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# taz.de -- Krieg im Osten des Kongo: Jede Nacht Tote auf der Straße
> In der Provinzhauptstadt des Ostkongo verbreiten Regierungssoldaten Angst
> und Gewalt. Offiziell wird die Schuld dem Nachbarland Ruanda zugeschoben.
Bild: Voll mit Soldaten: Die Straßen von Goma.
GOMA taz | Jede Nacht hallt Gewehrfeuer durch die Straßen von Nord-Kivus
Provinzhauptstadt Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Oft sind
es ganze Runden, die mit Kalaschnikows abgefeuert werden. Auch Granaten
flogen – eine traf das geparkte Auto des Vize-Gouverneurs.
Mindestens sieben Menschen starben bei Anschlägen in der letzten Woche.
Darunter auch Soldaten der Armee und der Präsidentengarde. Die Attacken
passieren allabendlich vor allem in Stadtvierteln, wo Soldaten stationiert
sind. Deswegen traut sich abends nach Einbruch der Dunkelheit derzeit kaum
jemand auf die Straßen.
Bei einem Sicherheitstreffen der ausländischen
Nichtregierungsorganisationen vergangene Woche wurde gewarnt, sich abends
zu bewegen. Polizisten und Soldaten hatten jüngster Zeit gezielt
Geländewagen ausländischer NGOs gestoppt und ausgeraubt. Am Freitag abend
wurde ein Tankstellenbesitzer nahe des UN-Hauptquartiers erschossen.
Daraufhin blieben am Wochenende die Tankstellen zu.
Kongos Innenminister Richard Muyej Mangez kam am Sonntag aus Kinshasa
eingeflogen: „Wir werden alle notwendigen Maßnahmen treffen, um die
Sicherheit wieder herzustellen“, versichert er. Mehr als 20 Verdächtige
seien bereits festgenommen worden: „Darunter auch Soldaten unserer Armee“,
gibt Muyej Mangez zu. „Wir ermitteln noch aber die ersten Hinweise deuten
darauf hin, dass auch Staatsangestellte in Waffen- und Drogenhandel
verwickelt sind“, sagt er.
## Blick nach Ruanda
Gleichzeitig schiebt er der Regierung des Nachbarlandes Ruanda die Schuld
für den „Terrorismus“ in die Schuhe: Kongo und die UNO beschuldigen Ruanda,
die Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) zu unterstützen, die im April
von Deserteuren der Regierungsarmee gegründet wurde und seitdem in einem
Landstrich an der Grenze zu Uganda und Ruanda einen Staat im Staat aufbaut.
Seit dem Ausbruch des Krieges im April wurden in der Provinz Nord-Kivu
Truppen aus sämtlichen Landesteilen zusammengezogen, um die M23 zu
bekämpfen. Bis zu 6000 Soldaten sind allein in Goma stationiert, um die
Millionenstadt zu sichern.
Doch seit dem informellen Waffenstillstand mit den M23-Rebellen an der
Frontlinie 40 Kilometer nördlich von Goma langweilen sich die Soldaten.
Viele betrinken sich abends in Kneipen. Schlecht oder gar nicht bezahlt,
nutzen sie jede Gelegenheit, Läden zu plündern oder Autofahrer auszurauben.
Es gehen Gerüchte um, dass sie Waffen und Granaten aus den Depots an
Zivilisten verhökern. Es heißt, man könne für rund 20 Dollar eine
Kalaschnikow auf dem Schwarzmarkt erwerben.
Innenminister Muyej Mangez ruft jetzt die Bevölkerung zur Mithilfe bei der
Suche der „Banditen“ auf. Man solle Verdächtige denunzieren. „Wir werden
deren Häuser durchsuchen lassen“, sagt er. Abends würden jetzt verstärkt
Militärpatrouillen die Straßen sichern. Man überlege ebenso, abends nach 18
Uhr die Grenze zu Ruanda zu schließen. „Die Autorität des Staates muss
wieder hergestellt werden“, sagt er. Ob es Sinn macht, noch mehr Soldaten
abends auf die Straßen zu schicken, die dann wild um sich ballern, ist zu
bezweifeln.
1 Oct 2012
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Kongo
Sicherheitsrat
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