| # taz.de -- Konflikt Armenien-Aserbaidschan: Blumen für den Axtmörder | |
| > Der Aserbaidschaner Ramil Safarow hat einen Armenier ermordet. Das | |
| > Urteil: Lebenslänglich. Jetzt ist er ein freier Mann – nach nur acht | |
| > Jahren Haft. | |
| Bild: Die Freilassung Ramil Safarows heizt den Konflikt zwischen den beiden Kau… | |
| BERLIN taz | Es war ein Willkommensfest für einen Volkshelden: Bei der | |
| Ankunft von Ramil Safarow auf dem Flughafen der aserbaidschanischen | |
| Hauptstadt Baku am vergangenen Freitag erwarteten den verurteilten Mörder | |
| Blumen, Fernsehkameras, jubelnde Kinder, Frauen und Männer – und ein | |
| Begnadigungserlass von Präsident Ilcham Alijew. Wenig später wurde der | |
| Oberleutnant der aserbaidschanischen Armee zum Major befördert, erhielt das | |
| Gehalt für die vergangenen acht Jahre und eine kostenfreie Wohnung. | |
| Dabei hätte Safarow eigentlich mit Handschellen im Polizeiwagen ins | |
| Gefängnis transportiert werden müssen. Denn der aus der zwischen Armenien | |
| und Aserbaidschan umstrittenen Region Berg-Karabach stammende Berufssoldat | |
| war 2006 von einem ungarischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt | |
| worden. | |
| 2004 hatte Safarow bei einem von der Nato organisierten Englischkurs in | |
| Ungarn den armenischen Leutnant Gurgen Margarian im Schlaf mit | |
| Messerstichen und einer Axt brutal ermordet. Zuvor hatte der Armenier | |
| behauptet, Berg-Karabach sei armenisch. Zudem hatte Margarian laut dem | |
| mitsamt seiner Familie aus Berg-Karabach vertriebenen Safarow eine | |
| aserbaidschanische Fahne auf den Boden geworfen und auf dieser | |
| herumgetreten. | |
| Angesichts der außerordentlichen Brutalität der Tat hatte das ungarische | |
| Gericht bei Safarows Verurteilung angeordnet, der Mörder dürfe frühestens | |
| nach 30 Haftjahren begnadigt werden. Vor der Auslieferung nach | |
| Aserbaidschan am vergangenen Freitag hatte die Regierung in Baku den | |
| Behörden Ungarns schriftlich versichert, die Freilassung eines zu | |
| lebenslanger Haft Verurteilten vor Ablauf von 25 Jahren käme nicht infrage. | |
| Stattdessen konnte Safarow vom Flughafen aus mit einem Strauß Blumen in der | |
| Hand nach Hause fahren. | |
| ## Medien bejubeln die Begnadigung | |
| Viele Medien in Aserbaidschan berichten überschwänglich über die | |
| Begnadigung. Die Armenier hätten „endlich ja mal richtig eins auf die Nase | |
| bekommen“, so das ansonsten nüchterne Internetportal [1][analitika.az]. | |
| „Denken sie an die hunderte, tausende Opfer des armenischen Terrorismus“, | |
| hieß es in dem namentlich nicht gezeichneten Beitrag. | |
| Aserbaidschan habe im Fall Safarow gezeigt, dass es auch als kleiner Staat | |
| in der Lage sei, einen seiner Offiziere „rauszuholen“. Der armenische | |
| Präsidenten Sersch Ssargsjan solle den Tag fürchten, „an dem ein starkes | |
| Aserbaidschan alle die bestrafen werde, die Verbrechen gegen | |
| Aserbaidschaner begangen haben“. | |
| Auch das offizielle Aserbaidschan zeigte sich begeistert. Gegenüber dem | |
| Internetportal [2][1news.az] lobt Nowrus Mamedow, Leiter des | |
| Auslandsreferats des Präsidenten, Ramil Safarow über den grünen Klee. | |
| Dieser sei Bürger und Offizier eines Landes, das zum Teil besetzt sei. Es | |
| sei nun einmal die Hauptpflicht eines Offiziers, seine Heimat zu | |
| verteidigen. Oberleutnant Safarow habe in seiner Kindheit mit ansehen | |
| müssen, wie nahe Verwandte von Armeniern ermordet worden seien. | |
| In Ungarn habe ein Armenier alles getan, um Safarow aus der Fassung zu | |
| bringen und ihn zu einer Affekthandlung zu verführen. Im Gefängnis selbst, | |
| so Mamedow, habe sich Safarow vorbildlich verhalten, mehrere Bücher | |
| geschrieben, Ungarisch gelernt, ungarische Literatur ins Aserbaidschanische | |
| übersetzt. Der norwegische Terrorist Breivik habe für den Mord an 77 | |
| Menschen eine Strafe von 21 Jahren erhalten. Das seien gerade einmal drei | |
| Monate für jeden Ermordeten. | |
| ## Die Begnadigung ist eine Schande | |
| Andere Aserbaidschaner dagegen sehen in der Heroisierung Safarows eine | |
| „Schande“. „Die Begnadigung ist ein Zug in einem sehr hässlichen | |
| geopolitischen Spiel gegen Aserbaidschan“, empört sich etwa Arsu | |
| Abdullajewa, Vorsitzende der aserbaidschanischen Sektion der Helsinki | |
| Citizens Assembly. | |
