# taz.de -- Neue Mitglieder im UN-Sicherheitsrat: Ruanda wird künftig mitreden | |
> Erstmals seit dem Genozid kommt Ruanda in den UN-Sicherheitsrat. Dabei | |
> sagen UN-Experten, es sei in den Bürgerkrieg im benachbarten Kongo | |
> verstrickt. | |
Bild: Runde Sache: Ruanda gehört für zwei Jahre zum UN-Sicherheitsrat. | |
BERLIN taz | Das letzte Mal, dass Ruanda dem UN-Sicherheitsrat angehörte, | |
war 1994 – das Jahr des ruandischen Völkermords, als Armee und Hutu-Milizen | |
über 800.000 Tutsi töteten. Die für den Völkermord verantwortliche | |
Regierung konnte damals im Sicherheitsrat Plädoyers in eigener Sache | |
halten, wenn besprochen wurde, nichts gegen das Massenschlachten zu tun. | |
Am Donnerstag wurde Ruanda erneut als nichtständiges Mitglied in den | |
UN-Sicherheitsrat gewählt, für die Jahre 2013–2014. „Durch seine tragische | |
Vergangenheit kann Ruanda in den UN-Sicherheitsrat eine einzigartige | |
Perspektive über Krieg und Frieden einbringen“, freute sich Ruandas | |
Regierung per Twitter. | |
Außenministerin Louise Mushikiwabo erklärte: „Ruanda wird auf seinen | |
Erfahrungen aufbauen, um für eine robuste Umsetzung der Doktrin der | |
Schutzverantwortung zu kämpfen – die einfordert, dass die Welt Notiz nimmt | |
und tätig wird, wenn unschuldige Zivilisten drohenden Gräueltaten seitens | |
ihrer Regierungen ausgesetzt sind.“ | |
Ruandas Regierung ist vor allem deshalb erleichtert, weil das Streben des | |
Landes nach einem UN-Sicherheitsratssitz in den letzten Monaten scharf | |
kritisiert worden war. Ende Juni hatte eine UN-Expertengruppe in einem | |
vorläufigen Bericht Ruanda vorgeworfen, die neue Rebellenarmee „Bewegung | |
des 23. März“ (M23) in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo zu | |
unterstützen, die unter Führung desertierter Tutsi-Generäle Teile Ostkongos | |
erobert hat. | |
## Expertenbericht belastet Ruandas Militärspitze | |
In einem kurz vor der Wahl der neuen Sicherheitsratsmitglieder | |
durchgesickerten weiteren Teilbericht, vermutlich ein Entwurf des noch | |
nicht fertiggestellten Endberichts der Expertengruppe, wird Ruanda sogar | |
beschuldigt, die M23 direkt zu kommandieren. Damit könnte Ruandas | |
Militärspitze unter der Doktrin der Führungsverantwortlichkeit haftbar | |
gemacht werden, sollten Kriegsverbrechen der M23 vor dem Internationalen | |
Strafgerichtshof landen. | |
Ruanda hat die Vorwürfe der UN-Experten immer scharf zurückgewiesen, der | |
Expertengruppe schlampige Arbeit vorgeworfen und ihrem Leiter Steve Hege | |
eine frühere Schrift vorgehalten, in der er politische Forderungen der im | |
Kongo aktiven ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur | |
Befreiung Ruandas) verteidigte. Die jüngsten Vorwürfe gelten in Kigali als | |
Teil einer Kampagne. | |
In der Debatte vor der Abstimmung in der UN-Vollversammlung verlangte denn | |
auch der Vertreter der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda abzulehnen, | |
weil es „Kriegsverbrecher im Ostkongo“ schütze. Ein Vertreter der | |
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verstieg sich hinterher sogar | |
zu der Behauptung, Ruanda werde mit seinem Sicherheitsratssitz dafür | |
„belohnt“, dass es „die Arbeit der UN untergräbt“. | |
Die britische Regierung, engster internationaler Alliierter Ruandas, | |
erklärte, sie freue sich nun darauf, gemeinsam mit Ruanda an der Beendigung | |
der Gewalt im Kongo zu arbeiten. Tatsächlich spielt beim Konflikt im | |
Ostkongo der UN-Sicherheitsrat eine wichtige Rolle, da im Kongo die größte | |
UN-Blauhelmtruppe der Welt steht. | |
Außerdem nimmt der Rat jedes Jahr die von Ruanda jetzt kritisierten | |
Berichte der UN-Expertengruppe zur Überwachung der Sanktionen gegen Kongos | |
bewaffnete Gruppen entgegen und kann auf dieser Grundlage Strafmaßnahmen | |
ergreifen. Bei den Diskussionen darüber wird Ruanda zukünftig mitreden. | |
19 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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