Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kosten der erneuerbaren Energien: Die 5-Cent-Hürde
> Die EEG-Umlage gilt den Gegnern der Energiewende als Totschlagargument
> dafür, dass Ökostrom zu teuer sei. Dabei taugt sie kaum als Preisschild.
Bild: Die EEG-Umlage ist gar kein guter Indikator für den wahren Preis der Ern…
BERLIN taz | Die Energiewende hängt an 5 Cent. Diesen Eindruck vermittelt
zumindest der FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Er verkündet mit
Blick auf die Erneuerbare-Energien-Gesetz(EEG)-Umlage: Die Förderung des
Ökostroms „läuft aus dem Ruder“. Das Gleiche sagt Andreas Mundt, Chef des
Bundeskartellamts, einer Behörde in Röslers Geschäftsbereich. Er will
deshalb das EEG schnell ändern, auch wenn das bis zur Wahl kaum zu schaffen
ist.
Und die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ein Lobbyverein der
Metall- und Elektroindustrie, droht: „Gelingt es jetzt nicht, auf die
Kostenbremse zu treten, wird die Energiewende scheitern.“ Es ist ein
Politspektakel der besonderen Art, das am Montag seinen Höhepunkt erreicht:
Die Netzbetreiber geben bekannt, wie hoch die Umlage zum Ausbau des
Ökostroms 2013 ausfallen wird. Alle erwarten einen saftigen Anstieg der
Förderung von 3,59 auf etwa 5,3 Cent je Kilowattstunde.
40 Prozent mehr! In absoluten Zahlen steigt die Beihilfe für sauberen Strom
aus Sonne, Wind oder Biomasse damit von 14 auf 20 Milliarden Euro an. Jeder
Verbraucher wird das im 2013 auf seiner Stromrechnung sehen: Einen
Vierpersonenhaushalt kostet die Energiewende im Monat 6 bis 7 Euro
zusätzlich. Es geht um die Kosten für zwei Weizenbier.
Mit dem Anstieg der EEG-Umlage kochen derzeit jedoch viele ihr politisches
Süppchen. Sozial Schwächere könnten wegen der Ökoenergie bald ihren Strom
nicht mehr bezahlen, streuten Teile von Industrie, Union und FDP im Sommer.
Ein Jahr nach Beginn von Energiewende und Atomausstieg sind die 5 Cent für
Teile der Industrie, für die Stromwirtschaft, wirtschaftsnahen Medien und
Politiker das Preisschild an der Energiewende, das sie gesucht haben. Und
das sagt: Alles zu teuer.
## Nur technische Rechengröße
Dabei ist die EEG-Umlage gar kein guter Indikator für den wahren Preis der
Erneuerbaren. Sondern nur eine technische Rechengröße aus dem deutschen
Subventionsdschungel. Sie gibt an, welcher Teil des Strompreises, den die
Privatkunden zahlen, in die Förderung erneuerbarer Energien fließt: Es ist
etwa ein Fünftel ihrer Rechnung – für etwa ein Fünftel des Stroms in
Deutschland.
Tatsächlich sind in der Umlage aber Kosten versteckt, die mit der
Ökoförderung kaum zu tun haben. Das zeigt etwa die Rechnung des
Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE). Für ihn machen die „reinen
Förderkosten“ nur 2,3 der insgesamt 5,3 Cent aus. Der Rest entstehe, weil
die Umlage mit fremden Kosten aufgebläht sei. Die „einseitige
Kostendiskussion geht völlig an der Sache vorbei“, so das BEE.
Experten geben dem Verband teilweise recht. So verstecken sich in der
Umlage für 2013 nach Aussage von Bernd Wenzel vom Ingenieurbüro für neue
Energien mindestens 1,3 Cent, die dem Ökostrom nicht als eigentliche Kosten
zuzurechnen sind. Wenzel analysiert für das Bundesumweltministerium die
Entwicklung der EEG-Umlage.
Demnach sind in der Umlage für 2013 unter anderem 0,4 Cent für einen
„Liquiditätspuffer“ enthalten. Damit sichern sich die Stromkonzerne gegen
Schwankungen der EEG-Finanzierung ab. Mit 0,1 bis 0,2 Cent schlägt dabei
eine Prämie zu Buche, die den Verkauf des Ökostroms am Markt unterstützt.
## Weitgehend von der Umlage befreit
Und mit 0,7 Cent schlägt zu Buche, dass die energieintensiven Industrien –
wie beispielsweise Stahlwerke oder Kohlebergbau – weitgehend von der Umlage
befreit sind. Statt 5,3 Cent gehen also nur etwa 3,7 Cent wirklich an die
erneuerbaren Energien. Eine ähnliche Rechnung für 2011 zeigt, dass statt
der offiziellen Umlage von 3,6 Cent eigentlich nur 2,3 Cent als Kosten der
Ökoenergien entstanden sind.