| „Es ist eine Schande, dass unsere Regierung und viele Medien einen Mann | |
| heroisieren, der einen Schlafenden getötet hat. Die Entscheidungsträger | |
| hätten wissen müssen, dass man einen derart traumatisierten Menschen nicht | |
| einfach unvorbereitet auf eine Fortbildung schicken darf, an der auch | |
| Armenier teilnehmen. Ich weiß von vielen unserer Soldaten, die das Gespräch | |
| mit armenischen Soldaten suchen, die gemeinsam mit ihren Feinden | |
| aufarbeiten wollen, was im Krieg passiert ist. Das sind für mich Helden.“ | |
| Der Konflikt um Auslieferung und Begnadigung Safarows hat den | |
| Karabach-Konflikt mit einem Schlag wieder auf die internationale | |
| Tagesordnung gebracht. US-Präsident Obama sei angesichts der Begnadigung | |
| sehr beunruhigt, so Tommy Vietor, Sprecher des Weißen Hauses. Die | |
| Vorsitzenden der Minsk-Gruppe hatten sich Anfang des Monats mit den | |
| Außenministern Armeniens und Aserbaidschans zu getrennten Gesprächen in | |
| Paris getroffen. Die Gruppe, deren Vorsitz sich Frankreich, Russland und | |
| die USA teilen, bemüht sich für die OSZE um eine Annäherung der Seiten im | |
| Karabach-Konflikt. | |
| Die Konferenz der Blockfreien betont in ihrem Abschlussdokument der | |
| Teheraner Konferenz die Wichtigkeit einer Lösung des Karabach-Konflikts | |
| unter Wahrung der territorialen Integrität Aserbaidschans. Die Europäische | |
| Union rief beide Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf und erklärte, die | |
| EU sei über die Begnadigung Safarows „besorgt“. | |
| 4 Sep 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://analitika.az/ | |
| [2] http://1news.az/ | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Clasen | |
| ## TAGS | |
| Aserbaidschan | |
| Armenien | |
| Armenien | |
| Schwerpunkt Eurovision Song Contest | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Autor über Aserbaidschans Politik: „Bei uns herrscht Korruption“ | |
| Rustam Ibragimbekov will bei den Präsidentenwahlen gegen den autoritären | |
| Staatschef Ilham Alijew kandidieren. Doch ob er antreten darf, ist unklar. | |
| Präsidentenwahl in Armenien: Unfaire Wahlen | |
| In Armenien ist Präsident Sarkisjan für eine weitere Amtszeit bestätigt | |
| worden. Bei geringer Wahlbeteiligung schlug er alle anderen Mitbewerber aus | |
| dem Feld. | |
| Kommentar Armenien: Mit Sicherheit der falsche Mann | |
| Systematische Wahlfälschungen gab es auch diesmal bei der Präsidentenwahl | |
| in Armenien. Der neue Präsident ist für die aktuellen Probleme der falsche | |
| Mann. | |
| Populismus in Aserbaidschan: „Das war ein Affenzirkus“ | |
| Der aserbaidschanische Exilpolitiker Alakbarow über die Begnadigung von | |
| Rafil Safarow, der bei einem Nato-Kurs in Ungarn einen Armenier mit einer | |
| Axt erschlug. | |
| Aserbaidschan begnadigt Mörder: Schadensbegrenzung in Budapest | |
| Die ungarische Regierung pocht im Fall des ausgelieferten | |
| aserbaidschanischen Mörders Ramil Safarow auf die Einhaltung des | |
| Völkerrechts. | |
| Aserbaidschan begnadigt Mörder: Ein Schock für Jerewan | |
| Regierung und Öffentlichkeit in Armenien reagieren wütend auf die | |
| Freilassung des verurteilten Mörders Ramil Safarow. Protestiert wird gegen | |
| Ungarn. | |
| Kommentar Aserbaidschan-Armenien: Erneute Kriegsgefahr im Kaukasus | |
| Nach der Freilassung Ramil Safarows steht die Situation im Kaukasus auf der | |
| Kippe. Gut, dass der Konflikt die Aufmerksamkeit des Westens hat. | |
| Kommentar Grenzkonflikt im Sükaukasus: Wachsende Kriegsgefahr | |
| Nach den tödlichen Schusswechseln an der Grenze zwischen Armenien und | |
| Aserbaidschan sind die OSZE und die Zivilgesellschaft in beiden Ländern | |
| gefordert. | |
| Politische Lage in Aserbaidschan: Petrokratie in Familienbesitz | |
| Das ölreiche Aserbaidschan wird von einer undemokratischen und korrupten | |
| Elite rund um den Clan von Präsident Alijew regiert. Daran ändert auch der | |
| ESC nichts. | |
| Wahlen in Armenien: Armdrücken für ein blühendes Armenien | |
| Interessiert sich auch jemand für die Wahlen in Armenien? Im Prinzip ja! | |
| Der Millionär und Meister im Armdrücken Gagik Zarukjan will Präsident | |
| werden. | |
| Armenien vor den Wahlen: „Keine Stimme fürs kriminelle Regime!“ | |
| Kurz vor den Parlamentswahlen am Sonntag nimmt die Gewalt zu. Die | |
| Unterscheidung zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien wird immer | |
| schwieriger. |