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# taz.de -- Betrug in der Gastronomie: Billigflunder statt Seezunge
> Wer im Restaurant teuren Fisch bestellt, bekommt oft andere, günstigere
> Sorten serviert. Verbraucherschützer fordern, ertappte Betriebe zu outen.
Bild: Fischexperten erkennen eine Flunder auf den ersten Blick.
BERLIN taz | Restaurants tischen oft billigeren Fisch auf, als die Gäste
bestellt und bezahlt haben. 210 Proben von als Seezunge bezeichnetem Fisch
nahmen die Behörden im vergangenen Jahr in der Gastronomie – 32 Prozent
seien eine andere Plattfischart gewesen, sagte der Vorsitzende der
Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz, Volker Kregel, bei der
Vorstellung des Jahresberichts der Lebensmittelüberwachung am Donnerstag in
Berlin. Bei den Filets wiesen die Kontrolleure im Labor sogar in 47 Prozent
der Proben eine andere Fischart nach – zum Beispiel die günstigere Rot-
oder Tropenzunge.
Gesundheitsschädlich ist das nicht. Aber Kregel meint: „Es ist Betrug am
Verbraucher.“ Schließlich ist die Seezunge mit ihrem zarten, weißen Fleisch
der teuerste unter den Plattfischen: Ein Kilogramm kann schon im
Einzelhandel rund 50 Euro kosten. Die Rotzunge dagegen schlägt nur mit etwa
30 Euro zu Buche. Sie gilt als weniger schmackhaft als die echten
„Nordsee-Seezungen“.
„Die Seezunge ist kein Einzelfall“, erklärte Kontrolleur Kregel. Im Jahr
2010 habe sein Bundesland Hamburg als Rotflossenwels deklarierte Importe
per Genanalyse als billigeren Pangasius entlarvt. Oder Jakobsmuscheln als
Kammmuscheln.
Der Grund, weshalb Gastronomen bei Fisch und Meeresfrüchten schummeln, ist
banal: Die Preise der Rohware sind in den vergangenen Jahren stark
gestiegen, weil die Meere wegen Überfischung immer weniger hergeben. Und
der Verbraucher kann den Schmu mit bloßem Auge meistens gar nicht erkennen.
Warum der Fisch anders schmeckt als die auf der Speisekarte angegebene
Sorte, kann auch an der Zubereitung liegen.
Fischfälschungen sind den Behörden schon seit Langem bekannt. Bereits 2009
beanstandeten etwa die baden-württembergischen Kontrolleure im Schnitt 26
Prozent der untersuchten Plattfische. Es folgten verstärkte Kontrollen –
dennoch bleibt die Problemquote hoch.
## Abschreckende Wirkung
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) erklärte zu derartigen
Fällen auf taz-Anfrage nur, „dass die guten Restaurants der Branche mit
solchen Praktiken nichts zu tun haben“. Verbraucherschützer dagegen sehen
die hohen Beanstandungsquoten bezüglich Täuschung, aber auch Verstößen etwa
gegen die Hygiene als Belege dafür, dass das bisherige Bußgeldsystem nicht
genügend wirkt.
Die Organisation Foodwatch verlangt deshalb, die Ergebnisse der amtlichen
Lebensmittelkontrollen am Eingang der Restaurants auszuhängen. So könnten
potenzielle Gäste sofort sehen, ob ein Betrieb bereits aufgefallen ist,
weil er Fisch falsch bezeichnet oder unhygienisch gearbeitet hat.
„Das hat eine größere abschreckende Wirkung als Bußgelder“, sagte
Foodwatch-Sprecher Martin Rücker der taz. Solche Strafen seien in der
Praxis schwer zu verhängen, weil zum Beispiel erst ein Schuldiger gefunden
werden muss. „In Abhängigkeit vom persönlichen Einkommen wird dann ein
Bußgeld festgelegt, das der Betrieb im Zweifel aus der Portokasse bezahlt.“
Das sei oft billiger als etwa regelmäßige Hygiene-Schulungen der
Mitarbeiter.
Länder und Bund hatten sich bereits im Mai 2011 darauf geeinigt, die
Kontrollergebnisse in Form eines Farbbalkens in Restaurants zu
veröffentlichen. Doch bis heute hat Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner
(CSU) keinen Gesetzentwurf für eine deutschlandweit einheitliche
Kennzeichnung vorgelegt.
10 Nov 2012
## AUTOREN
Jost Maurin
Jost Maurin
## TAGS
Konsum
Fische
Gastronomie
Betrug
Greenpeace
Einzelhandel
Aigner
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