| # taz.de -- Debatte Palästina: Ratlos in Ramallah | |
| > Die palästinensiche Autonomiebehörde steckt in der Falle. Der Gang vor | |
| > die UN hat nicht geholfen. Die Situation droht sich weiter zu | |
| > verschlechtern. | |
| Bild: Abbas im Fernsehen bei der UN-Vollversammlung, verfolgt in Ramallah. | |
| Die Palästinenserführung steht ein Jahr nach dem Aufnahmeantrag an die | |
| Vereinten Nationen mit leeren Händen da. Die Hoffnungen auf eine staatliche | |
| Anerkennung Palästinas haben ebenso sich in Luft aufgelöst wie die auf eine | |
| nationale Versöhnung mit der Hamas. | |
| Nun wird in Ramallah gegen die Gehaltskürzungen und Steuererhöhungen, mit | |
| denen die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) gegen ihre akute Finanznot | |
| vorgehen will, demonstriert. Aber ein Ende der israelischen Besatzung ist | |
| ebenso wenig in Sicht wie ein palästinensischer Staat. | |
| Soll man sich also von der Zwei-Staaten-Konzeption verabschieden (wie Carlo | |
| Strenger, „[1][Wir haben verloren]“)? In beiden Gesellschaften wird zwar | |
| immer häufiger über eine „Ein-Staat-Lösung“ diskutiert. Doch in Palästi… | |
| und vor allem im jüdisch-zionistischen Israel ist die Vorstellung des | |
| eigenen Staates ideologisch so tief verankert, dass politische Mehrheiten | |
| für einen gemeinsamen Staat kaum vorstellbar sind. Dafür zu kämpfen würde | |
| für die Palästinenser bestenfalls einen Status als Bürger zweiter Klasse | |
| festschreiben. | |
| Die Idee des gemeinsamen Staates für Palästinenser und Israelis entspringt | |
| der Verzweiflung über das Scheitern des Friedensprozesses. Einer | |
| Ein-Staat-„Lösung“ mangelt es aber genauso wie derzeit der | |
| Zwei-Staaten-Regelung an einer Strategie, um sie verwirklichen zu können. | |
| Aus guten Gründen mochte bisher kein relevanter Akteur die | |
| Zwei-Staaten-Regelung ad acta legen. | |
| ## Begrenzte Optionen | |
| So bleibt es für die Autonomiebehörde beim Ziel eines palästinensischen | |
| Staates neben Israel. Aber die Suche nach einer neuen Strategie gleicht | |
| einer Quadratur des Kreises. Die Optionen sind begrenzt, alle sind mit | |
| Risiken verbunden. | |
| Der Versuch einer Internationalisierung des Konflikts über den | |
| UN-Aufnahmeantrag ist mangels einer Mehrheit im Sicherheitsrat erst einmal | |
| gescheitert. Der Antrag auf einen Beobachterstatus, den Präsident Mahmud | |
| Abbas jetzt stellt, ist nur ein schaler Ersatz. Eine andere Option wäre die | |
| Mitgliedschaft in UN-Organisationen wie FAO und WHO. | |
| Doch die bereits erfolgte Aufnahme in die Unesco Ende 2011 dient eher als | |
| abschreckendes Beispiel: Die US-Regierung strich ihre finanziellen | |
| Zuschüsse an die Unesco, Israel stoppte die Weiterleitung von | |
| Steuereinnahmen an die Autonomiebehörde. Jede weitere Mitgliedschaft | |
| Palästinas in einer UN-Organisation wäre mit herben finanziellen Verlusten | |
| nicht nur für die PA, sondern auch diese UN-Organisation verbunden. | |
| Bleibt die Option einer nationalen Versöhnung mit Hamas. Das eigene Haus in | |
| Ordnung zu bringen, fordern alle von den Palästinensern. Nur ein geeintes | |
| Palästina kann als glaubwürdiger und verlässlicher Partner in | |
| Friedensverhandlungen auftreten. Doch Israel und die USA können sich eine | |
| nationale Versöhnung nur als bedingungslose Unterwerfung der Hamas | |
| vorstellen. | |
| Jede auch nur indirekte Beteiligung der Hamas an der Bildung einer | |
| Autonomieregierung hätte deshalb die Einstellung der amerikanischen und | |
