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# taz.de -- Paraguay setzt auf Monsanto: „Anschlag auf die indigene Kultur“
> Die Saatgutkonzerne profitieren vom Putsch in Paraguay, denn die Behörden
> lassen eine Genpflanze nach der anderen zu. Die Kleinbauern fürchten den
> Genmais.
Bild: Fiese Mais-Fratze: Stop GMOs (genetically modified organisms)!
BUENOS AIRES taz | Paraguay wird gentechnisch aufgerüstet. Wer auch immer
hinter dem kalten Putsch Ende Juni gegen Präsident Fernando Lugo stand –
Monsanto und Co. stehen auf jeden Fall auf der Gewinnerseite der
politischen Wende. Seither herrscht nämlich für die Multis der
Gentechnikbranche bei den Zulassungsbehörden ein permanenter Tag der
offenen Tür.
Gleich vier Saatguthersteller drängen derzeit auf die Zulassung ihrer
gentechnisch veränderten Maiskörner. Monsanto ist mit seinem Mais VT3Pro
bisher am weitesten vorangekommen. Anfang August erteilte das
Gesundheitsministerium in Asunción die Zulassung des Genmaises für den
menschlichen Verzehr. Jetzt geht der Antrag zur Comisión Nacional de
Bioseguridad (Combio) und von dort zum Landwirtschaftsministerium. Es ist
nur noch eine Frage der Zeit, bis Genmais in Paraguay erstmals offiziell
zugelassen wird.
Paraguay ist ein großer Maisproduzent: Als Exporteur liegt das Land an
neunter Stelle der Weltrangliste. Auf 700.000 Hektar werden 3,1 Millionen
Tonnen Mais mit traditionellem Saatgut produziert. Allerdings sind diese
Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Bereits heute wird rund die Hälfte der
Maisernte mit gentechnisch verändertem Saatgut produziert, so Tomás Zayas
von der Asagrapa, dem Verband der Landwirte im Bezirk Alto Paraná, denn das
Saatgut ist leicht ins Land zu schmuggeln.
„Bald kann Monsanto sein Saatgut legalisieren und in aller Ruhe weiter
expandieren“, so Zayas. Und Paraguays Kleinbauern befürchten, dass sich mit
der Legalisierung die Kontaminierung ihres traditionellen Saatguts durch
genmanipuliertes beschleunigt und sie ungewollt in die Abhängigkeit der
Saatgutfirmen geraten. Genmanipulierter Mais kann im Gegensatz zu
gentechnisch verändertem Soja oder Weizen nicht wieder als Saatgut
verwendet werden.
## Nahrungsmittelsouveränität in Gefahr
„Mais ist das Fundament der Ernährung unserer Bevölkerung“, sagt Zayas.
„Das ist ein Anschlag auf die Kultur der Indígenas und Campesinos und ihre
Nahrungsmittelsouveränität.“ Die Indígena- und Campesino-Organisationen
haben denn auch schon Widerstand angekündigt. Spätestens im September soll
die Protestwelle anrollen.
Gegen den kleinbäuerlichen Protest von unten setzen die großen Produzenten
auf die Durchsetzung von oben. Bestes Beispiel ist wiederum Monsanto.
Nachdem Anfang Juli Monsantos insekten- und herbizidresistente
MON531-Bollgard-Baumwolle endlich in das Register der staatlichen
Samenbehörde Senave aufgenommen wurde, beklagten sich die Bauern
bitterlich, die die Baumwolle kaufen wollten.
Das entsprechende Saatgut gebe es in der Region gar nicht zu kaufen.
Lediglich weiter entwickeltes, aber nicht zugelassenes Saatgut wäre aus den
Nachbarländern Brasilien und Argentinien zu importieren. Jetzt droht die
Hälfte der vorgesehenen Aussaat wegzubrechen.
## Umgehung der Zulassungsprozedur
Jetzt soll Paraguays neuer Präsident Federico Franco per Dekret einen
„Saatgutnotstand“ für Baumwollsamen verhängen und so den Kauf von bisher
nicht zugelassenem Saatgut erlauben. Und es scheint auch hier nur eine
Frage der Zeit, bis Franco seinen Federstrich unter ein entsprechendes
Dekret setzt. Damit wäre die sonst übliche mindestens zwei Jahre laufende
Experimentier- und Studienphase über mögliche Auswirkungen auf die
menschliche Gesundheit und Umwelt elegant ausgehebelt.
Mit alldem würde sich Paraguay in dem Prozess der fortschreitenden
Gentechnisierung der südamerikanischen Agrarproduktion lediglich hinten
anstellen. Die sich linksprogessiv gebenden Regierungen Argentiniens,
Uruguays und Brasiliens sind mit ihrer Zulassungspraxis der rechten
Regierung in Paraguay weit voraus.
15 Aug 2012
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Paraguay
Schwerpunkt Monsanto
Schwerpunkt Gentechnik
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