Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte Papst im Libanon: Ein normaler Besuch
> Die Erwartungen der Christen im arabischen Raum an Papst sind hoch. Der
> wird der Rolle nicht gerecht – nicht einmal da, wo er könnte und müsste.
Bild: Segen, sonst nicht viel: Papst Benedikt XI. im Libanon.
Zuerst die frohe Botschaft: Der Papst hielt doch an seinem Libanons Besuch
fest und ist wieder heil in die ewige Stadt heimgekehrt. Er ließ sich weder
von den gegenwärtigen Unruhen in der Region infolge des blasphemischen
Filmes gegen den islamischen Propheten noch von der instabilen politischen
Lage im Zedernland oder dem Bürgerkrieg in Syrien erschrecken.
Es war beeindruckend zu sehen, wie das Haupt der Katholischen Kirche im
Zeitalter des aufsteigenden politischen Islams in einem arabischen Land
eine Messe vor 350.000 Menschen hielt. Von einer generellen
Christenverfolgung in der arabischen Welt kann nicht die Rede sein.
Die wenig erfreuliche und offengesagt enttäuschende Botschaft: Benedikt der
16. setzte keine eindeutigen Akzente für die Christen in Libanon und Syrien
hinsichtlich ihrer Rolle im gegenwärtigen Kampf der arabischen Völker für
Menschenwürde und Demokratie. Der Papst verhielt sich während seines
Besuches viel als ein taktierender Staatsmann und zuwenig als eine
richtungsgebende geistige Instanz, die erleuchtende Lichtblicke für die
Zukunft ausstrahlt.
## Keine Divisionen für den Papst
Natürlich darf man nicht vom Papst wundersame Lösungen der akuten Konflikte
des Nahen Ostens erwarten oder für den arabischen demokratischen Umbruch zu
missionieren. Dies übersteigt seinen Möglichkeiten. Denn man weiß zumindest
seit Josef Stalin, dass der Papst über keine Divisionen verfügt und
folglich nur moralisch die Weltpolitik beeinflussen könnte.
Aber man verlangt von ihm gerade in einer Phase, in der die internationale
Gemeinschaft versagt hat, die Tragödie des syrischen Volkes zu beenden,
klare und undiplomatische Worte an die Adresse des syrischen Diktators zu
senden. Und dies geschah nicht, weder während seines Libanons Besuches als
auch davor. Die allgemeinen Forderungen nach friedlicher Beilegung der
syrischen Krise und die Verurteilung des Waffenexportes waren wie ein
Tröpfchen auf dem heißen Stein.
Es ist verständlich, dass der Papst den Interessen der arabischen und
orientalischen Christen höchste Priorität gibt und sich für ihr
Weiterbestehen in der historischen Wiege der Christenheit einsetzt. Die
Verfolgung der irakischen Christen und ihr Exodus nach dem zweiten
Irakkrieg und der Ausweitung des Dschihad geben Anlass dafür.
## Christen wichtiger Teil der arabischen Welt
Erfahrungsgemäß aber ist Angst kein guter Ratgeber. Und die Probleme der
arabischen Christen können nur in ihren Staaten und Gesellschaften gelöst
werden. Denn sie bilden schon seit den Anfängen des Christentums ein
wichtiger Bestandteil der arabischen Gesellschaften und nehmen eine
bedeutende Rolle in der Entwicklung der islamisch arabischen Zivilisation
im Mittelalter und bei der arabischen Renaissance seit dem 19. Jahrhundert
ein. Sie nur als Minorität zu betrachten und für sie von der islamischen
Mehrheit nur Toleranz zu verlangen, ist Wasser auf den Mühlen der radikalen
Islamisten und der Diktaturen.
Darüber hinaus bilden die arabischen Christen weder konfessionell noch
politisch eine homogene Gruppe. Unter ihnen, wie unter der muslimischen
Mehrheit, gibt es Anhänger der Diktaturen, apolitische Menschen und
demokratische Aktivisten. Die Forderung nach Verbleib der Christen in
Syrien, ohne dass sie sich aktiv am politischen Leben zu beteiligen, trägt
dazu bei, sie als Schutzbefohlene oder als Fremdkörper im eigenen Land zu
stilisieren, statt am Ringen für einen demokratischen Rechtstaat aktiv
mitzuwirken.
