# taz.de -- Genozid an Armeniern: Leugnung in Frankreich künftig verboten | |
> Mit großer Mehrheit ist dem umstrittenen Gesetzentwurf zur Armenier-Frage | |
> in Paris zugestimmt worden. Die Türkei zog daraufhin ihren Botschafter ab | |
> und legte Militärkooperation auf Eis. | |
Bild: Trotz der Proteste türkischstämmiger Franzosen und Migranten wurde das … | |
PARIS afp | Eiszeit zwischen Paris und Ankara: Die Türkei hat am Donnerstag | |
aus Protest gegen einen Gesetzentwurf zur Armenierfrage ihren Botschafter | |
aus Frankreich abgezogen und die politische und militärische Kooperation | |
gestoppt. Die Nationalversammlung in Paris hatte kurz zuvor mit | |
überwältigender Mehrheit einem Gesetzentwurf zugestimmt, durch den das | |
Leugnen des "Völkermordes" an den Armeniern unter Strafe gestellt wird. | |
Per Handheben stimmten die meisten französischen Parlamentarier für die | |
Vorlage einer Abgeordneten der konservativen Regierungsmehrheit, nur eine | |
Handvoll Abgeordneter votierte dagegen. Die Türkei sieht in dem Gesetz eine | |
wahltaktisch motivierte Geste des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy | |
an die etwa 500.000 armenischstämmigen Bürger in Frankreich. Sarkozy stellt | |
sich im Frühjahr zur Wiederwahl. | |
Die Reaktion aus Ankara kam wenig später: Ministerpräsident Recep Tayyip | |
Erdogan gab bekannt, dass die gegenseitigen Besuche mit Frankreich | |
eingestellt würden. Außerdem werde die Militärkooperation mit Paris auf Eis | |
gelegt, gemeinsame Manöver würden abgesagt. Er sprach von "sehr schweren | |
und irreparablen Wunden", die aufgerissen würden. | |
Der türkische Botschafter Tahsin Burcuoglu reist am Freitag aus Paris ab, | |
wie ein Sprecher der Vertretung mitteilte. Erdogan hatte Paris zuvor | |
mehrfach mit ernsten Konsequenzen gedroht, die "schrittweise" erfolgen | |
sollten. So könnten auch Sanktionen gegen französische Firmen folgen. | |
## Türkei eigentlich wichtiger Partner | |
Der Gesetzentwurf sieht bis zu ein Jahr Haft und eine Geldstrafe von 45.000 | |
Euro für das Leugnen eines gesetzlich anerkannten Völkermordes vor. Dazu | |
zählt das Massaker an den Armeniern in der Türkei in den Jahren 1915 bis | |
1917, das in Frankreich seit 2001 als Völkermord anerkannt ist. Armenien | |
und ein Großteil der internationalen Wissenschaft gehen von 1,5 Millionen | |
Toten aus. Die Türkei weist den Vorwurf des Völkermordes zurück und setzt | |
die Opferzahl mit 500.000 Menschen wesentlich niedriger an. | |
Der Gesetzentwurf ist auch in Frankreich nicht unumstritten. Kritiker | |
argumentieren, historische Diskussionen und Meinungsäußerungen sollten | |
nicht unter Strafe gestellt werden. Außenminister Alain Juppé zeigte sich | |
eher distanziert, Verteidigungsminister Gérard Longuet machte seine | |
abweisende Haltung offen deutlich. Die Türkei gilt wegen ihrer | |
Wirtschaftskraft und ihres politischen Gewichts in der Region als wichtiger | |
Partner. | |
Der armenische Außenminister Edward Nalbandian dankte indes Frankreich für | |
den Beschluss. Damit habe das Land ein weiteres Mal seinen Einsatz für die | |
menschlichen Werte unter Beweis gestellt. Nach dem Votum in der | |
Nationalversammlung muss allerdings noch der französische Senat über das | |
Gesetz abstimmen; die Beratungen dort könnten mehrere Monate dauern. In | |
Paris hatten am Vormittag mehrere tausend Menschen gegen das Gesetz | |
protestiert. | |
22 Dec 2011 | |
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