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# taz.de -- Bundesbank gegen Suchtmittel: Merkels wackerer Fahnenträger
> Für Währungshüter Jens Weidmann sind Staatsanleihenkäufe der EZB
> „Drogen“. Weil sie kommen, droht er offenbar mit Rücktritt.
Bild: Verstehen sich: Der Bundesbankchef (rechts) und die Bundeskanzlerin.
BRÜSSEL/BERLIN taz | In der Eurokrise geht Deutschland auf
Konfrontationskurs zur EU. Sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch
Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) distanzierten sich am Freitag
erneut von Plänen, die die Europäische Zentralbank (EZB) und die
EU-Kommission zur Rettung der Gemeinschaftswährung vorbereiten.
EZB-Chef Mario Draghi möchte in der kommenden Woche ein neues Programm zum
Ankauf von Staatsanleihen verkünden, um angeschlagene Länder wie Spanien zu
stützen. Bundesbankchef Jens Weidmann ist jedoch strikt dagegen – und soll
aus Protest sogar über Rücktritt nachgedacht haben. Das meldete die
Bild-Zeitung unter Verweis auf nicht näher bezeichnete Finanzkreise am
Freitag.
Zwar wurden die Rücktrittspläne gestern weder bestätigt noch dementiert.
Merkel stellte sich jedoch demonstrativ hinter Weidmann, der vor dem
Wechsel nach Frankfurt ihr engster wirtschaftspolitischer Berater war.
„Bundeskanzlerin Angela Merkel stärkt Jens Weidmann als unserem
Bundesbanker den Rücken, dass er möglichst viel Einfluss innerhalb der EZB
hat“, sagte ein Regierungssprecher am Freitag in Berlin.
Die Kanzlerin telefoniere regelmäßig mit Weidmann, fügte er vieldeutig
hinzu. Offenbar wusste Merkel von Weidmanns Rücktrittsdrohung – und drängte
ihn, auszuharren. Der oberste Bundesbanker soll die deutsche Fahne
hochhalten, wenn Draghi am kommenden Donnerstag wie geplant die „Bazooka“
gegen die Krise herausholt, also das umstrittene Staatsanleihenprogramm
auflegt.
## Inflation anheizen
Während die EZB mit dem Kauf von Staatsanleihen die Zinsen für Krisenländer
am Kapitalmarkt senken will, hält Weidmann das „zu nah an einer
Staatsfinanzierung durch die Notenpresse“. Die Gefahr sei nicht zu
„unterschätzen, dass Notenbankfinanzierung süchtig machen kann wie eine
Droge“, warnte er.
Die Maßnahme könnte den Sparwillen in den Krisenländern senken und die
Inflation anheizen. Diese lag im August in der Eurozone laut
Statistikbehörde Eurostat im August bei 2,6 Prozent, moderat, aber 0,2
Prozent mehr als im Vormonat.
Ein weiteres Problem drängt Merkel: Sie will vermeiden, ein weiteres Mal
einen wichtigen Verbündeten zu verlieren. Vor einem Jahr war bereits
Weidmanns Amtsvorgänger Axel Weber zurückgetreten – ebenfalls aus Protest
gegen den EZB-Kurs. Die Bundesbank ist mit ihrem Nein zu Anleihenkäufen in
der EZB weitgehend isoliert. Selbst Jörg Asmussen, der deutsche Vertreter
im EZB-Direktorium, steht hinter Draghis Plänen.
Merkel hat einen schweren Stand, denn sie möchte die geplanten Hilfen für
Spanien von weiteren Sparauflagen abhängig machen. Die Regierung in Madrid
weigert sich jedoch bisher, einen offiziellen Hilfsantrag zu stellen.
## 6.000 Banken unter Aufsicht
Streit gibt es auch über die geplante Bankenunion. Sie war beim EU-Gipfel
im Juni beschlossen worden und soll helfen, Bankenkrisen wie derzeit in
Spanien schon im Vorfeld abzuwenden. Doch die Pläne der EU-Kommission
gefallen der Bundesregierung gar nicht. Der für die Banken zuständige
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier möchte alle über 6.000 Banken der
Eurozone unter die Aufsicht der EZB stellen.
Das lehnt Finanzminister Schäuble jedoch ab. Er fordert, nur die Großbanken
zentral überwachen lassen. Sparkassen und andere kleinere Geldinstitute
sollen hingegen weiter einer nationalen Aufsicht unterstehen. Eine
„effektive“ direkte Aufsicht aller Banken in der Eurozone sei nicht zu
leisten, sagte Schäuble der Financial Times. Barnier betonte indes erneut,
die Bankenaufsicht solle Anfang 2013 stehen.
31 Aug 2012
## AUTOREN
Eric Bonse
Anja Maier
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