# taz.de -- Konflikt zwischen Russland und Georgien: Ende der Eiszeit? | |
> Die Regierung in Moskau reagiert freundlich und nüchtern zugleich auf die | |
> Wahl beim südlichen Nachbarn. Das politische Klima dürfte wärmer werden. | |
Bild: Ein Straßenmusiker schläft am 02. Oktober 2012 unter Wahlplakaten in Ti… | |
MOSKAU taz | Russlands Premierminister Dmitri Medwedjew war recht guter | |
Dinge. Sollte sich der Sieg der georgischen Opposition bestätigen, „würde | |
die politische Landschaft Georgiens vielfältiger“, sagte er. Konstruktivere | |
und verantwortungsvollere Kräfte zögen dann ins Parlament ein, so | |
Medwedjew. Seine Partei, das Vereinigte Russland, sei jedenfalls zu einem | |
Dialog über die Zukunft der russisch-georgischen Beziehungen bereit. | |
Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in Georgien im August 2008 haben | |
beide Seiten die Beziehungen eingefroren. Wenn Moskau und Tiflis | |
miteinander verkehren müssen, dann nur über die Vermittlung eines Dritten. | |
Für Russlands politische Elite, allen voran Wladimir Putin, war Georgiens | |
Präsident Michail Saakaschwili ein rotes Tuch, schon die Erwähnung des | |
Rosenrevolutionärs brachte den Kremlchef zum Schäumen. | |
Die Abwahl Saakaschwilis könnte nun die Chance eröffnen, mit dem Nachbarn | |
wieder ins Gespräch zu kommen. Im Vorfeld der Wahl war Bidsina | |
Iwanischwili, Chef des siegreichen Oppositionsbündnisses Georgischer Traum, | |
vom Konkurrenten Saakaschwili als Marionette Moskaus beschimpft worden. | |
Dass der milliardenschwere Oligarch das Vermögen vor allem in Russland | |
anhäufte, unterstrich die Legende. | |
## Bisher keine Äußerung Putins | |
Nach dem Wahlsieg bleibt die russische Führung jedoch nüchtern. Kremlchef | |
Putin äußerte sich auch zwei Tage nach der Wahl noch nicht. Die Freude über | |
die Niederlage Saakaschwilis wird vom friedlichen Machtwechsel getrübt, der | |
die Kaukasusrepublik der demokratischen Welt näher brachte – und indirekt | |
den Autokraten in Moskau den Spiegel vorhielt. | |
Iwanischwili versprach auch, das Verhältnis zu Russland zu verbessern. | |
Damit sprach er vielen Wählern, die dort Familie haben, aus dem Herzen. | |
Trotzdem bleiben die Widersprüche und Interessengegensätze bestehen: | |
Iwanischwili hob vor und nach dem Sieg seines Parteienbündnisses hervor, | |
dass er an der Richtungsentscheidung Georgiens keine Korrekturen vornehmen | |
werde: Georgien bleibt in der Spur – in Richtung Integration in Europa und | |
Aufnahme in die Nato. | |
Das ist für den Kreml nicht akzeptabel. Schließlich besetzte Russland | |
Georgien 2008, um die Integration der Kaukasusrepublik in den Westen zu | |
unterbinden. An der Ausgangslage hat sich somit nichts verändert. Außerdem | |
müsste Moskau bereit sein, über den Status der abtrünnigen Teilrepubliken | |
Abchasien und Südossetien neu zu verhandeln. Es ist aber kaum zu erwarten, | |
dass der Kreml die internationale Anerkennung der separatistischen Gebiete | |
noch einmal rückgängig machen könnte. Zumal Russland mit der Aufstellung | |
russischer Truppen in Abchasien und Südossetien auch ein strategisches Ziel | |
erreicht hat: einen vorgeschobenen Posten im Südkaukasus. | |
Iwanischwili sind die Hände gebunden: Es wäre politischer Selbstmord, | |
Moskau in den abtrünnigen Gebieten Zugeständnisse zu machen. Zwischen | |
Russland und Georgien dürfte sich daher zunächst nur wenig verändern. | |
3 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
## TAGS | |
Kaukasus | |
Sotschi 2014 | |
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