# taz.de -- BDI-Chef Ulrich Grillo: „Industrieller von der Genetik her“ | |
> Der neue Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie inzeniert | |
> sich authentisch. Und Ulrich Grillo schickt Umweltminister Altmaier eine | |
> Warnung. | |
Bild: Welches Körperteil Ulrich Grillo hier wohl gestisch beschreiben will? | |
BERLIN taz | „Dazu ein Wort als Familienunternehmer“: Mit diesem Zitat hat | |
Ulrich Grillo wohl den bestimmenden Ton seiner Amtszeit vorgegeben. Am | |
Dienstag trat der neue Präsident des Bundesverbandes der Deutschen | |
Industrie (BDI) in Berlin offiziell die Nachfolge von Hans-Peter Keitel an. | |
Dabei betonte er gleich mehrmals seine Herkunft aus einer | |
Industriellenfamilie aus dem Ruhrgebiet. | |
„Ich bin Industrieller von der Genetik her“, sagte Grillo. Der | |
Herausforderung, den in zahllosen Einzelinteressen auseinanderdriftenden | |
BDI zusammenzuhalten und ihm im lauten Verbände- und Lobbyistenchor der | |
Hauptstadt eine vernehmbare Stimme zu verleihen, will der neue Präsident | |
offenbar begegnen, indem er sich als authentisch inszeniert. Kein | |
gewissenloser und gelackter Manager spricht hier, so die Botschaft, sondern | |
einer, der mit seiner ganzen Existenz für sein Unternehmen einsteht. So | |
einer darf auch Forderungen stellen. Und das tut Grillo. | |
Wie immer braun gebrannt, mit perfekter Fönwelle, roter Krawatte und weißem | |
Einstecktuch trug der 53-Jährige seine Forderungen vor, freundlich und ohne | |
große Geste: Deutschland sei inzwischen weit von der Vorgabe entfernt, dass | |
Energie „sicher, sauber und bezahlbar“ sein müsse. Die Energiekosten | |
hierzulande seien zu hoch, das gefährde die internationale | |
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, so der Betriebswirt. | |
Die Bundesregierung müsse von unrealistischen Forderungen abrücken, | |
forderte er. Etwa von der, dass die Industrie den Stromverbrauch bis 2020 | |
um zehn Prozent senke. Außerdem müsse sie stärker mit europäischen Partnern | |
nach internationalen Lösungen suchen. Und nicht zuletzt sei eine „rationale | |
Diskussion über die Kosten und deren Aufteilung nötig“, so Grillo. „Sehr | |
deutlich“ warnte er Umweltminister Peter Altmaier (CDU) davor, | |
energieintensive Unternehmen stärker als bisher zu belasten. Die | |
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sei „nicht in Stein | |
gemeißelt“. | |
## „Es gibt auch ungiftige Chemikalien“ | |
Viel Beachtung schenkte er den fallenden Energiepreisen in den USA, die | |
durch die intensive Ausbeutung der dortigen Schiefergas- und | |
Schieferölvorkommen möglich werden. Natürlich dürfe dabei die Umwelt nicht | |
gefährdet werden. Für die Schiefergasförderung seien zwar Chemikalien | |
nötig, aber „es gibt auch ungiftige Chemikalien“, sagte Grillo – und | |
verlangte, die Schiefergas-Förderung in Deutschland ergebnisoffen und ohne | |
Vorurteile zu prüfen. | |
Neben der Energiewende liegt Grillo offenbar die Tarif- und Steuerpolitik | |
am Herzen. Den „Staatsfinanzen geht es besser denn je“, sagte er. Geprägt | |
seien diese nicht durch zu niedrige Einnahmen, sondern durch zu hohe | |
Ausgaben. Hier gelte es politisch anzusetzen. „Niemand darf der Wirtschaft | |
unverantwortliche Steuer- und Tarifdiskussionen aufdrängen“, formulierte | |
der Unternehmer. | |
Grillos Forderungskatalog genau zu betrachten, lohnt sich deshalb, weil er | |
seine Vorstellungen in der Hauptstadt bislang ausgesprochen erfolgreich | |
durchsetzen konnte. So fristete das Thema Rohstoffe lange ein | |
Schattendasein im Wirtschaftsministerium. Inzwischen gibt es diverse | |
politische Initiativen wie etwa bilaterale Partnerschaften mit | |
rohstoffreichen Ländern oder eine Rohstoffagentur als Servicestelle für die | |
Unternehmen. | |
## Der politische Arm des BDI | |
Erst kürzlich verkündete die Behörde, im Rahmen der Rohstoffstrategie in | |
den nächsten drei Jahren 27,5 Millionen Euro für bedingt rückzahlbare | |
Kredite zur Verfügung zu stellen, um die Versorgung der Industrie mit | |
kritischen Rohstoffen zu gewährleisten. Zeitweilig wirkte das Ministerium | |
wie der politische Arm des BDI. Verantwortlich für das Rohstoff-Thema war | |
dort – Grillo. | |
Obwohl die Agenda des neuen Präsidenten, jenseits von üblichen Forderungen | |
nach niedrigen Steuern und einer Begrenzung der Energiepreise, bislang noch | |
nicht erkennbar ist, gibt es schon Themen, zu denen sich der Firmenchef | |
nicht äußert: Zur aktuellen Debatte über Sexismus am Arbeitsplatz befragt, | |
antwortete er, damit habe er sich bislang noch nicht beschäftigt. Und: „Der | |
BDI muss sich ja nicht zu allem äußern.“ | |
29 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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