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# taz.de -- Wenige Frauen in der Lokalpolitik: Die CDU-Chefin von Gaggenau
> Es gibt fast nur männliche Bürgermeister und auch drei Viertel der
> Lokalpolitiker sind Männer. Dorothea Maisch, CDU-Fraktionschefin in
> Gaggenau, ist da eine Ausnahme.
Bild: Weiß, wie es geht: Dorothea Maisch.
BERLIN taz | „Ich bin die absolute Quereinsteigerin“, sagt Dorothea Maisch.
2004 wurde die Augenoptikerin gefragt, ob sie nicht für die CDU für den
Gemeinderat im baden-württembergischen Gaggenau kandidieren möchte. Mit
Politik hatte sie vorher nichts zu tun. Aber die Kinder waren erwachsen und
„ich brauchte eine neue Herausforderung, das ist mein Naturell“. Also rein
in die Politik.
Frauen wie Maisch sind immer noch selten. Im Durchschnitt sind 75 Prozent
der KommunalpolitikerInnen Männer. 95 Prozent der BürgermeisterInnen sind
Männer. Es gibt ein Bündel von Erklärungen dafür: Frauen haben weniger
Zeit, weil sie sich mehr um Kinder kümmern. Frauen engagieren sich lieber
ganz konkret als im Strukturgestrüpp der Politik. Sie sind genervt von
endlosen Debatten.
Und sie sind, so heißt es in der Studie „Engagiert vor Ort“ des
Bundesfamilienministeriums, „fremd“ in der männerdominierten Politik.
Traditionell wird der männliche Machthabitus mit Politik assoziiert,
Frauen, die ähnlich auftreten, wirken merkwürdig. Teilnehmerinnen der
Studie beschrieben, wie Männer regelrecht abschalteten, sobald eine Frau
das Wort ergriff.
„Für Frauen ist Politik mit mehr Kampf und Einsatz verbunden als für viele
Männer“, so Manuela Möller von der Europäischen Akademie für Frauen in
Politik und Wirtschaft, die die Studie erstellte. Die Akademie vergibt den
Helene-Weber-Preis für besonderes Engagement in der Kommunalpolitik.
Dorothea Maisch ist eine der Preisträgerinnen.
Sie war eine von 3 Frauen in der 14-köpfigen Fraktion. Lange Sitzungen, die
in der Kneipe fortgesetzt werden, herablassende Diskussionspartner, all das
schreckte sie nicht: „Gewisse Spielregeln müssen Sie einfach erst mal
mitmachen. Sie können auch nicht in einen Fußballverein gehen und gleich
mal die Abseitsregel abschaffen.“ Im Übrigen gehe sie gern mit den Jungs
nach der Sitzung ins Restaurant, wo nicht selten die eigentliche Politik
gemacht wird.
Schräge Debatten nimmt Maisch sportlich: „Wenn der Gegner auf der
persönlichen Ebene angreift, weiß ich, ich habe gepunktet, ihm gehen die
Argumente aus. Das macht mir Spaß.“ Maisch hat ein Management-Studium
hinter sich und eine Coaching-Ausbildung. Jetzt ist sie Fraktionschefin im
Gemeinderat, sitzt im Kreistag und kandidiert 2013 für den Bundestag.
## Türhüter für die Kommunalpolitik
Die Autorinnen der Ministeriumsstudie weisen darauf hin, dass die
Ortsverbände der Parteien die „Türhüter“ (gatekeeper) für die
Kommunalpolitik sind: Sie haben es in der Hand, Frauen einzuladen und
Diskussionen zu strukturieren. In Maischs Augen ist das Haupthindernis,
dass Frauen sich den Job nicht zutrauen. Dazu komme die Diskussionskultur:
„Da müssen Sie mitspielen, sonst sind Sie sofort weg. Wenn das nicht
klappt, hilft ein Rhetorikkurs oder ein Coaching schnell weiter“, so
Maisch.
Wer aber will freiwillig Frauen fördern? Mehr KommunalpolitikerInnen, als
man denkt. Denn die Parteien haben Nachwuchsprobleme. Zudem sind auch junge
Männer von endlosen Quasselrunden nicht mehr so begeistert. „Letztendlich
muss die Kommunalpolitik sich schlicht modernisieren“, so Möller.
Der Politologe Lars Holtkamp von der Fernuni Hagen hat dafür ein einfaches
Rezept. In seiner Studie über die „Unterrepräsentanz von Frauen in der
Kommunalpolitik“ für die Heinrich-Böll-Stiftung schließt er aus der
französischen Erfahrung mit dem Parité-Gesetz, dass eine Quotierung sehr
viele Probleme auf einmal löst. Das Parité-Gesetz schreibt vor, die
Wahllisten abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen.
Stimmt die Liste nicht, darf die Partei nicht antreten oder muss Strafe
zahlen. Die Parteien hatten angegeben, dass es „nicht schwierig“ gewesen
sei, Frauen zu finden. Holtkamp schließt daraus, dass die gatekeeper nur
wollen müssen und schon sind die Frauen da: „Die Quote macht’s“, fasst er
zusammen.
Die baden-württembergische Landesregierung möchte im Herbst ein solches
Gesetz für die Kommunen vorschlagen. Dorothea Maisch ist unbedingt dafür:
„Wenn Frauen auf gute Listenplätze kommen, anstatt nur kurz für den
Wahlkampf interessant zu sein, dann werden sie auch kandidieren.“
5 Aug 2012
## AUTOREN
Heide Oestreich
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