# taz.de -- Innenminister kündigt Reformen an: Verfassungsschutz zum Liebhaben | |
> Mehr Offenheit, bessere Abläufe: Innenminister Friedrich hat eine Reform | |
> des Verfassungsschutzes angekündigt. Die Öffentlichkeit soll dem | |
> Geheimdienst wieder mehr vertrauen. | |
Bild: Minister looking at Verfassungsschutz, Verfassungsschutz looking at Journ… | |
KÖLN taz | In Zukunft wird alles besser. Das war die Botschaft, die | |
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zur Amtseinführung seines | |
neuen Mannes an der Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz am Freitag | |
in Köln verkündete. Unter der Führung von Hans-Georg Maaßen soll der | |
Inlandsgeheimdienst moderner, effektiver und transparenter werden, | |
versprach Friedrich. Was das jedoch konkret bedeutet, blieb im Nebulösen. | |
In der hochgesicherten Zentrale des Verfassungsschutzes im Kölner Stadtteil | |
Chorweiler bemühten sich Friedrich und Maaßen rund eine halbe Stunde, das | |
schwer angeschlagene Image des Dienstes wieder aufzupolieren. Das Bundesamt | |
sei eine „wichtige Säule in der Sicherheitsarchitektur“ und ein | |
„unverzichtbares Frühwarnsystem“, schwärmte Friedrich. Es habe „über | |
Jahrzehnte eine hervorragende Arbeit geleistet. Nur in der letzten Zeit sei | |
es leider nicht mehr ganz so rund gelaufen: „Dieses Amt hat Vertrauen | |
verloren in den letzten Wochen und Monaten.“ | |
Vertrauen – kaum ein Wort benutzten Friedrich und Maaßen häufiger an diesem | |
Vormittag. „Vertrauen ist die Hauptwährung der Nachrichtendienste“, sagte | |
Maaßen. „Wir brauchen das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Parlamente | |
in die Arbeit des Verfassungsschutzes.“ | |
Nach den Pannen und Skandalen im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur | |
rechtsterroristischen NSU, die seinem Vorgänger Heinz Fromm das Amt | |
kosteten, soll der 49-Jährige nun das Bundesamt für Verfassungsschutz mit | |
seinen 2.700 Bediensteten umstrukturieren und das verloren gegangene | |
Vertrauen zurückgewinnen. Er wolle „das große Schiff Verfassungsschutz“ | |
wieder „auf den richtigen Kurs“ bringen, kündigte Maaßen an. „Ich weiß, | |
dass wir eine sehr schwere Zeit im Amt vor uns haben.“ | |
Ob er der Richtige für diese Aufgabe ist? Unumstritten ist die Personalie | |
nicht. Der gebürtige Mönchengladbacher, der seit 1991 im | |
Bundesinnenministerium arbeitet, gilt zwar als brillanter Jurist, hat aber | |
auch den Ruf eines äußerst servilen Beamten und eiskalten Technokraten, der | |
willfährig und ohne moralische Skrupel ausführt, was der jeweilige | |
Dienstherr von ihm erwartet. So kritisieren Linkspartei und Grüne seine | |
Rolle in der Kurnaz-Affäre. | |
## Zynische Rechtsinterpretation | |
Im Jahr 2002 war Maaßen im Innenministerium Referatsleiter für | |
Ausländerrecht. Er legitimierte mit einem fragwürdigen Rechtsgutachten die | |
Entscheidung der rot-grünen Bundesregierung, den von den USA unschuldig | |
nach Guantánamo verschleppten Murat Kurnaz im Falle seiner Freilassung | |
nicht wieder in die BRD einreisen zu lassen. Die Aufenthaltsgenehmigung des | |
in Bremen geborenen türkischen Staatsbürgers sei erloschen, weil er sich | |
„länger als sechs Monate im Ausland“ aufgehalten habe, argumentierte Maaß… | |
damals. Dass Kurnaz gezwungenermaßen nicht fristgerecht nach Deutschland | |
zurückkehren konnte, sei ausländerrechtlich nicht entscheidend. | |
Obwohl das Verwaltungsgericht Bremen 2005 zu einem anderen Urteil kam, | |
rechtfertigt der neue Verfassungsschutzchef nach wie vor seine zynische | |
Rechtsinterpretation. Ein vergleichbarer Fall wäre heute „genauso rechtlich | |
zu bewerten wie damals“, sagte Maaßen. | |
Zuletzt Leiter der Unterabteilung Terrorismusbekämpfung im | |
Innenministerium, will Maaßen jetzt in seiner neuen Funktion erst einmal | |
eine Bestandsaufnahme vornehmen und die Defizite des Bundesamts für | |
Verfassungsschutz analysieren lassen. Ziel sei, den Dienst „so modern und | |
effektiv wie möglich aufzustellen“. Ausgebaut werden soll die | |
Zusammenarbeit zwischen den Landesämtern und dem Bundesamt. Dazu gehöre | |
auch, gemeinsame Standards bei der Führung von V-Leuten zu schaffen. Ebenso | |
müsse der Informationsaustausch mit der Polizei intensiviert werden. | |
„Mehr Transparenz“ sei oberstes Gebot für die Neuausrichtung, versprachen | |
Maaßen und Friedrich unisono. Doch eine Antwort, was das genau bedeuten | |
soll, blieben beide schuldig. Alle Vorschläge müssten geprüft werden, sagte | |
Friedrich. Allerdings habe ein Geheimdienst „natürlich nicht die | |
Möglichkeit, alles in der Öffentlichkeit zu diskutieren“, schränkte er ein. | |
10 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Pascal Beucker | |
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