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# taz.de -- Die CDU will Bürgerbeteiligung in Stuttgart: Verdrehte Welt im Sü…
> Die Grünen haben in Stuttgart die Mehrheit und wollen die Bürger bei der
> Ausrichtung der Stadtwerke nicht so gern mitreden lassen. Neuerdings
> möchte das die CDU.
Bild: Bei den Protesten gegen Stuttgart 21 waren die Grünen noch für mehr Bü…
STUTTGART taz | Als das Wort „Bürgerbeteiligung“ mit dem Protest gegen das
Bahnprojekt Stuttgart 21 wieder in Mode kam, schrieben es sich
Baden-Württembergs Grüne besonders groß auf die Fahne. Knapp zwei Jahre
später allerdings gibt es Gelegenheiten, da wirkt die CDU bürgernäher.
Vor gut einem Jahr hat der Stuttgarter Gemeinderat beschlossen, ein
Stadtwerk zu gründen und die Energie- und Wasserversorgung damit selbst in
die Hand zu nehmen. Ehemalige Stuttgart-21-Gegner gründeten die
Bürgerinitiative „Kommunale Stadtwerke“. Sie wollen mitreden bei Fragen
wie: Wie stark investieren Stadtwerke in Wind-, Wasser oder Solarkraft?
Welche Rolle spielt die Rendite? Sollen sich die Stadtwerke allein um den
Betrieb des Stromnetzes bewerben, wenn 2013 die Konzessionsverträge mit dem
Versorger EnBW auslaufen?
Michael Fuchs gehört zum Vorstand der Initiative. Ein großer, schlanker
Mann mit kurz geschorenen Haaren. Er sitzt auf dem Stuttgarter Schlossplatz
und erzählt. Er habe sich mit seinen 40 Mitstreitern Gedanken gemacht, wie
die Bürger einbezogen werden könnten. Dabei seien sie auf Hans J. Lietzmann
von der Bergischen Universität Wuppertal gestoßen – und auf die von ihm
angewendete „Planungszelle“.
Der Politikwissenschaftler Lietzmann leitet die „Forschungsstelle
Bürgerbeteiligung“. Bei der Planungszelle werden per Zufallsprinzip 50
BürgerInnen ausgewählt, die an vier Tagen zusammen mit eingeladenen
ExpertInnen diskutieren sollen. Sie arbeiten in Kleingruppen, die immer
wieder neu zusammengesetzt werden. Am Ende geben sie eine Empfehlung; für
den Gemeinderat verpflichtend ist diese aber nicht.
Rheinland-Pfalz hat mit der Planungszelle 2007 eine Kommunal- und
Verwaltungsreform in Angriff genommen, Bayern 2002 den Verbraucherschutz
des Landes analysiert. Fuchs und seine Leute begeistern sich für das
Instrument und werden damit bei den einzelnen Fraktionen im Stuttgarter
Rathaus vorstellig.
## Verhaltene Resonanz bei den Grünen
Ausgerechnet bei den Grünen, so sagt Fuchs, sei die Resonanz verhalten
gewesen: „Die Grünen haben da bis heute die meisten Berührungsängste.“ D…
Initiativenvertreter hätten ihre Sätze noch nicht zu Ende gesprochen, „da
wurde das abgelehnt“. Fuchs berichtet: „Sie sagten uns, dass gern andere
Bürgerbeteiligungsverfahren angewendet werden könnten. Aber auf diese
Vorschläge warten wir bis heute.“
Der Grüne Stuttgarter Stadtrat Peter Pätzold verteidigt die Zurückhaltung:
Die Planungszelle sei nicht geeignet. Zunächst gehe es jetzt um die
Ausschreibung für den Betrieb des Stromnetzes, da gebe es „ziemlich viele
rechtliche Vorgaben“. Und: „Wir halten es für frustrierend für den Bürge…
weil er seine Ideen gar nicht einbringen kann.“ Die Konzessionsvergabe
müsse erst mal abgeschlossen sein, danach seien die Grünen aber offen für
die Planungszelle. Der Bürger könne sich dann mit der Frage beschäftigen,
welche Dienstleistung etwa ein Stadtwerk erbringen soll.
Die CDU ist da schneller. Auch sie zeigte sich zunächst zögerlich. Doch in
Stuttgart wird im Oktober ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Für die
Christdemokraten geht der parteilose Werbefachmann Sebastian Turner ins
Rennen. Er will eine „Bürgerstadt“ – und die Union die Planungszelle jet…
sofort.
„Wir möchten die Planungszelle als eines der Werkzeuge für Beteiligung in
Stuttgart verankern“, erklärte kürzlich CDU-Fraktionschef Alexander Kotz.
„Wir wissen, was die Vorzüge sind, was die Grenzen sind, und wir sind jetzt
der Meinung, dass wir mit den Stadtwerken das richtige Thema auf dem
Silbertablett haben.“
Verdrehte Welt also im Stuttgarter Rathaus? Lietzmann, der Wissenschaftler,
analysiert die Situation so: „Bürgerbeteiligung ist immer für diejenigen
schwierig, die die Mehrheit stellen.“ Und das sind im Gemeinderat die
Grünen.
15 Jul 2012
## AUTOREN
Nadine Michel
## TAGS
Schwerpunkt Stuttgart 21
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