züchten und müsste sie nicht mehr im aufwändigen Verfahren klonen. Denn das
ist ziemlich aufwändig: Beim Klonen stirbt ein großer Teil der Tiere
bereits im Embryonenalter. „Doch es ist nicht ausgemacht, dass die
Eigenschaften stabil weitervererbt werden“, sagt Christof Potthof vom
Gen-ethischen Netzwerk.
Indes: Komplett irreal ist der Verkauf von Produkten gentechnisch
veränderter Tiere nicht. Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat
bereits Richtlinien entwickelt, wie die Sicherheit gentechnisch veränderter
Tiere zu bewerten ist. Und in den USA stehen gentechnisch veränderte Lachse
kurz vor der Marktzulassung.
Eine Gefahr für die Umwelt, wie bei der Aussaat gentechnisch veränderter
Pflanzen, die sich mit Pflanzen in der Umgebung kreuzen, sieht Potthof im
Falle der Kühe nicht. Sollte eines Tages tatsächlich ein Produkt von
gentechnisch veränderten Tieren die Marktreife erlangen, sei eher der
Verbraucherschutz das Problem: Denn der wisse bei einer fehlenden
Kennzeichnung nicht, ob er zu einem Produkt ohne oder mit gentechnisch
veränderten Bestandteilen greife.
„Was aber in der ganzen Debatte fehlt, ist die ethische Komponente“, sagt
Then. Die Frage, ob es in Ordnung sei, derart in den Organismus und damit
in das Leben von Tieren einzugreifen.
23 Jul 2012
## AUTOREN
Svenja Bergt
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