| israelischen Zahlungen zur Folge. Friedens- und Versöhnungsprozess | |
| schließen einander aus. Diese absurde Konsequenz internationaler | |
| Nahostpolitik hat sich nicht ausgewirkt, weil Fatah und Hamas nicht zu | |
| einer echten Versöhnung bereit sind. Voraussetzung dafür wäre die | |
| Bereitschaft, den absoluten Herrschaftsanspruch im jeweiligen Gebiet | |
| aufzugeben und demokratische Wahlen zuzulassen. Doch die Festigung der | |
| eigenen Macht hat weiterhin Priorität. | |
| ## Macht’s doch selbst! | |
| Gibt es also keine Alternative zum politischen Stillstand? In periodischen | |
| Abständen wird aus Verzweiflung über die eigene politische Ohnmacht und | |
| Perspektivlosigkeit die freiwillige Auflösung der Autonomiebehörde | |
| debattiert. Warum die Arbeit der Besatzer erledigen? Sollen sie doch selbst | |
| wieder ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen, Müllabfuhr und | |
| Gesundheitswesen organisieren und dafür zahlen! Aber Tausende von | |
| öffentlich Bediensteten hätten dann kein Einkommen mehr, Chaos droht, die | |
| Lebensverhältnisse würden sich weiter verschlechtern. | |
| Die palästinensische Westbank ist faktisch zu einem international | |
| finanzierten Protektorat geworden, das zwar einige Städte und Ortschaften | |
| verwaltet, dessen Aktivitäten jedoch in wesentlichen Bereichen dem | |
| israelischen Veto unterliegen. Für jeden Versuch, Bewegung in die | |
| erstarrten Fronten zu bringen, müssen die Palästinenser einen hohen Preis | |
| zahlen. | |
| Nicht zufällig steckt die PA in einer existenziellen Finanzkrise. Die | |
| Zuwendungen internationaler Sponsoren und die Steuerzahlungen Israels | |
| bleiben immer dann aus, wenn unliebsame politische Initiativen der | |
| Palästinenser drohen oder bestraft werden sollen. | |
| ## Abwarten und nichts tun | |
| Zudem leiden die Palästinenser unter der geringen internationalen | |
| Aufmerksamkeit für ihren Konflikt. Palästina gilt international keineswegs | |
| mehr als zentraler Konflikt in der Region. Die Krisen und Kriege im Irak, | |
| Iran oder Afghanistan, die Instabilität in der Region aufgrund des | |
| Arabischen Frühlings stehen auf der politischen Agenda viel weiter oben. | |
| Auch die Europäer plagen andere Sorgen. Also lautet die internationale | |
| Devise: Abwarten! Unter dem Status quo zwischen Jordan und Mittelmeer | |
| leidet ja außer den Palästinensern niemand. | |
| Eine konsequente strategische Neuorientierung palästinensischer Politik, | |
| die Auswege aus den Dilemmata eröffnet, steht noch immer aus. Die | |
| zögerlichen Internationalisierungsversuche bei den Vereinten Nationen, die | |
| halbherzigen Versöhnungsdokumente der Führungen eröffnen keinen Weg aus der | |
| Sackgasse. | |
| Der Ruf nach einem umfassenden zivilen Widerstand gegen die Besatzung wird | |
| deshalb in vielen politischen Gruppierungen in der Westbank, darunter auch | |
| der Fatah, lauter. | |
| Keine dritte Intifada, sondern ein ziviler Volksaufstand, der neben der | |
| Verweigerung der Kooperation mit der Besatzungsmacht und Wegen aus der | |
| finanziellen Abhängigkeit auch die Demokratisierung der politischen | |
| Strukturen auf seine Fahnen schreibt, um die nationale Spaltung zu | |
| überwinden und internationale Unterstützung zu gewinnen. Doch ohne einen | |
| Preis zu zahlen, ist auch dieser Weg nicht zu haben. | |
| 28 Sep 2012 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Sterzing | |
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