# taz.de -- Kommentar Georgien: Georgier haben die Schnauze voll | |
> Die Botschaft ist eindeutig: Die Wähler haben genug von den Politikern, | |
> die das Land zu Grunde regierten. Auch lassen sie sich nicht mehr durch | |
> Repressionen einschüchtern. | |
Bild: Siegesstimmung auf den Straßen von Tiflis. | |
Der Sieg des Oppositionsbündnisses „Georgischer Traum“ bei den | |
Parlamentswahlen am vergangenen Montag markiert eine Zäsur in der jüngeren | |
Geschichte Georgiens. | |
Erstmals seit dem Machtantritt von Präsident Michail Saakaschwili im Jahre | |
2003 haben sich die Unzufriedenen, Frustierten und diejenigen, die reale | |
Veränderungen wollen, kraftvoll und friedlich zu Wort gemeldet. Und das | |
nicht nur auf der Straße, sondern auch an den Urnen. | |
Ihre Botschaft ist eindeutig: Sie haben endgültig genug von einem | |
Staatschef und einer Regierung, die den Ausverkauf der Landwirtschaft sowie | |
den Niedergang des Gesundheits- und Bildungssystems zu verantworten hat. | |
Foltervideos aus einem Tifliser Gefängnis waren nur der letzte Tropfen, der | |
das Fass endgültig zum Überlaufen und die Menschen an das Ende ihrer Geduld | |
brachte. | |
Doch noch ein weiteres Signal geht von diesen Wahlen aus: Diejenigen, die | |
für den „Georgischen Traum“ des Milliardärs Bidzina Ivanischwili gestimmt | |
haben, lassen sich nicht länger einschüchtern und unter Druck setzen. | |
Bedrohungen und Repressionen wie die Festnahme von dutzenden Aktivisten der | |
Oppossition in den vergangenen Wochen verfangen nicht mehr. | |
Nein, die Mehrheit der Georgier lässt sich ihr Votum nicht mehr nehmen. Das | |
wurde nicht zuletzt am Sonntag abend deutlich, als hupende Autokorsos durch | |
die Hauptsdtadt Tiflis brausten und sich Tausende mit Tränen in den Augen | |
und unter Jubel- und Siegesrufen auf dem Freiheitsplatz begeistert in die | |
Arme fielen. | |
Staatspräsident Michail Saakaschwili und seiner Regierungspartei | |
„Vereinigte Volksbewegung“ (UNM) war vor den Wahlen kein Mittel zu | |
schmutzig, um ihre Unterstützer zu „mobilisieren“ Dass sie jetzt ihre | |
Niederlage eingestanden und angekündigt haben in die Opposition zu gehen, | |
zeugt von einer gewissen demokratischen Reife. | |
Dieser Schritt verbunden mit der Einsicht, dass mit plumper Manipulation | |
und dreisten Fälschungen um des bloßen Machterhaltes willen kein Staat mehr | |
zu machen ist, bewahrt das Land vor einer veritablen Krise. | |
Denn um ihren Sieg zu verteidigen, wären die Anhänger der Opposition zu | |
allem bereit gewesen – mit möglicherweise verheerenden Konsequenzen. | |
Mit dem bevorstehenden Machtwechsel gibt es in Georgien erstmals eine | |
Chance auf Reformen und einen wirklichen Wandel. Jetzt ist es an allen | |
politisch Beteiligten, diese auch zu nutzen. | |
2 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
## TAGS | |
Georgien | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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