Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bundeswehr in Afghanistan: Ängste vor dem Abzug
> Die Bundesregierung gibt sich weniger optimistisch, was die Entwicklung
> in Afghanistan angeht. Der Abzug der Bundeswehr 2014 macht das nicht
> besser.
Bild: Wer verteilt nach 2014 bloß die Bonbons?
BERLIN taz | Die Bundesregierung hat ihre Einschätzung der Stabilität
Afghanistans gerade vorsichtig nach unten korrigiert. Die Sicherheitslage
in Afghanistan „bleibt schwierig“, heißt es in ihrem vor wenigen Tagen
veröffentlichten Fortschrittsbericht, auch wenn sie sich im Jahr 2012
„weiter leicht verbessert“ hat. Das allerdings nur im Vergleich zu den
beiden Vorjahren, die die bisher höchste Zahl an „sicherheitsrelevanten
Vorfällen“ – sprich Aktionen der Aufständischen – verzeichneten.
Fast parallel gab Verteidigungsminister Thomas de Maizière zu, dass man
sich über eine mögliche Evakuierung afghanischer Bundeswehr-Angestellter
Gedanken machen muss. Das hört sich nicht nach Stabilität an.
Der Sicherheitsrahmen ist entscheidend dafür, wie weit die
Wiederaufbauerfolge in Afghanistan nach dem Nato-Teilabzug 2014 tragen
werden. Schon jetzt erodieren Erfolge im Bildungswesen, wenn Familien ihre
Kinder – oft zuerst die Mädchen – aus Angst nicht mehr zur Schule schicken.
In der Provinz Badachschan, bis vor Kurzem Verantwortungsbereich der
Bundeswehr, gehen aus ähnlichen Gründen im Krankenhaus des Distriktzentrums
Baharak schon die Patientenzahlen zurück, von 400 auf 120 pro Tag. Auch
Afghanistans Wirtschaftswachstum liegt bereits unter den Prognosen.
Von zentraler Bedeutung für die Stabilität des politischen Systems sind die
Präsidentschaftswahlen am 5. April des Abzugsjahres 2014. Amtsinhaber Hamid
Karsai kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten, will aber aus dem
Hintergrund weiter mitregieren. Deshalb bevorzugt er wohl eine
innerfamiliäre Nachfolgelösung. Doch der Hauptkandidat, sein älterer Bruder
Qayyum Karsai, ist in einem Exklusivinterview mit einer nationalen
Nachrichtenagentur einseitig vorgeprescht und dürfte wichtige Verbündete
verprellt haben.
## Karsai will keine UN-Wahlbeobachter
Ein zweiter Bruder, der Wirtschaftsexperte des Familienclans, Mahmud
Karsai, ist in einen Bankenskandal verwickelt, der gerade unter hoher
öffentlicher Anteilnahme vor Gericht in Kabul verhandelt wird. Eine zweite
Interessengruppe ist die Islamische Partei, eine Mudschaheddin-Organisation
aus dem Krieg gegen die sowjetischen Besatzer 1979 bis 1989 und stark in
Karsais Beraterumfeld präsent. Pikanterweise kämpft ihr Hauptflügel mit den
Taliban bewaffnet gegen die Karsai-Regierung.
Zurzeit versucht Karsai, die formal unabhängigen Wahlinstitutionen unter
Kontrolle zu bringen. Er lehnt strikt ab, dass, wie bereits 2004 und 2009,
wieder ausländische, UN-mandatierte Mitglieder in der Beschwerdekommission
sitzen werden, die Einsprüche bei Unregelmäßigkeiten bearbeitet.
Die Isaf-Mitgliedsregierungen haben schon erklärt, dass ihre Truppen 2014
nicht wieder bei der Absicherung der Wahlen mitmachen werden. Vor ein paar
Wochen forderten aber die 20 führenden Parteien des Landes die Isaf
öffentlich auf, sich nicht aus der Verantwortung zu nehmen.
Karsai versucht derzeit auch, die Unabhängige Menschenrechtskommission des
Landes umzumodeln. Deren Vorsitzende Sima Samar, der am 7. Dezember der
alternative Nobelpreis überreicht wird, soll an Rücktritt denken. Eine
Schwächung ihre Kommission, die bisher die Kriegsverbrechen aller Seiten,
auch der mit Karsai verbündeten Warlords, dokumentiert hat, wäre noch ein
böses Vorzeichen für die Zeit nach 2014.
29 Nov 2012
## AUTOREN
Thomas Ruttig
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Bundeswehr
Abzug
Schwerpunkt Afghanistan
Bundeswehr
Joachim Gauck
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Isaf
Bundeswehr
## ARTIKEL ZUM THEMA
Afghanische Bundeswehrhelfer: Feind im eigenen Land
Drei Jahre arbeitet Rahim Nagibulla für die Bundeswehr. Er wird von den
Taliban als Verräter beschimpft. Und er bekommt Asyl.
Kommentar Bundeswehr in Afghanistan: Kein Deutscher unter den Opfern
Nur weil 2012 keine Bundeswehrsoldaten in Afghanistan starben, ist dem Land
nicht geholfen. Der Wehrbeauftragte und der Außenminister sollten demütiger
sein.
Gauck in Afghanistan: Besuch bei „Mutbürgern in Uniform“
Kurz vor den Feiertagen besucht Bundespräsident Joachim Gauck überraschend
deutsche Soldaten in Afghanistan. Er will dort die Truppe moralisch
unterstützen.
Frauenrechtlerin in Afghanistan: Erschossen auf dem Weg zur Arbeit
Die Frauenbeauftragte der afghanischen Provinz Laghman wurde erschossen.
Ihre Vorgängerin war ebenfalls bei einem gezielten Attentat getötet worden.
Evakuierung in Afghanistan: Nehmt mich mit!
Die Bundesregierung diskutiert, afghanische Mitarbeiter der Bundeswehr nach
Deutschland auszufliegen. Aber wer entscheidet, wer geht und wer bleibt?
Französche Soldaten verlassen Afghanistan: Kampfeinsatz offiziell beendet
Die letzten 400 französischen Soldaten verlassen das Feldlager in der
Provinz Kapisa. Damit beendet Frankreich den Kampfeinsatz ein Jahr früher
als ursprünglich geplant.
Weniger Bundeswehr in Afghanistan: 1.500 Soldaten kehren heim
Das Außen- und das Verteidigungsministerium sind sich einig: Bis Februar
2014 soll die Truppenstärke der Bundeswehr in Afghanistan auf 3.300 sinken.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.