Die tyrannischen Regime im Irak, Ägypten und Syrien schürten die Angst der
Christen vor den Islamisten, um sie politisch zu neutralisieren und sich
vor aller Welt als Verteidiger des weltlichen Staates darzustellen. Der
syrischen Diktatur ist es bisher gelungen, die Minoritäten vor allem die
Drusen, Schiiten, Alewiten und Christen zum größten Teil aus Furcht vor
einer angeblichen Machtübernahme der sunnitischen Islamisten vom syrischen
Aufstand fernzuhalten und sich ihre Loyalität zu sichern.
## Das Pfeifen im Wald
Es ist kein Geheimnis, dass breite Teile der syrischen christlichen
Geistlichen Partei für die Diktatur ergriffen. Sie zur Raison zu bringen,
wäre vom Papst zu wünschen, verlangte der syrische Publizist und
Oppositionelle Michel Kilo. Er sah die Verbindung der Sicherheit der
Christen mit dem Weiterbestehen des syrischen Diktatur als eine ernste
Gefahr für die Existenz der syrischen Christen, die den Krieg des syrischen
Regimes gegen das eigene Volk nicht unterstützen sollten. Solche Aufrufe
wirkten jedoch wie das Pfeifen im Wald.
Dass die syrische Krise auch die Libanesen tief spaltet und darüber hinaus
ihren nationalen Zusammenhalt ernst bedroht, hat der Papst gewiss schon vor
seinen Begegnungen mit den Vertretern der libanesischen politischen Klasse
erfahren. Den Libanon trotzdem als Modell für das friedliche Zusammenleben
von Christen und Muslimen zu rühmen, ist schwer nachvollziehbar. Denn das
politische System der Teilung der Macht zwischen den Vertretern der 18
Religionsgemeinschaften hat bisher nur zu blutigen Bürgerkriegen, wie es
zuletzt 1975-1990 geschah, geführt.
Der Libanon wird als einziger arabischer Staat zwar von einem maronitischen
christlichen Präsidenten regiert. Dies ist jedoch im Rahmen einer
vorgeschriebenen Machtverteilung zwischen den Konfessionen festgeschrieben,
also nicht als Ergebnis einer demokratischen Wahl.
## Vorgespielte Harmonie
Die vorgespielte Harmonie der libanesischen politischen Klasse während des
Papstbesuches kann nicht hinwegtäuschen, dass das Land hinsichtlich der
syrischen Krise, des Palästinaproblems und des iranischen Atomkonfliktes,
sowie der Bewaffnung der Hisbollah vor einer Zerreißprobe steht.
Die zunehmende Polarisierung zwischen der von der pro-iranischen
schiitischen Hisbollah und dem pro-saudischen sunnitischen Hariris Klan
tragen dazu bei, die christlichen Parteien weiterhin zu Satelliten beider
Seiten zu verwandeln und das Land im Endeffekt zum Bürgerkrieg zu führen.
Der Libanon bleibt folglich unter diesen Bedingungen unstabil. Und dies
wird weiter bestehen, solange die Libanesen nicht ihr politisches System
reformieren und Religion und Politik voneinande trennen. Die Zukunft der
arabischen Christen kann nur in weltlichen und demokratischen Staaten
sicher sein.
17 Sep 2012
## AUTOREN
Abdel Mottaleb El Husseini
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte Fanatismus: Fanatiker haben Geschichte
Ja, die Proteste wegen des Mohammed-Videos waren blutig. Doch haben sie
weder die Meinungsfreiheit im Westen bedroht noch die Arabellion.
Debatte Palästina: Ratlos in Ramallah
Die palästinensiche Autonomiebehörde steckt in der Falle. Der Gang vor die
UN hat nicht geholfen. Die Situation droht sich weiter zu verschlechtern.
Jubel für den Papst in Beirut: Konfessionelle Pseudo-Einheit
Junge Christen sind begeistert über den dreitägigen Besuch von Benedikt
XVI. Dieser bittet um Gottes Segen für das Land und fordert das Ende des
Syrien-Konflikts.
Islamisten gegen Westen: Botschaften unter Feuer
Wütende Demonstranten versuchen westliche Botschaften im Sudan, Ägypten und
in Tunesien zu stürmen. An der deutschen Vertretung in Khartum legen sie
Feuer.
Vor Papstbesuch im Libanon: Papamanie in Beirut
In der Vorfreude auf den Besuch von Benedikt XVI. ist die Bevölkerung des
multikulturellen Libanons weitgehend einig. Aber es gibt auch andere
Stimmen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.