# taz.de -- Evakuierung in Afghanistan: Nehmt mich mit! | |
> Die Bundesregierung diskutiert, afghanische Mitarbeiter der Bundeswehr | |
> nach Deutschland auszufliegen. Aber wer entscheidet, wer geht und wer | |
> bleibt? | |
Bild: Saigon 1975: Evakuierung von CIA-Personal und seinen vietnamesischen Mita… | |
Zu den ikonenhaften Bildern des Vietnamkrieges zählt dieses Foto des | |
Niederländers Hubert van Es vom 29. April 1975. Es zeigt die Evakuierung | |
des CIA-Personals vom Dach der US-Botschaft in Saigon. Dutzende Amerikaner | |
und ihre vietnamesischen Mitarbeiter samt Familienangehörigen drängen auf | |
einer Treppe zum Dach, wo ein viel zu kleiner Hubschrauber sie vor den | |
heranrückenden Gegnern in Sicherheit bringen soll. Viele werden nicht | |
mitkommen. | |
Das Foto symbolisiert die Niederlage der USA und Südvietnams. Und es wirft | |
Fragen auf: nach dem Schicksal derer, die im Evakuierungschaos | |
zurückblieben. Die für die Amerikaner nicht erfolgreichen Kriege in | |
Afghanistan und Vietnam sind oft verglichen worden, nicht immer angemessen. | |
Bis Ende 2014 planen die US-Truppen und ihre Verbündeten einschließlich der | |
Bundeswehr wieder einen militärischen Rückzug. Doch stellt sich auch jetzt | |
die Frage, was mit den sogenannten Ortskräften der Bundeswehr, des | |
Bundesnachrichtendiensts und deutscher Entwicklungshilfeorganisationen nach | |
dem deutschen Abzug vom Hindukusch geschieht. | |
Diese Übersetzer, Wächter, Fahrer, Köche, Arbeiter und Fachkräfte – 1.561 | |
sollen es im Sommer allein für die Bundeswehr gewesen sein – haben für die | |
Deutschen viel riskiert. Sie verdienen zwar für afghanische Verhältnisse | |
gut. Doch Deutschland und die Nato-Staaten habe eine Verantwortung über den | |
Abzug hinaus, sollten sich die Taliban oder andere an ihnen rächen wollen. | |
## Zurück nach Deutschland, nur wie? | |
Diese moralische Verantwortung scheint die Bundesregierung langsam | |
anzuerkennen. Am Montag sagte Bundesverteidigungsminister Thomas de | |
Maizière (CDU), er teile die Sorge um diese Mitarbeiter, sollte die | |
Sicherheitslage umkippen. Dann müsste zunächst versucht werden, für sie und | |
ihre Familien Evakuierungsmöglichkeiten in Afghanistan zu finden. | |
Ist dies unmöglich, will de Maizière, dass sie nach Deutschland geholt | |
werden: Das Bundesinnenministerium arbeite an solchen Möglichkeiten. Bisher | |
sind Einzelfallprüfungen vorgesehen. Einzelfallprüfungen – das dürfte in | |
Szenen, wie sich auf dem Saigon-Foto abspielen, nicht sehr realistisch | |
sein. | |
Auf die deutsche Verantwortung gegenüber afghanischen Mitarbeitern wiesen | |
schon Abgeordnete von Regierung und Opposition hin. Zugleich erinnerten sie | |
daran, dass diese Mitarbeiter – von denen viele in den 80er Jahren im | |
sozialistischen Bruderstaat DDR ausgebildet wurden – heute zur liberalen | |
Elite des Landes gehören. Ihre Flucht wäre ein schmerzhafter Braindrain und | |
eine Stärkung radikaler Kräfte. | |
Die Bundesregierung wird Szenen wie aus Saigon vermeiden wollen – wie ja | |
auch noch kein Totalabzug geplant ist, sondern lediglich eine Reduzierung | |
der Kampftruppen. Militärausbilder und Truppen zu deren Schutz sollen | |
bleiben, auch um den Kollaps des Regimes von Hamid Karsai und seines 2014 | |
zu wählenden Nachfolgers zu verhindern. | |
## Was ist mit den Familien? | |
Doch im schlechtesten Fall werden auf die Deutschen harte Entscheidungen | |
zukommen. Wer darf nach Deutschland evakuiert werden? Nur der Dolmetscher? | |
Oder auch seine drei Frauen und zwölf Kinder? Auch die drei Brüder und die | |
vier Schwestern samt deren Familien? | |
Je weniger mitdürfen, desto schwieriger dürfte das wirtschaftliche | |
Überleben für die zurückbleibenden Angehörigen werden. Umgekehrt werden | |
Afghanistans Perspektiven noch düsterer, je mehr von diesen Leuten mit | |
internationaler Erfahrung fliehen. | |
28 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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