Hinzu kommt, dass der grüne Strom den Preis drückt,wenn er bei gutem Wind
oder Sonnenschein praktisch für null im Angebot ist: Schätzungen zufolge
wurde 2011 Strom an der Börse dadurch um etwa 1 Cent pro Kilowattstunde
günstiger. Die meisten Stromkunden merken davon aber kaum etwas, weil die
Händler diese Preissenkungen nicht an sie weitergeben.
## Niedrige Preise am Strommarkt
Die Energiefresser in der Industrie profitieren deshalb doppelt von der
EEG-Umlage: Sie zahlen kaum etwas und genießen die niedrigen Preise am
Strommarkt, wie eine Studie der Unternehmensberatung prognos zeigt. Erst im
September hatte das Unternehmen Norsk Hydro angekündigt, seine
stromintensive Aluminiumproduktion in Deutschland auszubauen.
Um die EEG-Umlage zu rehabilitieren, schlägt das Öko-Institut deshalb einen
„Energiewende-Kostenindex“ vor, der den wahren Preis des Ökostroms zeigen
soll. Demnach geht die Steigerung des Strompreises von 2003 bis 2013 nur
gut zur Hälfte auf Energiewende und EU-Klimapolitik zurück: 46 Prozent der
Mehrkosten stammen dagegen aus höheren Brennstoffpreisen und Privilegien
für die Industrie.
14 Oct 2012
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Ulrich Grillo
EEG-Umlage
## ARTIKEL ZUM THEMA
BDI-Chef Ulrich Grillo: „Industrieller von der Genetik her“
Der neue Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie inzeniert
sich authentisch. Und Ulrich Grillo schickt Umweltminister Altmaier eine
Warnung.
Energiegipfel von Bund und Ländern: Wer zahlt wem die grüne Zukunft?
Beim Energiegipfel geht es um der Ausbau der Erneuerbaren – und es geht ums
Geld: die Flächenländer kassieren, die Ballungsräume zahlen.
Kosten der Energiewende: Strom schneller grün als gedacht
Alle jammern über hohe Preise – trotzdem steigt der Anteil an Ökostrom.
Schon 2020 könnte Erneuerbare Energien die Hälfte der Stromversorgung
ausmachen.
Steigende Energiekosten: Bekennt euch zu hohen Preisen!
Aus Angst vor dem Wähler scheut die Politik klare Ansagen und wir hören
überall: Die Strompreise sind zu hoch. Da waren wir schon mal weiter.
7 Prozent mehr Ökoenergie als 2011: Erneuerbare auf Rekordniveau
Im Sommer bezog Deutschland bereits 27 Prozent seines Stroms aus
regenerativen Quellen. im Vordergrund steht allerdings die aktuelle
Kostendebatte.
Stromfirmen wollen Preise erhöhen: Der Verbraucher zahlt sich grün
Die meisten Versorger kündigen an, die steigenden Kosten der EEG-Umlage
direkt weiterzugeben. Dabei sinken die Einkaufspreise für Strom an der
Börse.
Gesamtbilanz der EEG-Umlage: Mehr Nutzen als Kosten
Die EEG-Umlage wird immer teurer. Doch die Vorteile des Ökostroms durch
Vermeidung von Umweltschäden wiegen die Ausgaben auf.
Gestiegene Ökostrom-Umlage: 5,277 Cent pro Kilowattstunde
Der Anstieg der Ökostrom-Umlage steht fest. Pro Kilowattstunde zahlen
Verbraucher ab dem kommenden Jahr 5,28 statt 3,59 Cent.
Kommentar Ökostrom: Die große Koalition der Schluderer
Bis auf die FDP hat keine Partei bei einer längeren Ökostromdebatte etwas
zu gewinnen. Für die Anderen kommt das Thema im Wahlkampf nicht infrage.
Reform der Ökostrom-Förderung: Rösler geht's nicht schnell genug
Mal wieder ist sich die Koalition nicht einig: FDP-Chef Philipp Rösler
meckert, dass Umweltminister Peter Altmaiers nicht schnell genug gegen die
Kostenexplosion bei Strompreisen vorgeht.
Energiewende-Kosten-Index: Nur nicht durchdrehen!
Die politische Diskussion um die Kosten der Energiewende beruht auf
falschen Annahmen, sagt das Öko-Institut. Sie seien günstiger als
angenommen.
Kommentar Altmaiers Energiepläne: Entscheidung vertagt
Altmaier fordert ein „konsensuelles“ Verhalten bei der Energiewende. Das
ist nichts anderes als ein Ausdruck purer politischer Not.
Erneuerbare-Energien-Gesetz: Einigkeit und Strom und Öko
Umweltminister Altmaier legt einen Vorschlag für den Umbau des EEG vor. Es
soll ein umfassendes Energiewende-Gesetz werden.
Reaktionen auf Ökostrom-Umlage: Alle gegen Altmaier
Wegen der Energiewende wird Umweltminister Peter Altmaier kritisiert – vor
allem von FDP und Grünen. Sie fordern günstigeren Strom.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.