# taz.de -- Armenien vor den Wahlen: „Keine Stimme fürs kriminelle Regime!“ | |
> Kurz vor den Parlamentswahlen am Sonntag nimmt die Gewalt zu. Die | |
> Unterscheidung zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien wird immer | |
> schwieriger. | |
Bild: Nach den letzten Wahlen 2008 kam es zu Protesten der Opposition in der Ha… | |
BERLIN taz | Nach dem 6. Mai wird Armenien ein Paradies auf Erden. Derlei | |
Versprechen hören die Menschen in der Kaukasusrepublik mit 3,3 Millionen | |
Einwohnern seit fast vier Wochen. Jeden Tag sprechen Politiker auf | |
Versammlungen unter einem Motto wie: „Zusammen versetzen wir Berge!“ oder | |
„Wir müssen daran glauben, damit sich etwas verändert!“ | |
Je näher die Parlamentswahl vom Sonntag rückt, desto intensiver wird der | |
Wahlkampf. Am Donnerstag brach in der Stadt Masis eine Schießerei zwischen | |
Anhängern der beiden Regierungsparteien Republikanische Partei und | |
Blühendes Armenien aus. Am selben Tag schlugen in der Hauptstadt Jerewan | |
Aktivisten der Republikanischen Partei einen Vertreter der oppositionellen | |
Partei Erbe. | |
Um die 131 Mandate kämpfen acht Parteien und ein Bündnis. Die seit vier | |
Jahren regierende Koalition aus Republikanischer Partei, der Partei | |
Blühendes Armenien sowie der kleineren Partei Rechtsstaat hat gute Chancen. | |
Ihre Bilanz ist jedoch alles andere als beeindruckend. | |
Die Wirtschaftslage ist desolat. Jährlich kehren zehntausende Armenier | |
ihrer Heimat für einige Monate den Rücken, um im Ausland zu arbeiten. Nach | |
amtlichen Angaben betrug das monatliche Durchschnittseinkommen im Jahr 2011 | |
umgerechnet 220 Euro, Renten lagen bei 52 Euro, knapp 50 Prozent des | |
Existenzminimums. Die Einkommen steigen zwar, die Preise aber auch. | |
## Krankenhausbesuche und Kinderkriegen kostet nichts | |
Als Erfolg reklamiert die Regierung für sich, dass der Besuch einer | |
Poliklinik sowie Entbindungen kostenlos sind. Und ein Hauptgrund für die | |
wirtschaftliche Misere ist die Isolation des Landes von seinen Nachbarn | |
Aserbaidschan und Türkei wegen des ungelösten Konflikts um Berg-Karabach | |
und wegen des Streits über die Anerkennung des türkischen Genozids an den | |
Armeniern im Jahr 1915. | |
Eine wirkliche Alternative zur Regierung auszumachen, ist schwierig. Alle | |
Parteien wollen gegen Korruption kämpfen und mehr Arbeitsplätze mit | |
angemessenen Löhnen schaffen. „In Armenien ist es kompliziert, zu | |
definieren, wer Opposition ist“, sagt Manvel Sargsyan, Direktor des | |
Jerewaner Forschungsinstituts für nationale und internationale Studien. | |
## Oppositionsbündnis nennt das Regime „kriminell“ | |
So kritisiert das Oppositionsbündnis Armenischer Nationalkongress unter dem | |
ersten Präsidenten des unabhängigen Armeniens, Levon Ter-Petrosyan, die | |
Regierung unter dem Motto: „Keine Stimme für das kriminelle Regime!“ | |
Gleichzeitig verhandelt Ter-Petrosyan angeblich über eine mögliche | |
Regierungsbeteiligung nach den Wahlen. Dies hänge damit zusammen, dass kein | |
Politiker an freie und faire Wahlen glaube, sagt Sargsyan: „Deshalb suchen | |
die Parteien nach alternativen Wegen, um ins Parlament zu kommen.“ | |
Laut Umfragen wollen 37 Prozent der Wähler definitiv nicht wählen gehen. | |
Nur 27 Prozent wollen abstimmen und wissen bereits, für wen. | |
4 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Tigran Petrosyan | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Eurovision Song Contest | |
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