# taz.de -- Zeitungskrise in Israel: Weniger Nachrichten, mehr Religion | |
> Israels zweitgrößte Tageszeitung droht ihre Unabhängigkeit zu verlieren: | |
> Der „Ma'ariv“ soll an einen religiösen Investor verkauft werden. | |
Bild: Kaum Hoffnung, aber Wut: Angestellte des „Ma'ariv“ demonstrieren in T… | |
JERUSALEM taz | Israels zweitgrößte Tageszeitung, dem Ma’ariv, droht das | |
Ende. Zahlungsschwierigkeiten des bisherigen Eigentümers und | |
Multimillionärs Nochi Dankner ließen die 2.000 Angestellten schon in diesem | |
Monat länger als üblich auf ihre Gehälter warten. Manch einer hofft auf ein | |
Wunder | |
„Mit vereinter Kraft ist es noch möglich“, appellierte Nir Chefetz, | |
Chefredakteur der Zeitung, gestern in dem Blatt. Nur einige hundert | |
Journalisten würde der neue Verleger Schlomo Ben-Zvi übernehmen wollen, | |
sollte der vorerst gerichtlich auf Eis gelegte Kauf der Zeitung zur | |
Umsetzung kommen. | |
Mit dem Wegfall des Ma’ariv würde nicht nur die Zeitungslandschaft | |
dramatisch ausgedünnt werden, sondern auch ein Stückchen Geschichte zu Ende | |
gehen. Der aus Leipzig stammende Esriel Carlebach gründete den Ma’ariv noch | |
vor der Staatsgründung Israels im Februar 1948. Ephraim Kishon begann | |
Anfang der 1950er Jahre beim Ma’ariv seine Laufbahn als Autor. Unter dem | |
Namen „Chad Gadja“, das Lämmchen, schrieb er damals tägliche Kolumnen. | |
## Massiver Stellenabbau | |
Vor allem linke Blätter wurden in der Vergangenheit in Israel Opfer des | |
Zeitungssterbens. Sollte der Ma’ariv ihr Schicksal teilen, blieben nur noch | |
zwei unabhängige, landesweit verbreitete hebräische Tageszeitungen übrig. | |
Die Jediot Achronot und die liberale Ha’aretz. Nach Informationen der | |
Mitarbeitervertretung bei Ha’aretz plant allerdings auch hier der Verlag | |
die Kündigung von nicht weniger als 100 JournalistInnen und offenbar eine | |
schrittweise Umstellung der Printausgabe ins Internet. | |
Spekulationen über die Zukunft des Ma’ariv sagen der Zeitung ein ganz | |
ähnliches Schicksal wie der Ha’aretz voraus. Wochentags würde man anstelle | |
des gedruckten Blattes nur noch NRG lesen können, die Onlineversion der | |
Zeitung, während die Wochenendausgaben zumindest vorerst beibehalten werden | |
sollen. Offen bleibt, ob der bisherige Stamm der Redaktion, soweit er | |
übernommen wird, von den neuen Eigentümern unbeeinflusst schreiben darf. | |
Der Verkauf des Ma’ariv an Schlomo Ben-Zvi schien schon perfekt zu sein, | |
bis ein Gericht diese Woche per einstweilige Verfügung das Geschäft für | |
einen Monat auf Eis legte. Ben-Zvi ist seit 2003 Inhaber der | |
rechtsreligiösen Zeitung Makor Rishon. 2007 kaufte er das religiöse Blatt | |
HaTsofe und reduzierte es zu einer Beilage in Makor Rishon. | |
## Geringe Überlebenschance | |
„Ben-Zvi verfolgt eine klare politische Agenda“, kommentierte Ruvik | |
Rosenthal, langjähriger Mitarbeiter des Ma’ariv, auf telefonische Anfrage. | |
„Es wäre ein großer Verlust, sollte er die Zeitung mit Makor Rishon | |
zusammenlegen.“ Die Unabhängigkeit des Ma’ariv müsse bewahrt werden, denn: | |
„Rechter Journalismus ist Nischenjournalismus.“ Gerade die Rolle der | |
Printmedien, die die „klassische journalistische Ethik“ repräsentierten, | |
empfindet der Journalist als „Basis auch für Fernsehen, Radio und Online“. | |
Rosenthal, der in 15 Jahren fünf verschiedene Chefredakteure beim Ma’ariv | |
miterlebt hat, hält die Überlebenschancen der täglichen Printausgabe für | |
gering. Israels Medien seien gegen die globalen Trends im Zeitungsgeschäft | |
nicht gefeit, meint er. Trotzdem trügen auch die Eigentümer „sehr schwer an | |
der Verantwortung für das, was hier passiert“. | |
25 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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